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Initiative Vermisste Kinder: „Die Polizei muss die Kanäle der sozialen Medien stärker nutzen“

Der sechsjährige Elias aus Potsdam ist seit Mittwoch verschwunden. Im PNN-Interview spricht Lars Bruhns, Chef der Initiative Vermisste Kinder, über die Rolle von sozialen Netzwerken bei der Suche.

Herr Bruhns, Ihr Verein setzt sich für eine effektivere Suche nach vermissten Kindern ein. Wie häufig kommen solche Fälle in Deutschland vor?

Jedes Jahr gehen bei der Polizei mehr als 100.000 Vermisstenanzeigen ein, die Kinder und Jugendliche betreffen – sie tauchen in mehr als 99 Prozent aller Fälle wohlbehalten wieder auf.

Unter anderem sprechen Sie sich dafür aus, dass bei solchen Fällen wie jetzt in Potsdam eine zentrale Spezialeinheit der Polizei zur Öffentlichkeitsfahndung agiert. Warum?

Zeit ist der wichtigste Faktor in solchen Vermisstenfällen – gerade wenn es sich um ein Verbrechen handelt, ist jede Stunde entscheidend. Daher sind schnelle, aber auch genaue Hinweise für die Ermittler nötig. Ein Beispiel: In den USA haben Facebook und die Polizei eine Vereinbarung, dass solche Vermisstenmeldungen zentral an alle Nutzer in einem bestimmten Verbreitungsgebiet geschickt werden.

Was wäre dabei der Vorteil?

Solche Meldungen besitzen eine große Reichweite und Informationen können möglichst zentral an die Polizei zurücklaufen. Das ist auch wichtig, weil solche Fälle bald ein überregionales Echo auslösen und entsprechend auch immer mehr vermeintliche Hinweise eingehen können. Im Fall von Elias hat die brandenburgische Polizei zumindest auf ihrer Internetseite eine zentrale Suche mit einer Hinweismaske gestartet.

Über Gruppen bei Facebook haben sich im Fall Elias nach kurzer Zeit Tausende Nutzer vernetzt, die Suchtrupps verabredeten. Aber es gab auch Spekulationen, ob etwa Alkoholiker oder Pädophile am Schlaatz etwas mit dem Fall zu tun haben könnten. Gibt es dieses Phänomen auch bei anderen Vermisstenfällen dieser Art?

Ja. In solchen Fällen schießen immer solche Suchseiten wie Pilze aus dem Boden, es existieren mit der Zeit Hunderte von Kanälen zu einem Fall. Das kann – bei allem Engagement – kontraproduktiv wirken, wenn Ängste geschürt und wilde Theorien zum Beispiel über Kinderfänger verbreitet werden. Das ist für alle Beteiligten, vor allem für die betroffene Familie, mehr als unangebracht. Entsprechend muss die Polizei stärker als bisher die Kanäle der sozialen Medien für ihre Zwecke nutzen.

Die Fragen stellte Henri Kramer

ZUR PERSON: Lars Bruhns ist Chef des Hamburger Vereins „Vermisste Kinder“, der seit 2008 auch eine europaweite Hotline für vermisste Kinder betreibt.


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