Potsdamer Stadtwerke-Skandal: Das Erbe des Peter P.
Eine Spurensuche: Die lange Karriere der Petra V. und wie sie mit Ex-Stadtwerkechef Peter Paffhausen aufstieg.
Potsdam - Die Ära Peter Paffhausen hat Potsdam wieder eingeholt – mit voller Wucht. Dabei ist der einstige, mächtige Lenker des kommunalen Stadtwerkekonzerns nicht mehr im Amt, schon seit fünf Jahren. Doch erneut wird das Unternehmen, wird das Rathaus erschüttert – von seinem Erbe. Untreueverdacht steht im Raum, weil einer Mitarbeiterin über Jahre gegen jede Vorschrift und an den zuständigen Kontrollgremienvorbei üppige Gehaltserhöhungen zugeschanzt wurden. Und es geht um fragwürdige Vergaben für Bauaufträge des Stadtentsorgers Step. Hinzu kommt der Umgang mit dem vor einer Woche von den PNN aufgedeckten Skandal, mit dem, was Anwälte festgestellt haben. Wesentliche Ergebnisse wurden dem Rathaus und den Aufsichtsräten vorenthalten. Vor einer Woche berichteten die PNN erstmals über den Skandal und den Umgang damit, mit jedem Tag brachten die Recherchen weitere Details.
Es geht um Petra V. Sie bekam über Jahre überhöhte Gehälter und Verantwortung bei Stadtwerke-Töchtern. Sie könnte erklären, wie es zu diesem Skandal kam, warum mehrere Geschäftsführer ihr bei der Step immer wieder das Gehalt aufstockten, warum ihr Vertrag mit längerer Kündigungsfrist, mit längerer Lohnfortzahlung bei Krankheit nachgebessert wurde – und warum bei all dem entgegen den Vorschriften nicht der Aufsichtsrat damit befasst wurde.
Petra V. wohnt in einem Vorort Potsdams
V. wohnt in einem Potsdamer Vorort, schön im Grünen, mit viel Wasser, dort steht ihr Haus, ein Flachbau, Typ teurer Bungalow, die Vorhänge zugezogen. Der Rasen ist voller Saft, der Garten akkurat. Sie steht am Tor, doch sie entschwindet ins Haus. Später taucht ein Mann auf, er sagt: Die 55-Jährige will nicht reden. Es gebe auch nichts zu reden.
Also Aktenstudium. Die Spur führt in eine Zeit, in der die Ära Paffhausen ihren Anfang nahm. In Unterlagen der Potsdamer Stadtverwaltung taucht der Name Petra V. erstmals im Jahr 2000 auf. Paffhausen war schon zuvor Geschäftsführer bei der Eurawasser, entsandt von der Stadt. Potsdam hatte den Wasserbetrieb Ende der 1990er-Jahre teilprivatisiert – zu 49 Prozent ging er an Eurawasser. Es war ein zwielichtiges Geschäftskonstrukt, am Ende hätten die Potsdamer mit steigenden Wassergebühren den Kaufpreis für das Unternehmen finanziert. Eingefädelt wurde der Deal unter der Ägide des 1998 abgewählten Oberbürgermeisters Horst Gramlich und den über eine Korruptionsaffäre gestürzten Baustadtrat Detlef Kaminski (beide SPD). Paffhausen war ein Gegner der Privatisierung. Und als tatsächlich ein enormer Anstieg der Wassergebühren drohte, fädelte Paffhausen mit dem neuen Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD) den Rückkauf ein, die Rekommunalisierung. Das war der Ausgangspunkt für Aufbau des Stadtwerkekonzerns, wie ihn Potsdam heute kennt.
Genau in dieser Zeit, als die Stadt sich den Wasserbetrieb zurückholte, tauchte Petra V. auf – jedenfalls in den den PNN vorliegenden Akten. Am 19. Juni 2000 wurde der Betriebsführungsvertrag mit der Eurawasser gekündigt. Einen Tag später wurde Petra V. Prokuristin beim Wasserbetrieb – bekam also umfangreiches geschäftliches Vertretungsrecht. Wie Paffhausen den PNN sagte, sei V. schon früher bei den Wasserbetrieben und davor Einkaufschefin bei Eurawasser gewesen. Beim Rückkauf habe er V. auf den Prokuristen-Posten gesetzt, weil er in der Umbruchszeit jemanden gebraucht habe, dem er vertrauen kann. Welche Rolle V. beim Rückkauf des Wasserbetriebs spielte, wollte Paffhausen nicht sagen.
Ein alter Deal
Im Juli ging der Betrieb dann ins Eigentum der Stadt und im Oktober in die neu gegründeten Stadtwerke über. Petra V. verlor die Prokura Ende Februar 2001, sie war bis 2003 bei den Stadtwerken. Bei ihrem Wechsel zur Step erhielt sie eine Abfindung von 100 000 Euro. Paffhausen begründet dies mit den Umständen. Bei der Step hatte damals die RWE die Mehrheit übernommen, V. soll laut Paffhausen dort weitgehend ihre vorher bei den Stadtwerken erworbenen Mitarbeiterrechte verloren haben, dazu noch Abstriche beim Gehalt. Die Abfindung sei dafür ein Ausgleich gewesen, sagt Paffhausen. Tatsächlich bekam sie bei den Stadtwerken 58 800 Euro, bei der Step ab Februar 2003 als Leiterin Zentraler Einkauf erst 47 000 Euro, aber schon wenige Monate wieder 58 800 Euro per außertariflichem Vertrag, plus Dienstwagen. Sie wurde Stabsabteilungsleiterin, dann 2007 Prokuristin.
Entschieden hatte das übrigens Paffhausen bei einer Gesellschafterversammlung. Unterschrieben ist der Beschluss zur Änderung der Geschäftsordnung vom 30. Mai 2007 von Paffhausen als Stadtwerkechef und einem Vertreter des Mitgesellschafters Remondis. Paffhausens Unterschrift stand allerdings „unter Vorbehalt der Zustimmung des Gesellschafters“ der Stadtwerke – also der Stadt Potsdam, alleinig vertreten durch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Ob Jakobs zugestimmt hat, ist unklar. Unklar und nicht belegt ist auch, ob Petra V. für den Job überhaupt qualifiziert war, wie die Kanzleien feststellten. Sie fanden auch heraus, dass V. nur gemeinsam mit den beiden anderen Step-Geschäftsführern vertretungsberechtigt war. Tatsächlich aber soll sie in mehreren Fällen für die Step nur gemeinsam mit Holger Neumann unterzeichnet haben – ohne Zustimmung des anderen Chefs. Die Bezüge von Petra V. verdreifachten sich bis 2014 inklusive Zulagen auf jährlich 159 000 Euro. Bis ins Jahr 2014 belaufen sich die Mehrvergütungen auf 476 019 Euro. Dabei wurden entgegen der seit 2004 gültigen Vorschriften für Gehaltsfragen über 50 000 Euro nie der Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung befasst. Jedenfalls gibt es keinen schriftlichen Beschluss. Ein klarer Verstoß also. Es gab auch nie eine Feststellung dazu, warum Petra V. immer mehr bekam.
Was Paffhausen sagt
Paffhausen sagt dazu: Er war als Stadtwerkechef Gesellschafter bei der Step und sei immer informiert gewesen, auf dieser Seite sei also alles rechtens. Warum der Aufsichtsrat nicht informiert wurde, wisse er nicht. Derlei sei aber in anderen städtischen Gesellschaft auch nicht Usus, den Aufsichtsrat damit zu befassen, wenn es um Gehaltserhöhungen jenseits der 50 000 Euro geht. Da könne man ruhig mal nachfragen, so Paffhausen. Und Prokuristen in anderen städtischen Unternehmen hätten mehr Geld bekommen als Petra V. Auch die jährlichen Steigerungen findet Paffhausen nicht ungewöhnlich. Von den nun von den PNN öffentlich gemachten Prüfberichten der Anwaltskanzleien hält Paffhausen nichts. Er könne alles entkräften, dies hätten Stadtpolitiker „in Gremien“ signalisiert. „Aber die Anwälte wollten nicht“, sagt Paffhausen.
Die Anwälte schreiben in ihren Berichten Folgendes: Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass Petra V. „im kollektiven Zusammenwirken“ mit Paffhausen und dem freigestellten Step-Geschäftsführer Neumann „die überhöhte Festsetzung der Vergütung für sich herbeiführte“. Und: Paffhausen habe „seine Stellung als Geschäftsführer der Stadtwerke (...) möglicherweise dazu missbraucht, Frau V. unangemessene Vorteile (...) zu verschaffen“.
Petra V. ist noch bis Ende des Jahres bei vollen Bezügen freigestellt. Und bekam eine Abfindung von 169 000 Euro.
Wie vertraut Paffhausen und V. waren, zeigt auch ein anderer Fall: 2002 verursachte ihr Sohn, damals Lehrling und noch heute bei den Stadtwerken, ohne Führschein mit einem Dienstwagen einen Unfall – Blechschaden, Fahrerflucht. Die „Bild“-Zeitung berichtete, Paffhausen habe versucht den Fall zu verschleiern. Der Sohn von V. wurde dennoch 2004 verurteilt.
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