Kommentar: DDR-Kunst im Minsk ist ein Akt der Versöhnung
Das Minsk am Brauhausberg soll erhalten bleiben und ein Museum für DDR-Kunst werden. Das wäre eine große Geste und ein Akt der Versöhnung. Ein Kommentar.
Potsdam - Es ist eine große Geste. Die vielleicht größte, die Hasso Plattner Potsdam nach all dem, was er dieser Stadt schon geschenkt hat, noch erweisen kann. Denn sie zielt auf Versöhnung. Auf ein Miteinander von Ost und West. Sie ist ein Akt des Respekts – vor der Geschichte und der Lebensleistung der Ostdeutschen. Sie nimmt den Wunsch und Willen der Potsdamer auf, die um die heutige und künftige Identität ihrer Heimat ringen, manches Mal bangen.
Ja, so viel kann die Hasso-Plattner-Stiftung des Mäzens bewegen, wenn sie nun in Brandenburgs Landeshauptstadt das ehemalige Terrassenrestaurant Minsk saniert, originalgetreu erhält und den Ostmoderne-Bau als neues Potsdamer Museum für Kunst aus der DDR betreibt.
Jahrelang ist in Potsdam gestritten worden um das Bauwerk, das die Stadt hat verfallen lassen, das nach Beschlusslage schon abgerissen war, hätte es da nicht ein letztes Aufbäumen gegeben – eines, das mehr Wirkung entfaltet hat, als zunächst absehbar war.
Damals, vor gut einem Jahr, äußerte sich in dieser Zeitung auch Brandenburgs Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe zum Minsk. Der SPD-Politiker war dort einst Stammgast, kam regelmäßig vom damaligen Landtagssitz im „Kreml“ auf dem Brauhausberg auf einen Tee hinunter ins Minsk. Dass der DDR-Bau nicht abgerissen werden soll, das tat Stolpe in der ihm eigenen diplomatischen Art kund. Die Akteure sollten beim Blick auf den Brauhausberg prüfen, „ob eine Wohnbebauung oder ein attraktives Terrassenrestaurant mehr für Potsdam spricht“, sagte Stolpe. Und weiter: Er sei „sicher, dass das Minsk von Potsdamern und Besuchern wieder genutzt wird“.
Wer um das enge Verhältnis von Plattner und Stolpe weiß, der wird sich nicht wundern, dass die Hasso-Plattner-Stiftung sich nun des Minsk annimmt und jenseits wirtschaftlicher Zwänge das realisiert, wofür Stolpe sich aussprach. Schließlich geht Plattners Verbindung zu Potsdam und Brandenburg zurück auf eine viel beschriebene Begegnung mit Stolpe in einer TV-Talkshow in den 1990er Jahren, nach der sich die Männer an der Bar trafen, ein Zigarillo rauchten und Stolpe dem Unternehmer von Potsdam vorgeschwärmt hat. Der Rest ist, nun ja, Geschichte.
Doch sie ist, das zeigt nun das Projekt Minsk, noch lange nicht zu Ende. Was Hasso Plattner mit seiner Stiftung in Potsdam macht, wird die Entwicklung der Stadt für Generationen beeinflussen. Nicht nur wirtschaftlich, wie es das Museum Barberini und das Hasso-Plattner-Institut machen, die Potsdam in Bezug auf Kunst und Digitalisierung auf die internationale Landkarte gesetzt haben. Sondern auch gesellschaftlich: Plattner hat es als seine Aufgabe, vielleicht gar als seine Pflicht empfunden, sich nach der politischen Wende im Osten Deutschlands zu engagieren. Auch deshalb wählte der gebürtige Berliner Potsdam als Ort seines Handelns. Ausgerechnet im Jahr 30 nach dem Mauerfall zeigt seine Stiftung nun erneut, dass die Gräben zugeschüttet gehören – und dass es dazu nötig ist, das Ostdeutsche als Teil der Geschichte anzuerkennen und zu erhalten.
In Potsdam geschieht das nun dank Plattners Stiftung in doppelter Hinsicht: Mit dem Bauwerk Minsk, das die DDR-Architektur bewahrt, und in einem Museum, das allein der Kunst aus der DDR gewidmet ist. Und als wäre das allein nicht genug, darf man annehmen, dass Hasso Plattner im Minsk-Museum seine eigene Sammlung von DDR-Kunst, die derzeit noch im Museum Barberini ausgestellt ist, beheimaten wird – und so als sein Vermächtnis für alle kommenden Generationen in Potsdam begreifbar macht.
Für den neuen Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mike Schubert, der sich in der Minsk-Frage auf Konfrontationskurs zu seinem Vorgänger und Parteifreund Jann Jakobs begeben hat, ist die Rettung des Minsk ein Coup. Und das kaum 100 Tage nach Amtsantritt. Aber es ist auch eine Bestätigung für Schuberts politischen Kurs, den er auch bei Turbulenzen hält: Alte Konflikte beilegen, die Fronten versöhnen. Für Potsdam.