Potsdam: Das Kochzimmer tischt auf, was Fontane aß
Von Apfel bis Quitte, Kalb und Hummer: Bernd Maether hat aufgeschrieben, was bei Fontane auf den Teller kam. Im Potsdamer Kochzimmer gibt es die passenden Menüs dazu.
Potsdam - Frühstück musste sein, Kaffee mit Milch, dazu Butterbrötchen, auch mal selbstgemachte Marmelade und Schinken. Die Hauptmahlzeit gegen Mittag war üppig, das Abendessen einfach und nicht zu spät. So speiste man im Hause Fontane, sagt der Historiker und Buchautor Bern Maether. Der Berliner hat ein Faible für regionale Geschichte und hat sich jetzt intensiv mit Theodor Fontane und dessen Ernährung beschäftigt. Im März erscheint Maethers Buch „Fontane privat. ,Denn ich bin ein Genießer’“.
Potsdamer Kochzimmer bietet Fontane-Abende an
Damit es nicht bei der Theorie bleibt, kann in diesem Fontane-Jahr in Potsdam auch à la Fontane gespeist werden: Das Kochzimmer am Neuen Markt bietet von März bis November spezielle Fontane-Abende an, eine Idee, die Maether und Gastronom Jörg Frankenhäuser gemeinsam entwickelten. Das Menü wird typische Zutaten, wie sie auch in der Küche des Dichters Verwendung fanden, enthalten. Im kleinen Rahmen wird für zwei Personen aufgetischt – dazu gibt es Maethers Buch. In größerer Runde ab zehn Personen ist der Autor persönlich dabei und plaudert zwischen den Gängen über Fontanes Ess-Gewohnheiten.
Fontane hat komplette Menüs aufgeschrieben
Maether hat dazu unter anderem im Potsdamer Fontanearchiv recherchiert, hat Briefe, Haushaltsbücher und Menükarten gelesen. Eine diffizile Angelegenheit: Die Handschriften sind nicht immer einfach zu lesen. Auch die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ waren eine Quelle. Fontane hat bisweilen komplette Menüs, die er in den Gasthöfen speiste, aufgeschrieben.
Was Maether nicht interessiert hat, ist die Art und Weise, wie in Fontanes Romanen gegessen wird. „Ich wollte authentische Quellen auswerten und erfahren, was bei dem Dichter zu Hause los war“, sagt der Historiker. Sein Fazit: Fontane aß gerne und wenn es gut war, auch gerne viel. Und er war ein kritischer Esser: Kehrte er in Gasthöfen ein, nervte ihn oft die schlechte Qualität des vorgesetzten Essens, oder dass der Wirt schmuddelig war, sagt Maether. Auch zu Hause hatte er Ansprüche und sei schwierig zufrieden zu stellen gewesen. „Da klagt er schon mal über die Küchenmädchen.“ In solchen Fällen wussten sich die Frauen im Haus aber zu helfen. Sie flitzten mal eben zum Bäcker um die Ecke, um für den verschnupften Mann ein Baiser zu besorgen. „Er liebte Baisers und Pfefferkuchen, die konnte er das ganze Jahr hindurch essen.“
Es gab auch mal Hummer und Kaviar
Ansonsten aber sei es eine gesunde, gemüselastige und gehobene bürgerliche Küche gewesen. Trotz mancher finanzieller Engpässe, sagt Maether, gab es manchmal sogar Hummer und Kaviar. „Aber es passten nur sechs, höchstens acht Personen an den Esstisch. Das kam dem Hausherrn durchaus entgegen.“
Eine Runde, wie sie nun auch im Potsdamer Kochzimmer stattfinden kann. Was auf den Tisch kommt, ist freilich keine Kopie eines Fontane-Menüs. Stattdessen möchte Frankenhäuser typische Zutaten in neuen, ungewöhnlichen Variationen auftischen. Das passt zum Konzept des Restaurants, das Jörg und Claudia Frankenhäuser vor 13 Monaten übernahmen. Das Team um Chefkoch David Schubert bastelt hier aus der historischen preußischen Küche neue, aufregende Gerichte. „Ich möchte überraschende Geschmacksbilder bauen“, sagt Frankenhäuser, „zum Beispiel in den traditionellen Blumenkohl mit holländischer Soße wieder Spannung reinbringen.“ In dem Fall wird die Soße mit neuer Rezeptur im Sahnesiphon aufgeschäumt. Die Kalbsbäckchen – Fontane aß gerne Fleisch – werden modern 48 Stunden niedrig-gegart, Gattin Emilie Fontane hätte sich seinerzeit sicherlich bedankt, so lange am Holzofen zu stehen. Dazu gibt’s ein raffiniertes Gewürzgurkenrelish mit Tapioka, hier wird die vom Dichter oft erwähnte Spreewaldgurke verarbeitet, dazu ein Quittenkompott, das mit seiner Ingwernote und feinen Textur sehr edel daherkommt. Auch die Äpfel und Preiselbeeren im Dessert, letzte wieder luftig aufgeschlagen, finden sich in Fontanes Haushaltsbüchern. Es wurde damals eine erstaunliche Vielfalt an Obst und Gemüse verkocht, sagt Maether. Freilich nie vom Hausherrn selbst, der setzte nie einen Fuß in die Küche. Hier herrschten Emilie und die Hausmädchen. Bei größeren Gästerunden wurde zusätzlich eine Mietköchin angeheuert.
Eingekauft wurde unter anderem bei der Berliner Delicatessen- und Wein-Großhandlung August Borchardt. Vieles wurde geliefert. Es gab den Biermann, den Weinhändler und den Eismann, der Blöcke für den Eisschrank brachte.
In Potsdam aß Fontane nie
In Potsdam hinterließ Fontane keine kulinarischen Spuren. „Er kehrte nie irgendwo ein, er besuchte lediglich mal hier wohnende Kollegen, Theodor Storm oder Ludovica Hesekiel“. Er hätte, wenn er denn gewollt hätte, in der Gaststätte zur Ratswaage, heute Frankenhäusers Kochzimmer, speisen können, denn hier wurde nachweislich seit 1786 gekocht. Nun holt Frankenhäuser Fontanes Küche in sein Haus. Bisher ist er der einzige in Potsdam, der das Thema Fontane in seiner Küche aufgreift, sagt Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer des Dehoga Brandenburg. Die Fontaneabende sollen unter anderem in Kooperation mit Potsdamer Hotels und der Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH vermarktet werden. Gerade für Touristen, die es im Fontanejahr 2019 in die Region zieht, sind solche Angebote wünschenswert, findet Lücke.