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Saskia Ludwig (CDU) bei einem Pressegespräch 2019
© dpa
Update

Wahl des Direktkandidaten: Der Machtkampf der Potsdamer CDU wird in der Vulkan-Arena entschieden

Der CDU steht eine richtungsweisende Wahl bevor: Angetreten sind die national-konservative Saskia Ludwig und der liberale Kandidat Götz Friederich. Das Rennen scheint dabei völlig offen.

Potsdam - Der Ort ist für das Ende eines monatelangen Machtkampfs passend gewählt: In der "Vulkan"-Arena des Filmparks entscheidet sich am Samstag ab 14 Uhr, wer für die Potsdamer CDU bei der nächsten Bundestagswahl als Direktkandidat antritt. Zur Wahl stehen die Bundes- und Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig und der Potsdamer Kreis- und Fraktionschef Götz Friederich. Potenziell wahlberechtigt sind mehr als 900 CDU-Mitglieder in Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Ludwigsfelde.

Es geht dabei nicht um eine reine Personalie - die Wahl gilt als Richtungsentscheidung, ob die Potsdamer CDU in den kommenden Jahren eher als konservativ-national wie Ludwig  oder liberaler wie Friederich wahrgenommen werden will. Und: Es geht um die politische Zukunft der 52-jährigen Ludwig und des 57 Jahre alten Friederich.

Es brodelt in der Partei

Der geografische Heimvorteil liegt bei Friederich, er stammt aus Babelsberg, seine Gegnerin aus Golm. Doch wer die besseren Chancen hat, ist unklar, selbst langjährige CDU-Kenner wollen kein Urteil abgeben - weil die Gemengelage schwierig ist und beide Bewerber in ihrer Partei umstritten sind, ihre Gegner eine Chance auf Rache als Wahlmotivation haben. Erst diese Woche erschien über Ludwig ein zweiseitiger Bericht im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", in dem einmal mehr ihre Nähe zu AfD-Positionen und auch ihr Doppelmandat in Bundes- und Landtag herausgestellt wurden. Dazu ließ sich Ex-CDU-Landeschef Ingo Senftleben zitieren: "Die Wähler merken, dass es bei dieser Anhäufung von Ämtern um persönliche Vorteile geht. Das schadet dem Ansehen der Partei und der Politik." Dagegen lässt sich Ludwig zitieren, sie habe schon vielfach Respekt für die Doppelbelastung erhalten, auch von Kritikern. 

Zudem trägt Ludwig noch immer an der Bürde ihrer Niederlage bei der vergangenen Bundestagswahl 2017. Damals verlor sie gegen den Bundestrend im Potsdamer Wahlkreis 61, die SPD-Kandidatin und heutige Ministerin Manja Schüle holte für die Sozialdemokraten das einzige Direktmandat im Osten. Es war Ludwigs Niederlage, weil wegen ihrer polarisierenden Art offensichtlich auch Wähler der Linken oder Grünen für Schüle votierten - ihr Ergebnis lag knapp acht Prozentpunkte über den 18,5 Prozent, die die SPD bei den Zweitstimmen einfahren konnte.

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Insofern polterte auch Friederich, als er im Juli seine Kampfkandidatur gegen Ludwig bekannt gab: Es gehe für die CDU um eine Richtungsentscheidung zwischen der fundamental konservativen Ludwig und dem „konservativ-liberalen Bürgertum – dafür stehe ich“, so Friederich. Die Wählerschaft im Wahlkreis 61 gewinne man nicht „mit sehr konservativen Einstellungen oder darüber hinaus“, so der CDU-Kreischef in Richtung seiner Kontrahentin.

Sonst ein Ort für Stunt-Shows: Die Vulkan-Arena im Filmpark
Sonst ein Ort für Stunt-Shows: Die Vulkan-Arena im Filmpark
© PNN / Ottmar Winter

Beide haben auch innerparteiliche Gegner

Ungewiss ist auch, ob Ludwig als Kreisvorsitzende des CDU-Verbands Potsdam-Mittelmark wirklich alle Mitglieder dort hinter sich vereint - zumal der Wahlkreis diesmal so zugeschnitten ist, dass Ludwigs Hochburg in Werder/Havel nicht mit dabei ist, die Union von dort also am Samstag auch nicht mitstimmen kann. Zudem wird Kritik an Ludwigs Politik geübt: Jüngst erschien ein CDU-Twitter-Video mit Karsten Gericke, dem Vorsitzenden der CDU Schwielowsee, im Gespräch mit Treuenbrietzens CDU-Chefin Anja Schmollack. Darin ging es um fehlende Mobilfunktürme im ländlichen Mittelmark-Regionen. Für deren Ausbau erfahre man leider zu wenig Unterstützung von "der einzigen CDU-Landtagsabgeordneten des Landkreises", sagte Schmollack ohne Ludwig direkt zu nennen: "Sie setzt sich dafür nicht ein". Das sei umso bemerkenswerter, als das Ludwig die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion sei und Unternehmen der Region unter solchen Zuständen leiden würden. Später riefen beide zur Teilnahmen an der Wahlveranstaltung am Samstag auf - bei der sich wiederum Friederich als Chef des Potsdamer Wirtschaftsrats als Experte für dieses Thema geben dürfte.


Vor parteiinternen Gegnern muss sich allerdings auch Ludwigs Konkurrent Friederich fürchten. Denn in seiner Amtszeit seit 2018 hat er es nicht geschafft, die Partei und Stadtfraktion hinter sich zu einen, gerade Letztere ist tief gespalten. Für Unmut sorgte der Umgang mit langjährigen Mitarbeitern, besonders in der Fraktion. Die Folge: So wird der frühere Fraktionschef Matthias Finken, der eigentlich über Jahre für eine pragmatische CDU-Politik stand, nun zum Ludwig-Lager gezählt. Und das ist nach PNN-Informationen kein Einzelfall. Gerade in den nördlichen Ortsteilen sei der Rückhalt für Friederich zuletzt stark gesunken, heißt es. Die Frage ist, ob am Samstag auch solche innerparteilichen Kabale angesprochen werden.

Beide hatten schon Niederlagen zu verkraften

Und auch Friederich hatte wie Ludwig schon mit Wahlniederlagen zu kämpfen. Bei seiner OB-Kandidatur 2018 reichte es nicht für die Stichwahl, bei der Kommunalwahl ein Jahr später sackte die CDU um drei Prozentpunkte auf nur noch 12,4 Prozent ab - was die Friederich-Seite aber dem einstigen Fraktionschef Finken anlastet. Parteifreunde erzählen sich auch, viele in der Potsdamer CDU seien irritiert, dass der Steueranwalt Friederich lange Zeit eigentlich eine Bundestagskandidatur ausgeschlossen habe - und nun doch will.

Friederich sagt, er habe sich vorher nie erklärt. Auch sein Agieren in der Stadtpolitik wird von manchem in der Union als mindestens unglücklich eingeschätzt: Ein angekündigtes Bürgerbegehren für Corona-Prämien für Mitarbeiter in christlichen Kliniken musste die CDU aus rechtlichen Grünen zuletzt wieder zurücknehmen, eine missglückte Anfrage zur angeblich mangelnden Präsenz von Oberbürgermeister Mike Schubert ebenfalls. Schubert war krankheitsbedingt mehrere Wochen nicht im Dienst, die Tatsache war auch öffentlich kommuniziert worden. Solch eine Art der Oppositionsarbeit sei kontraproduktiv, sagt einer der internen Kritiker.

Vor diesem Hintergrund geht es auch um Friederichs politische Zukunft, zumal ihm interne Kontrahenten im Nacken sitzen. So hatte der neue Chef des Bezirksverbands Nord West, Oliver Nill, eine Kampfkandidatur gegen Friederich um den Posten des Kreischefs angekündigt. Auch Nill wird von Friederichs Anhängern im eher konservativen Lager der Union verortet. Würde Friederich abgewählt, drohe der Potsdamer CDU ein Rechtsruck, warnen Friederich-Anhänger. Hier soll die Entscheidung vermutlich nächstes Jahr anstehen, auch dafür muss eine corona-gerechte Umgebung gefunden werden.

Es wird kalt in der Arena

Gemütlich oder gar kuschlig wird es bei der CDU am Samstag offenkundig nicht: Denn die "Vulkan"-Arena ist eine Freiluft-Location mit Tribünen-Überdachung, wegen der Corona-Lage hat man sich dafür entschieden. Vorausgesagt sind für den Nachmittag nun aber knapp 13 Grad und Regen. Gut möglich, dass auch das Wetter die Entscheidung beeinflusst, weil manche einfach nicht kommen.

Götz Friederich (CDU)
Götz Friederich (CDU)
© Ottmar Winter

Umso mehr buhlen beide Seiten um Stimmen, wobei Ludwig als die in Machtkämpfen Erfahrenere gilt. In aktuellen Werbebriefen Ludwigs, die zur Verwunderung mancher im Potsdamer Kreisverband auch adressgenau an CDU-Mitglieder in der Landeshauptstadt gingen, erklärt Ludwig, sie habe sich das "Miteinander" auf die Fahne für ihre politische Arbeit geschrieben: "Mit ihnen gemeinsam möchte ich in unserer märkischen Heimat und natürlich in Potsdam anpacken und pragmatisch, überparteilich an der Lösung der politischen Probleme hier bei uns und in unserem täglichen Leben arbeiten." Friederich ließ sich hingegen jüngst via Twitter bei der Einheits-Expo in der Innenstadt filmen. Vor dem Slogan "Wir", erinnerte er an die Verdienste der CDU bei der Wiedervereinigung. Und: Er wolle den Wahlkreis 61 wieder für die Union zurückgewinnen. "Wir schaffen das."

Ein geharnischter Brief aus der Senioren-Union

Derweil hat sich auch der Kreisvorstand der Senioren-Union Potsdam in den Wahl- und Machtkampf eingeschaltet. In einem Schreiben, das den PNN vorliegt, wird Kreischef  Friederich scharf kritisiert: "Im Kreisvorstand wird nicht transparent und offen agiert. Politische Diskussionen werden häufig in organisatorische Prozesse abgelenkt und dabei werden zu oft persönliche Interessen verfolgt." Intern seien alte Gräben nicht, wie erhofft, zugeschüttet, sondern vertieft und neue Polarisierungen aufgebaut worden, heißt es weiter. Insbesondere erscheine das Verhältnis zwischen dem Vorsitzenden Friederich und dem Vorstand als zerrüttet. "Dies hat nicht allein der Kreisvorsitzende verschuldet. Zu viele Vorstandsmitglieder kochen ihr eigenes Süppchen. Er aber schafft es als Vorsitzender leider nicht, die Kräfte zusammenzuführen, gemeinschaftliche Ziele zu setzen und ihre Ausführung zu koordinieren; kurzum: er liefert keine offene, integrative und kooperative Leitung." Daher sei ein Neuanfang nötig, so der Potsdamer Kreisvorstand der Senioren-Union.

HINTERGRUND
Wer für die Union als Kandidat im Potsdamer Wahlkreis 61 antritt, wird es trotz der bundesweit guten Umfrageergebnisse für die Union nicht leicht haben. Denn die SPD will bekanntlich Bundesfinanzminister Olaf Scholz in Potsdam ins Rennen schicken, auch die Grünen-Bundeschefin Annalena Baerbock gilt als gesetzt - sie soll am Sonntag (27.9.) offiziell gekürt werden. Dazu treffen sich die Grünen ab 11 Uhr unter der überdachten Basketballfläche im Volkspark. Als weitere Kandidaten in Potsdam stehen schon der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller für die Linken und Potsdams FDP-Kreischefin und Ex-Generalsekretärin der Bundespartei Linda Teuteberg fest.

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