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Der Bürgerdialog ist eine Konsequenz des wachsenden Widerstands gegen die umstrittene Garnisonkirche.
© dpa

Bürgerdialog in Potsdam: Die Garnisonkirche steht zur Disposition

Es kommt Bewegung in den erbitterten Streit um die Garnisonkirche, bald soll ein Bürgerdialog starten. Dafür werden gerade die Spielregeln festgelegt - und alles kommt auf den Prüfstand.

Potsdam - Die Stadt will mit ihren Einwohnern über die Garnisonkirche reden. Über die spannendste Frage wird in den nächsten zwei Monaten entschieden – die Spielregeln. Und die, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), „müssen die Beteiligten bestimmen“. Die Beteiligten, das sind vor allem die Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche und ihr Widerpart, die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche. In der ersten Phase des Bürgerdialogs müssen sie untereinander ausmachen, was zur Verhandlungsmasse zählt und was nicht.

Die Kirchengegner hatten zuletzt noch einmal klargemacht, dass ein Bürgerdialog nur dann ein ernst zu nehmendes Angebot sei, wenn auch der originalgetreue Wiederaufbau des Turms zur Disposition stehe. Darüber, so Jakobs, könne aber nur diskutiert werden, wenn es gelinge, die Stiftung zu überzeugen, auf ihr Baurecht zu verzichten. Denn für den Turm in seiner originalen Hülle, so Jakobs, gebe es eine rechtsgültige Baugenehmigung.

Jakobs macht das Verfahren zur Chefsache

Dass dies einer Quadratur des Kreises gleicht, ist auch dem Rathauschef klar: Es sei möglich, dass das Verfahren schon in dieser ersten Phase an den konträren Vorstellungen von Befürwortern und Gegner scheitere. Ob die Garnisonkirchenstiftung bereit ist, den Turm zur Verhandlungsmasse zu machen, ist offen. Nachfragen dazu wurden am Donnerstag nicht beantwortet. Das Stiftungskuratorium habe Jakobs’ Vorschlag „zur Kenntnis genommen und für gut befunden“, sagte Verwaltungsvorstand Peter Leinemann den PNN und fügte salomonisch hinzu: „Wir leisten gerne unseren Beitrag.“

Am Mittwochabend hatte Jakobs im Hauptausschuss erstmals das Konzept für den Bürgerdialog vorgestellt. Angesichts der jahrelangen, selbst für Potsdamer Verhältnisse erbittert ausgetragenen Fehden zwischen Gegnern und Befürwortern macht der Oberbürgermeister das Verfahren nun zur Chefsache, auch die Kosten will die Stadt tragen.

Alles kommt auf den Prüfstand

Fazit: Alles kommt auf den Prüfstand, nicht nur die Kirche, sondern auch ihr Umfeld, der frühere Plantagenplatz nebst DDR-Rechenzentrum. Eine Folge könnte seinen Worte zufolge sein, dass die Sanierungsziele für das Umfeld verändert werden. Das längst für die Abrissbirne vorgesehene Rechenzentrum an der Ecke Breite Straße und Dortustraße könnte dann womöglich dauerhaft erhalten bleiben.

Der Bürgerdialog, so Jakobs, müsse ergebnisoffen geführt werden. Zur Gestalt der Garnisonkirche stünden zum Beispiel die Varianten des originalgetreuen Wiederaufbaus, nur der Bau des Turms oder einzig eines Versöhnungszentrums samt Turmandeutung im Raum. Wie berichtet wächst auch in den Reihen der Projektbefürworter die Zahl derer, die sich einen Verzicht auf die Wiedererrichtung des Kirchenschiffs vorstellen können.

Gegner und Befürworter an einen Tisch

Außerdem gehe es um die konkrete künftige Nutzung der Kirche, hieß es weiter – bisher ist ein Versöhnungszentrum geplant. Auch die Verbindlichkeit der Abmachungen müsse geklärt werden. Selbst eine Bürgerbefragung könne wieder Thema werden, so Jakobs: „Wir werden uns dem nicht verschließen.“

Jedenfalls will der Oberbürgermeister als Moderator einen breiten Dialog organisieren, in den neben Stiftung und Fördergesellschaft für den Wiederaufbau auch die Bürgerinitiative „Mitteschön“ und die Initiative gegen die Garnisonkirche einbezogen werden. Weitere Vereine und Institutionen wie das Büro für Bürgerbeteiligung sollten ebenfalls kontaktiert werden. Die Stadt wolle das Projekt bezahlen, um einen wirklich ergebnisoffenen Dialog zu ermöglichen, so Jakobs. Die Garnisonkirchen-Stiftung, die den Wiederaufbau als Satzungszweck festgeschrieben hat, könne dies nicht gewährleisten.

Sollten sich die Beteiligten über den Hauptstreitpunkt Garnisonkirche einigen, soll eine zweite Phase des Bürgerdialogs beginnen – mit Wochenend-Workshops zu den einzelnen Themenfeldern, die dann in Ergebnisse münden sollten. Beauftragt mit dem Bürgerdialog hat die Stadt den kommunalen Sanierungsträger sowie die Potsdamer Complan Kommunalberatung GmbH, nach PNN-Informationen geht man derzeit von fünfstelligen Kosten aus. Die Höhe hängt vom Verlauf ab. Zudem will die Stadt beim Land nachfragen, ob das Verfahren gefördert werden kann. Sanierungsträgerchef Bert Nicke sagte den PNN, vorstellbar seien auch ein moderiertes Online-Forum und von Planern erstellte Visualisierungen, wie bestimmte Gestaltungsvorschläge zur Kirche und ihrem Umfeld aussehen könnten.

Soll das Rechenzentrum noch ein paar Jahre bleiben?

Bei dem Bürgerdialog gehe es nicht nur um die Kirche an sich, ergänzte Nicke. Auch das Umfeld müsse einbezogen werden, vor allem das Rechenzentrum. Dieses stünde zwar dem Kirchenschiff im Wege, nicht aber dem Turm. Doch der Bau des Schiffs sei derzeit nicht absehbar, sagte Nicke. Bekanntlich hat die Stiftung für den Wiederaufbau der Kirche derzeit erst etwa die Hälfte des Geldes für den 40 Millionen Euro teuren Turm zusammen bekommen. Das Schiff würde weitere 60 Millionen Euro kosten.

Vor diesem Hintergrund gehe es um die Frage, was in der Zwischenzeit mit dem Umfeld passieren solle, so Nicke – ob etwa das Rechenzentrum noch länger als zehn Jahre stehen bleiben könne. Bekanntlich soll das Haus zunächst für drei Jahre befristet Potsdamer Künstlern zur Verfügung stehen. Sollte sich dieser Zeitraum verlängern, so Nicke, könne auch über Investitionen in den Bau nachgedacht werden.

Allerdings habe die Stadt vom Land beim Erwerb des Gebäudes bereits mehr als 3,5 Millionen Fördermittel für den Abriss erhalten. Dieses Geld müsste gebenenfalls zurückgezahlt werden. „Aber hier lassen sich Lösungen finden, wir führen dazu Gespräche“, so Nicke.

Stadtpolitiker begrüßen Bürgerdialog

In der Stadtpolitik stieß das angestrebte Verfahren auf breite Zustimmung. Es sei „gut, dass die Stadt die Trägerschaft für den Dialog“ übernommen habe, sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert. Es bestehe Hoffnung, dass der jahrelange Streit beendet werde. CDU-Fraktionschef Matthias Finken sprach von einer „guten Lösung“, er hoffe auf eine „sachliche und konstruktive Debatte, die bisher zu einseitig und emotional geführt wurde“. Mehr Sachlichkeit wünschen sich auch die Grünen. Jakobs’ Initiative werde „ausdrücklich begrüßt“, sagte Fraktionschefin Saskia Hüneke. Sie hoffe auf ein von „einer großen Mehrheit akzeptiertes Ergebnis“.

Auch die Linke äußerte sich positiv. Er begrüße den Bürgerdialog, sagte Kreischef Sascha Krämer. Allerdings dürfe es dabei keine Tabus geben. „Um zu einem klaren Meinungsbild zu diesem politisch brisanten Vorhaben zu kommen, muss der Ort neu gedacht werden, und zwar ohne Festhalten an gegenwärtigen Positionen.“ Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg erklärte, es sei entscheidend, dass ein Konsens gefunden werde.

Der geplante Bürgerdialog ist eine Konsequenz des zunehmenden Widerstands gegen das umstrittene Wiederaufbauprojekt Garnisonkirche. Eine Bürgerinitiative hatte im vergangenen Jahr binnen weniger Wochen mehr als 14.000 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt. Den Wiederaufbau zum Thema eines Bürgerentscheids zu machen, hatten die Stadtverordneten aber abgelehnt.

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