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Anhand des Glockenspiels könnte man aus dem jüngsten Kapitel der Potsdamer Stadtgeschichte erzählen, schlägt der Historiker Dominik Juhnke vor.
© Andreas Klaer

"Ein unbequemes Wahrzeichen": Das Glockenspiel kann Open-Air-Museum sein

Das einst für die Garnisonkirche gedachte Glockenspiel sollte nicht eingeschmolzen werden - sondern als Freiluft-Museumsstück dienen. Das schlägt ein neues Gutachten im Auftrag der Stadt vor. Nun muss die Politik entscheiden

Potsdam - In der Debatte um das einst für die Garnisonkirche gedachte Glockenspiel auf dem Plantage an der Ecke Dortu-/Yorckstraße gibt es einen neuen Vorschlag – vom Potsdamer Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF). Demnach könnte das Glockenspiel „ein unbequemes und unkonventionelles Wahrzeichen der Landeshauptstadt“ bleiben, „verbunden mit einem Vermittlungsangebot zu seiner Geschichte etwa als Open-Air-Ausstellung, mit multimedialem Einsatz oder als Teil einer Erinnerungslandschaft“. Das schreibt der ZZF-Forscher Dominik Juhnke in einem aktuellen Gutachten, das im Auftrag der Stadt Potsdam erstellt wurde und nun von der Kommunalpolitik beraten werden muss.

Manche forderten bereits das Einschmelzen

Anlass für den ZZF-Auftrag war bekanntermaßen ein im vergangenen Sommer gestellter Antrag der Grünen und der Linken auf Einschmelzen des Geläuts. Doch mit einem solchen Vorgehen würde ein „spannendes Kapitel der jüngsten Potsdamer Geschichte getilgt“, gibt das Gutachten zu bedenken. Am kommenden Donnerstag wollen es die Stadtverordneten erstmals im Kulturausschuss debattieren. Das Glockenspiel war wegen seinen teils revanchistischen Inschriften 2019 abgeschaltet worden, unter anderem die Initiative „Mitteschön“ hatte dagegen protestiert.

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Das Geläut war der Stadt Potsdam 1991 geschenkt worden, der Nachbau sei ein „Projekt konservativer Akteure aus Politik, Militär und Gesellschaft der Bundesrepublik der 1980er Jahre“ gewesen, so das neue Gutachten.

Es seien auch überraschende Aspekte zutage getreten, so der Historiker: „Die unbekannten Hintergründe der Glockeninschriften, die Intransparenz bei der Aufstellung und die Unübersichtlichkeit in der Überlieferung sind mit ein Grund dafür, dass das nachgebaute Glockenspiel seit 30 Jahren im Brennpunkt der Potsdamer Stadtgesellschaft steht.“ Wenn man erfahre, „dass auf der Plantage zweimal die gleiche Glocke hängt, dass seit 30 Jahren Übersichtstabellen mit falschen Gewichtsangaben und unzutreffenden Inschriften kursieren, dass die Spenderliste nicht vorhanden beziehungsweise nicht einsehbar ist und dass es eine inoffizielle Absprache zur Entfernung unerwünschter Inschriften gab, deren Überreste aber trotzdem heute noch teilweise zu lesen sind, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass bei der Schenkung und Überführung des Instruments nach Potsdam entweder nicht besonders sorgfältig oder nicht besonders redlich gehandelt wurde“, so Juhnke. Das Geläut stehe also exemplarisch für zeithistorische Entwicklungen – man könnte daran zum Beispiel eine Geschichte über das „militärhistorische wie geschichtskulturelle Wirken der Veteranen- und Vertriebenenverbände in der alten Bundesrepublik aufbereiten“, schlägt der Historiker vor. Nun muss die Stadtpolitik entscheiden.

Mehrfach wurde am Glockenspiel gesungen - als Protest gegen die Abschaltung.
Mehrfach wurde am Glockenspiel gesungen - als Protest gegen die Abschaltung.
© Andreas Klaer

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