Potsdam: Die Alternative zum Fahrverbot
Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag ein Wegweisendes Urteil zur Luftreinhaltung in Städten gesprochen. Kommunen können als Ultima Ratio Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen. In Potsdam will man dies jedoch vermeiden - und setzt auf andere Maßnahmen.
- Henri Kramer
- Enrico Bellin
- Sandra Calvez
Potsdam-West - Angesichts der gesunkenen Abgaswerte und sinkender Fahrzeugzahlen soll die zunächst nur testweise geplante Verengung der Zeppelinstraße bestehen bleiben. Das hat Potsdams Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) am Dienstag vor Journalisten erklärt. Allerdings müsse an einigen Stellen nachjustiert werden, etwa bei neu entstandenen Schleichwegen oder Alternativangeboten für Pendler. Die von vielen Autofahrern heftig kritisierte Verengung sei auch besser als die vom Bundesverwaltungsgericht nun grundsätzlich ermöglichten Diesel-Fahrverbote in Städten mit zu hoher Luftbelastung, machte Rubelt deutlich: „Solche Maßnahmen will ich vermeiden.“
Die für sechs Monate ausgelegte Verengung sei insgesamt erfolgreich gewesen, weil weniger Verkehr durch die Straße geflossen wäre, so Rubelt – es gehe um 2400 bis 3500 Fahrzeuge weniger pro Tag auf der Bundesstraße. In den Hauptverkehrszeiten seien nun bis zu 20 Prozent weniger Fahrzeuge in Richtung Innenstadt unterwegs, hieß es – mit Auswirkungen bis in die Breite Straße. So sei das Hauptziel der Verengung, die Senkung der vormals zu hohen Abgasbelastung, in den vergangenen Monaten erreicht worden.
Belastungen bis zum 30 Prozent reduziert
In den Vorjahren hatte es auf der wichtigen Verkehrsader stets Überschreitungen der geltenden Grenzwerte für giftiges Stickstoffdioxid (NO2) gegeben. Die EU erlaubt maximal 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Monatsschnitt, die Zeppelinstraße lag bis zu ihrer Verengung meist bis zu zehn Prozent darüber. Im vergangenen Jahr wurden vom Landesumweltamt dagegen noch 34 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Um bis zu 30 Prozent hätten sich die Belastungen reduziert, hieß es bei der Präsentation.
Kritisch sei, dass ein Teil der Autofahrer noch auf andere Strecken ausweiche. Allerdings sei das nur in „moderatem“ Maße der Fall, auf den Alternativrouten sei die Abgasbelastung noch deutlich unter den Grenzwerten, sagte der für den Versuch beauftragte Verkehrsingenieur Tobias Schönefeld – daher sei die Gesamtmaßnahme aus lufthygienischer Sicht positiv. In der zweiten Hälfte des Versuchs seien in der Geschwister-Scholl-Straße noch 1200 Fahrzeuge mehr registriert worden, in der Maulbeerallee sogar 1500 Autos zusätzlich. In der ersten Hälfte war der Ausweichverkehr allerdings noch stärker ausgefallen, unter anderem wegen einer Baustelle in Geltow (PNN berichteten). Gleichwohl wolle man untersuchen, wie man den Ausweichverkehr noch eindämmen könne, sagte der Rathaus-Chefverkehrsplaner Norman Niehoff – etwa über neue Einbahnstraßenregeln oder generell Tempo 30 in der Scholl-Straße. Für eine Ideensuche ist für den 16. März eine Anwohnerversammlung vorgesehen.
800 Autofahrten weniger pro Tag
Insgesamt seien 800 Autofahrten weniger pro Tag registriert worden – es sei zu vermuten, dass die Fahrer nun entweder die Regionalbahn nutzen, radeln, laufen, Fahrgemeinschaften bilden oder großräumig auf die Autobahn ausweichen, hieß es. Allerdings seien für den öffentlichen Nahverkehr vor Ort keine zusätzlichen Fahrgäste registriert worden. Verbessert habe sich die Situation vor allem für Fußgänger und Radfahrer – Letztere haben nun einen eigenen Weg stadtauswärts, wo früher Autos fuhren.
An der Verengung hatte es von Anfang an auch viel Kritik gegeben, vor allem von Autofahrern. Ingenieur Schönefeld räumte ein, dass sich die durchschnittliche Fahrzeit von Geltow in die Breite Straße um bis zu fünf Minuten in den Morgenstunden erhöht habe – auf rund 18 Minuten. Das liege aber auch an der eingeführten Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30. Insgesamt hätten auch die Reisezeiten für die Busse leicht zugenommen – allerdings könnten diese in Richtung Innenstadt eine separate Spur nutzen. Eine angekündigte Busspur zwischen Geltow und Potsdam könne bis Ende 2019 fertig gebaut sein, so Rubelt. Schon jetzt sei die Zahl der Pendler aus dem Umland, die nach Potsdam mit einem erweiterten Busverkehr fahren, um rund 25 Prozent gestiegen - auf täglich 630 Personen. Und auf dem P+R-Parkplatz in der Pirschheide seien in den Morgenstunden Reserven für Pendler vorhanden, die dort ihr Auto abstellen und mit der Tram im Zehn-Minuten-Takt in die Innenstadt fahren wollen.
„Die guten Werte wurden erkauft durch die Zunahme der Belastung in den Nebenstraßen"
Die Reaktionen fielen am Dienstag gemischt aus. „Wir haben seit der Verengung der Zeppelinstraße täglich starke Belastungen in Geltow, die Autos stauen sich bis zum Ortseingang“, sagte Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU). Gleichzeitig begrüßte sie aber den Bau der Busspur, die auch für die Nutzer des an der Baumgartenbrücke geplanten Pendlerparkplatzes wichtig sei. Zugleich habe sich die Verständigung mit Potsdam verbessert, sagte Hoppe – Bernd Rubelt sei ein Partner auf Augenhöhe.
Im Bauausschuss der Stadtverordneten stieß die Wirkung des Modellversuchs am Dienstagabend überwiegend auf positives Echo. Allerdings wurden Nachbesserungen gefordert. So sagte etwa Lars Eichert (CDU/ANW), dass „die guten Werte erkauft wurden durch die Zunahme der Belastung in den Nebenstraßen“. Beim öffentlichen Nahverkehr müsse das Angebot verbessert werden. Kai Weber (SPD) forderte, die Tempo-30-Zone im Gebiet auf den ganzen Tag auszuweiten. Als Gründe nannte er die Schulwegsicherheit und den Lärmschutz.
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Kommentar: Konflikte wegen geplanter Baumfällungen sind in einer wachsenden Stadt nur eine Frage der Zeit. Dennoch muss Potsdam die Debatte um eine bessere Steuerung des Wachstums führen, meint PNN-Redakteur Henri Kramer in seinem Kommentar.
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