Kinderarmut in Potsdam: Die Jüngsten sind die Ärmsten
In Brandenburg leben 15 Prozent der Minderjährigen in Haushalten, die Hartz IV beziehen. Kinderarmut wird jedoch in Potsdam kaum als Problem wahrgenommen, wie eine Debatte zum Thema zeigte.
Potsdam - Kinder und Jugendliche sind in Potsdam überdurchschnittlich stark von Armut betroffen. Etwa 15 Prozent der Minderjährigen in der brandenburgischen Landeshauptstadt leben in Haushalten, die Hartz IV beziehen. Das ist mehr als jeder Siebente unter 18 Jahren. Die aktuelle Arbeitslosenquote der städtischen Gesamtbevölkerung im arbeitsfähigen Alter liegt hingegen nur bei 5,5 Prozent.
Trotz dieser prekären Situation sei die Kinderarmut „als Diskussionsthema noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagte Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) auf einer Veranstaltung des Babelsberger Ortsvereins seiner Partei am Donnerstagabend im Awo-Kulturhaus Babelsberg. Die Veranstaltung schien Schuberts These sogleich zu bestätigen: Lediglich etwa ein Dutzend Zuhörer zog es zu diesem öffentlichen Diskussionsabend, bei dem neben Schubert auch Angela Schweers, Vorstandschefin des Potsdamer Awo-Bezirksverbands, auf dem Podium zum Thema diskutierte.
3765 Kinder und Jugendliche in Bedarfsgemeinschaften
Schweers beklagte ein Gegeneinander der verschiedenen politischen Ebenen in Deutschland. So aber könne man dem Thema Kinderarmut nicht wirkungsvoll begegnen. Zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen würden nur allzu häufig die Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben werden. Die Politik müsse sich stattdessen fragen: „Wie geht’s gemeinsam?“ Die Awo-Chefin hatte auch aktuelle Zahlen des Amtes für Statistik parat. Demnach gab es im vergangenen Mai in Potsdam 3765 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Bedarfsgemeinschaften nach Sozialgesetzbuch II – das sind jene eingangs erwähnten 15 Prozent dieser Altersgruppe, die mit Hartz IV leben. Davon wiederum sind 1671 Kinder jünger als sechs Jahre.
Armut ist nicht nur ein materielles Problem, wie die Diskussion deutlich machte. Denn der Mangel an Geld kann auch die soziale Entwicklung der Betroffenen beeinflussen. Arme Kinder hätten oft keine Hobbys, sagte Schweers. Und die unzähligen Anträge auf Extraleistungen, wie Klassenfahrten und besondere Bildungsangebote, führten bei manchen Eltern zu einer gewissen Erschöpfung. Die eigene finanzielle Situation „immer wieder offenlegen“, das sei nicht gerade einfach. Schweers zeichnete geradezu das Bild einer Abwärtsspirale: Sind die Eltern arm, haben die Kinder in der Schule oft das Nachsehen und später dann selbst schlechtere Berufschancen. „Wir haben lebenslange Armutskarrieren“, sagte Schweers. Und noch drastischer: „Armut verkürzt das Leben.“ Zweiflern an dieser Aussage erklärte sie: „Dazu gibt es gesicherte Zahlen.“
Einige Viertel sind besonders arm
In Potsdam ist zudem der Anteil armer Menschen in den verschiedenen Stadtteilen unterschiedlich stark ausgeprägt. Das betrifft freilich auch die hier lebenden Kinder. Schubert, der auch SPD-Oberbürgermeisterkandidat ist, präsentierte eine Statistik, wonach besonders der Schlaatz, die Waldstadt II und Drewitz von Kinderarmut betroffen sind. Etwas weniger belastet, aber immer noch im kritischen Bereich sind das Zentrum-Ost und der Stern. Erst kürzlich hatte eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) nachgewiesen, dass in Potsdam die räumliche Trennung von Arm und Reich innerhalb des Stadtgebiets – die sogenannte Segregation – schneller wächst, als in den meisten anderen Städten Deutschlands (PNN berichteten). Bei Familien mit Kindern, die Sozialleistungen beziehen, ist diese Segregation demnach in Potsdam sogar noch stärker ausgeprägt, als in der Gesamtbevölkerung der Landeshauptstadt.
Auch an den Schulen Potsdams ist laut Schweers eine Ungleichverteilung von finanziell benachteiligten und bessergestellten Schülern zu verzeichnen. Teilweise gebe es dort „überhaupt keine Armen“. An anderen Schulen wiederum sei der Anteil armer Kinder recht hoch.
Gleiche Chancen für alle
Zur Förderung der Chancengerechtigkeit von Kindern und Jugendlichen soll noch in diesem Jahr ein Maßnahmeplan von der Kommune verabschiedet werden, kündigte Schubert an. Kooperationspartner dabei ist unter anderem das Deutsche Kinderhilfswerk. Das Ziel des Plans: Alle Potsdamer Kinder und Jugendlichen sollen „die entsprechende Förderung für ihre Entwicklung und ihre Stärken erhalten – vom Start ins Leben bis zum Übergang ins Erwachsenenalter“, heißt es in einem Papier der Verwaltung.
Eilig hatte man es allerdings bislang nicht mit diesem Vorhaben: Schon 2014 wollte man mit den Arbeiten am Maßnahmeplan beginnen. Im Januar 2016 sollte der Entwurf fertig sein. Nun also klappt das frühestens 2018.
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