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Wasserlauf am Moor bei Fahrland in Potsdam. 
© Ottmar Winter

Die Zukunft der Potsdamer Moore: Einfach wieder nass machen

Trockengelegte Moorböden sind für 3,6 Prozent von Potsdams Kohlenstoffdioxid-Emissionen verantwortlich. Die Stadt möchte sie auch deshalb „wiedervernässen“. 

Potsdam - Düster, geheimnisvoll, unwirtlich: Moore hatten lange Zeit ein eher negatives Image und sind durch Trockenlegung und Torfabbau zu großen Teilen aus der Landschaft verschwunden. Doch seit einigen Jahren werden Moore als Klimaschützer wiederentdeckt: „Moore sind CO2-Speicher, da sie den Kohlenstoff von totem Pflanzenmaterial im Wasser binden“, sagt Lars Schmäh, Leiter des Fachbereichs Klima, Umwelt und Grünflächen der Landeshauptstadt.

Über Jahrtausende hinweg haben sich in Mooren nicht vollständig zersetzte Pflanzenreste abgelagert – Torf. „Wenn Moore trockengelegt werden, oxidiert der Kohlenstoff und die Pflanzen verrotten. Der Kohlenstoff verbindet sich mit Sauerstoff und wird zu CO2“, sagt Ariane Walz, Referentin für Klimaanpassung im brandenburgischen Umweltministerium und Mitglied im Potsdamer Klimarat.

Zehn Prozent der Potsdamer Fläche waren Moore

Auf diese Weise entstehen 3,6 Prozent der jährlichen Treibhausgas-Emissionen der Landeshauptstadt, insgesamt 30.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid. Noch vor einigen hundert Jahren machten Moore rund zehn Prozent der Fläche Potsdams aus, also rund 18 Quadratkilometer. Heute sind nur noch knapp zwei Quadratkilometer davon intaktes, nasses Moor, vor allem im Potsdamer Norden zwischen Kartzow, Paaren und Marquardt. Die restlichen Moorflächen sind nicht verschwunden, sie werden größtenteils als Grün- und Ackerland genutzt. Würde man sie „wiedervernässen“ und renaturieren, könnten rund 90 Prozent dieser CO2-Emissionen vermieden werden, so Walz. „Als Klimarat befürworten wir diese Maßnahme und unterstützen jeden Hektar, auf dem dieses Potenzial genutzt wird“, heißt es im Positionspapier des Potsdamer Klimarates.

Technisch ist dies erstaunlich einfach, sagt Schmäh: Die Pumpen, die jedes Jahr zur Entwässerung der landwirtschaftlich genutzten Moorböden genutzt werden, müssten entweder später oder gar nicht mehr angeschaltet werden, außerdem müssten bereits vorhandene Entwässerungsgräben durch kleine Stauschleusen „verschlossen“ werden. Der Rest ergibt sich durch natürlichen Niederschlag, der den Wasserstand ansteigen lassen würde.

Je nasser der Boden, desto schwerer zu bewirtschaften

Die eigentliche Herausforderung liegt woanders: Die besagten Flächen werden größtenteils landwirtschaftlich genutzt, und je nasser die Böden, desto schwerer lassen sie sich bewirtschaften. „Man muss die Eigentümer da mitnehmen“, sagt Schmäh. Von Seiten des Landes gibt es deshalb das Förderprogramm „Moorschonende Stauhaltung“, das Ertragseinbußen von Landwirten kompensieren soll, wenn sie sich dafür entscheiden, ihre Flächen moorschonend zu bewirtschaften. Auch sogenannte „Moor Futures“-Zertifikate können zur Refinanzierung genutzt werden.  Die Moorböden müssen nicht komplett wiedervernässt werden, auch eine teilweise Anhebung des Wasserstandes kann dazu beitragen, CO2 zu sparen. Trotzdem können die Flächen anschließend als Grünland für Heugewinnung und als Weidefläche für Rinder und Schafe genutzt werden, wenn auch nicht so ertragreich wie trockenere Moorböden. 


Landwirt Helmut Querhammer macht genau das: Der Geschäftsführer des Familienbetriebs „Döberitzer Heide Galloways“ ist Pächter von rund 120 Hektar Niedermoorflächen in Potsdam und im Havelland, auf denen er Heu mäht und 160 Galloway-Rinder und 60 Wasserbüffel hält. „Galloways haben sehr große Klauen, die kommen auf den nassen Böden besser klar als normale Rinder“, sagt Querhammer. Noch mehr gilt dies für Wasserbüffel: Sie fressen auch moortypische Pflanzen wie Binsen, Seggen oder Schilf, die normale Hausrinder meist verschmähen. Für Querhammer ist das Thema Moorschutz eine Herzensangelegenheit: „Das ist ein sehr langwieriger Prozess. Wir versuchen hier die massiven Fehler zu korrigieren, die in der Vergangenheit in der Landwirtschaft gemacht wurden.“

Ein kleines Fahrzeug mit breiten Reifen fährt auch auf Moor

In Zusammenarbeit mit dem Landesumweltamt hat Querhammer Staubauten an seinen Moorflächen errichtet, um das Wasser der Winterniederschläge möglichst lange zu halten. Viele Landwirte pumpen das Wasser schon früh im Jahr ab, um mit ihren Traktoren auf den Böden fahren zu können. Querhammer macht es anders: „Das kann man überstauen bis April, dann senkt man es etwas ab und kann mit leichter Technik noch darauf fahren.“ Er nutzt ein kleines Fahrzeug mit extra breiten Reifen und 27 PS, viele andere Landwirte nutzen Traktoren mit 100 bis 150 PS. „Das ist viel zu schwer und eigentlich gar nicht notwendig“, so Querhammer.

Doch auch hier gibt es technische Lösungen: Mit Doppelbereifung etwa können auch schwere Maschinen noch auf nassen Böden fahren, auch Kettenfahrzeuge sind möglich.

Die Landeshauptstadt geht derzeit gezielt auf Potsdamer Landwirte zu, um sie für moorschonende Bewirtschaftung zu gewinnen: „Es muss hier ein Konstrukt gefunden werden, bei dem der Wasserstand nicht mehr so stark abgesenkt wird und die Eigentümer trotzdem erfolgreich wirtschaften können“, sagt Schmäh.

Wiedervernässte Moorböden haben noch andere wirtschaftliche Potenziale: Zum Beispiel zur Gewinnung von Biomasse für Biogasanlagen, zur Nutzung von Pflanzen als Dämmstoffmaterial oder zum Anbau von Schilf als Baustoff für Reetdächer. Das vor einem halben Jahr gestartete Netzwerk „Das Blaue Band der Havel“ vom Landschaftspflege Potsdamer Kulturlandschaft e.V. bietet ebenfalls Handlungsempfehlungen für Landwirte, die ihre Böden moorschonend bewirtschaften wollen.

Potsdams Moore langfristig erhalten

Das Wiedervernässen ist nicht nur wichtig, um CO2 zu sparen, sondern auch, um Potsdams Moore langfristig zu erhalten. „Die Moorböden schrumpfen, jedes Jahr werden sie etwa einen Zentimeter dünner“, sagt Ariane Walz. Derzeit beträgt die Dicke der Moorböden noch rund eineinhalb Meter. Sprich: „Wenn wir so weiter machen wie bisher, sind sie in 150 Jahren weg“, so Walz.

Hintergrund: Moore als Klimaschützer

Moore speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt. Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) binden Moore weltweit doppelt so viel CO2 wie alle Wälder zusammen. Obwohl Moore nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, speichern sie rund 30 Prozent des erdgebundenen Kohlenstoffs.

Umgekehrt stoßen trockengelegte Moore jährlich so viel CO2 aus wie der weltweite Flugverkehr. Das Speichern von Kohlenstoff ist nicht der einzige positive Effekt, den Moore auf die Umwelt haben: Da sie zu 95 Prozent aus Wasser bestehen, spielen sie eine wichtige Rolle im Wasserhaushalt und helfen, Überschwemmungen und Flutkatastrophen zu verhindern. Auch angesichts von Trockenheit und Dürren sind Moorböden wichtige Wasserspeicher. Zudem sind Moore Heimat für viele seltene und bedrohte Tier- und Pflanzenarten, die auf die besonderen Bedingungen dieser Biotope spezialisiert sind.

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