zum Hauptinhalt
Seit 2019 in Potsdam: Feuerwehrchef Ralf Krawinkel.
© Ottmar Winter

Interview | Potsdams Feuerwehrchef Ralf Krawinkel: „Das hat viel Kraft und Energie gekostet“

Feuerwehrchef Ralf Krawinkel über die Sturmserie in den vergangenen Tagen, Personalmangel - und drei Todesfälle in den eigenen Reihen.

Herr Krawinkel, Potsdam wurde gerade von drei schweren Stürmen durchgeschüttelt: „Ylenia“, „Zeynep“ und „Antonia“. Die Feuerwehr Potsdam musste von Donnerstag bis Sonntag zu insgesamt 548 Feuerwehr-Einsätzen ausrücken, in der Leitstelle gingen 5696 Notrufe ein. Wie haben Sie diese Tage erlebt, wie ging es den Einsatzkräften mit so einem extremen Wetter über mehr als drei Tage?
Es gab in diesen Tagen für alle Kameradinnen und Kameraden – sowohl bei der Berufsfeuerwehr als auch bei der Freiwilligen Feuerwehr – wirklich belastende Stunden, es hat viel Kraft und Energie gekostet. Ich habe mal bei uns im Haus herumgefragt, aber niemand konnte sich erinnern, dass wir einmal so viele Einsätze in so kurzer Zeit gehabt hätten. Spätestens am Sonntag, wo man etwas zur Ruhe gekommen war, hat man gemerkt, dass es sehr anstrengende Tage gewesen waren.

Wie war das zu schaffen?
Wir haben gerade am Samstag ganz bewusst Pausen eingeschoben. Es gab ja am Standort in der Holzmarktstraße einen Versorgungspunkt, wo es warme Verpflegung gab, und wir haben zu allen gesagt: Wer sich noch nicht verpflegt hat, kriegt auch keine neuen Aufträge! Das ist wichtig, denn wenn man über Stunden gearbeitet hat, und dann zum Beispiel mit einer Kettensäge Bäume zerteilen muss, dann braucht man höchste Konzentration.

Hunderte Sturmeinsätze musste die Feuerwehr bewältigen - wie hier im Neuen Garten.
Hunderte Sturmeinsätze musste die Feuerwehr bewältigen - wie hier im Neuen Garten.
© Andreas Klaer

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Potsdam und Brandenburg live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die sie hier für Apple und  Android-Geräte herunterladen können.]

Drei so heftige Stürme hintereinander – hat es so etwas schon einmal in Potsdam gegeben?
Es gab natürlich in der Vergangenheit im Herbst auch hin und wieder schwere Stürme, die aufeinander folgten; häufig sind diese aber nicht gleich stark und haben nicht die gleichen Auswirkungen. 2019 gab es am 11. Juni in Potsdam zum Beispiel ein schweres Gewitter mit knapp 100 Liter Regen auf den Quadratmeter, bei dem viele Keller vollgelaufen sind. Da hatten wir auch sehr viele Einsätze in kurzer Zeit. Aber von der Einsatzdichte her besaßen die letzten Tage schon ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal.

Konnte die Feuerwehr dieses enorme Pensum bewältigen oder kam es zwischenzeitlich auch zu Überlastungen?
Wir hatten vorgeplant; es war ja abzusehen, dass dieses extreme Wetterereignis auf uns zukommt. Dementsprechend haben wir schon eine Woche vorher Verfügbarkeiten geklärt und genügend Personal eingeplant. Wir konnten personell alles gut besetzen, aber die Schwierigkeit lag in dem langen Zeitraum, in dem wir tätig sein mussten. Zu Spitzenzeiten waren wir mit 170 Feuerwehrleuten im Einsatz, etwa 110 davon Ehrenamtliche von der Freiwilligen Feuerwehr, dem THW und dem DRK, die in ihrer Freizeit Sturmschäden in der Stadt beseitigt oder die Versorgung übernommen haben.

Auch an den Neuen Kammern Sanssouci war die Feuerwehr im Einsatz.
Auch an den Neuen Kammern Sanssouci war die Feuerwehr im Einsatz.
© Andreas Klaer

Wie sieht es generell mit der Personaldecke bei Feuerwehr und Rettungsdienst aus?
Das hohe Einsatzaufkommen stagniert im dritten Jahr der Pandemie weiterhin auf hohem Niveau, und die personelle Ausgestaltung ist nach wie vor nicht optimal. Hier ist leider noch keine große Verbesserung eingetreten, unter anderem auch, weil der Arbeitsmarkt derzeit sehr angespannt ist und wir uns bei der Personalfindung in Konkurrenz mit anderen Kommunen befinden. Von den 198 Planstellen in den Wachabteilungen sind derzeit nur 181 besetzt beziehungsweise kurz vor der Einstellung. Von diesen 198 Stellen werden 78 Planstellen durch die Krankenkassen finanziert. Hier sind derzeit sechs Stellen unbesetzt oder befinden sich in der Ausschreibung. Die Stellenbesetzungsquote im Rettungsdienst liegt also bei 92 Prozent.

Ab März gilt ja die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Rettungsdienst – lässt sich das bei den Potsdamer Einsatzkräften problemlos umsetzen?
Wir rechnen da im Moment mit keinen großen Problemen, wir haben im Haus eine Impfquote, die aktuell bei 93 Prozent liegt, ähnliches gilt für die Freiwillige Feuerwehr. Vielleicht lassen sich durch die Zulassung des Totimpfstoffs auch noch weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine Impfung begeistern. Insgesamt sind wir gut aufgestellt, es gibt eine hohe Akzeptanz für das Impfen.

[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]

Die Potsdamer Feuerwehr wurde in diesem Monat von drei kurz aufeinander folgenden Todesfällen in den eigenen Reihen erschüttert: Am 8. Februar verstarb Björn Enders, der langjährige Ortswehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Satzkorn, im Alter von 52 Jahren. Am 11. Februar starb ein junger Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr mit 31 Jahren, am 14. Februar mussten sie um einen neuen Kollegen der Regionalleitstelle trauern, der nur 56 Jahre alt wurde. Wie gehen geht man in der Feuerwehr damit um?
Das bewegt natürlich alle Kameradinnen und Kameraden und das gesamte Haus. Die Todesfälle sind bei vielen nicht spurlos vorüber gegangen, gerade in dieser Häufung. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Gesprächsbedarf hatten, haben wir intern mit unserem Einsatznachsorgeteam betreut. 

Wir hatten für Björn Enders am Sonntag zusammen mit den Angehörigen eine Gedenkveranstaltung am Feuerwehrhaus in Satzkorn durchgeführt, die Delegationen aus der Freiwilligen und der Berufsfeuerwehr waren anwesend. Es war gut, dass die Familie von Enders sehen konnte, dass auch die gesamte Feuerwehrfamilie zu ihm gestanden hat und in Reih und Glied vertreten war. 

Für den Kollegen, der mit 31 Jahren verstorben ist, wird es Mitte März eine Trauerfeier in seinem Heimatort geben, wo die Feuerwehr ebenfalls anwesend sein wird. Für die Trauerverarbeitung helfen solche Gedenkveranstaltungen sehr, um dort von den Kollegen Abschied zu nehmen.

Die Fragen stellte Erik Wenk

Zur Startseite