AFFÄRE BEI DEN STADTWERKEN POTSDAM: Der lange Schatten der Stadtwerke-Affäre
Haben suspendierte Manager gegen Vorschriften Mitarbeiterin bis zu 400 000 Euro gezahlt?
Potsdam - Die zwei am Montag suspendierten Geschäftsführer von Tochterfirmen der kommunalen Stadtwerke könnten ohne Zustimmung der zuständigen Gremien einer Mitarbeiterin über mehrere Jahre Gehaltserhöhungen und Sonderzahlungen von insgesamt bis zu 400 000 Euro zugebilligt haben. Diese Vorwürfe werden nach PNN-Recherchen in einem Sonderprüfbericht erhoben, der zur Suspendierung der Manager Enrico Munder und Holger Neumann geführt hat.
Bei dem Vorgang handelt es sich offenbar um eine Altlast aus der Ära des vor rund fünf Jahren fristlos entlassenen Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen. Die betreffende Mitarbeiterin soll zunächst für den Bereich Einkauf bei den Stadtwerken unter Führung von Paffhausen zuständig gewesen sein. Dort soll sie nach Aussagen von informierten Kreisen ihre Stelle jedoch verloren haben und eine Abfindung in sechsstelliger Höhe bekommen haben – und zugleich eine neue Beschäftigung als Prokuristin bei der Stadtwerke-Tochter Stadtentsorgung (Step). Dort soll ihr Gehalt regelmäßig erhöht worden sein, und zwar, so die Vorwürfe, unter der Verantwortung der Manager Munder und Neumann. Anfang des vergangenen Jahres soll die Mitarbeiterin aus dem Unternehmen ausgeschieden sein.
Anwälte sind eingeschaltet
Die Details der Vorgänge werden derzeit den Angaben nach von Innenrevisoren, aber auch externen Anwälten für Straf- und Wirtschaftsrecht geprüft. Bis zu drei Wochen könnte die Untersuchung noch dauern, hieß es. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Geschäftsführer haftbar gemacht werden könnten, wenn sich herausstelle, dass sie gegen die GmbH-Satzung verstoßen hätten. Anlass für die Sonderprüfung sei ein interner Hinweis gewesen, hieß es gegenüber den PNN weiter. Geprüft werde demnach zudem eine in Verantwortung der Prokuristin erfolgte Auftragsvergabe. Seit März vergangenen Jahres ist an der Step-Spitze mit dem Politikwissenschaftler und Unternehmer Burkhardt Greiff ein neuer Manager neben Munder installiert worden – Beobachter vermuten einen Zusammenhang zu den jetzt angestoßenen Untersuchungen. Neumann wiederum gehörte bis März 2015 zur Doppelspitze der Step und konzentrierte sich danach auf seinen Spitzenposten bei der Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP). Sowohl er als auch Munder hatten unter Ex-Chef Paffhausen Karriere bei den Stadtwerken gemacht, beide beziehen Basisjahresgehälter von rund 198 000 beziehungsweise 130 000 Euro.
Offizielle Bestätigungen zu Details der Vorwürfe gibt es nicht. Bis zum Ende der Untersuchung erfolge keine weitere Stellungnahme, sagte eine Stadtwerke-Sprecherin am Dienstag auf PNN-Anfrage. Im Hintergrund liefen diverse Krisensitzungen. Am Montag hatte das Unternehmen bekannt gemacht, dass die zwei Geschäftsführer der Stadtwerke-Töchter EWP und Step kurzfristig suspendiert worden seien. Anlass seien bei einer Sonderprüfung aufgedeckte Sachverhalte gewesen – diese hätten „Fragen ausgelöst“. Warum die Angelegenheit nicht schon im Zuge oder nach der sogenannten Stadtwerke-Affäre vor fünf Jahren auffiel, ist dabei Teil der Untersuchungen. Damals war Ex-Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen fristlos gekündigt worden, Anlass waren der Vorwurf von intransparenten Geheimgeschäften an den Aufsichtsgremien vorbei, speziell mit dem SV Babelsberg 03 (PNN berichtenen). Schon im Zusammenhang mit den damals um sich greifenden Vorwürfen gegen Paffhausen war auch von der besagten Mitarbeiterin die Rede – im Zusammenhang mit einem Unfall ihres Sohnes mit einem Firmenwagen, der dem Vernehmen nach angeblich vertuscht werden sollte. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Paffhausen wurden wegen des Verdachts der Untreue später gegen Zahlung von 35 000 Euro eingestellt, Paffhausen erhielt auch eine zunächst aberkannte Abfindung in Höhe von knapp einer Million Euro. Im Zuge der Affäre wurden umfangreiche Transparenzregeln für die kommunalen Unternehmen erlassen, so erhielten alle Tochterunternehmen obligatorisch eine auf dem Vier-Augen-Prinzip beruhende Doppelspitze, um nicht wieder zu viel Macht in einer Hand zu konzentrieren. Hintergrund war damals auch starker Druck aus der Kommunalpolitik zur Aufklärung der Affäre. Zu den neuerlichen Vorwürfen im Zusammenhang mit den Stadtwerken gab es am Dienstag dagegen keine Erklärungen oder Forderungen aus der Stadtpolitik.
Unruhe im Stadtwerke-Verbund: Warum jetzt?
In den Führungsebenen der Stadtwerke – mit mehr als 1000 Angestellten und einem Umsatzerlös von zuletzt mehr als 250 Millionen Euro eines der wichtigsten Unternehmen der Stadt – sorgen die Schlagzeilen um die suspendierten Geschäftsführer derweil für große Beunruhigung. So herrsche der Eindruck, mit Hilfe der schon Jahre zurückliegenden Sachverhalte könne ein wie auch immer gearteter Umbau der Stadtwerke vorangetrieben werden – zumal von Seiten der Stadtverwaltung derzeit auch Druck auf andere Geschäftsführer weiterer Stadtwerke-Töchter ausgeübt werde, hieß es gegenüber den PNN. Ohnehin steht der Stadtwerke-Konzern vor einem Umbruch, da auch der 64 Jahre alte Geschäftsführer Wilfried Böhme bald in den Ruhestand geht und ein Nachfolger gefunden werden muss. Spekuliert wurde am Dienstag intern auch über einen vorzeitigen Rückzug Böhmes wegen der neuen Entwicklungen.
Neben der Müllabfuhr und der Energie- sowie Wasserversorgung ist der Verbund in Potsdam auch für die städtischen Bäder, den kommunalen Fuhrpark, den öffentlichen Nahverkehr mit Bussen und Trams sowie die Stadtbeleuchtung zuständig. An der Step und EWP sind dabei jeweils private Anteilseigner beteiligt.
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