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Letzte Vorbereitung. In der Metropolishalle wird ab Dienstag gegen Corona geimpft.
© Andreas Klaer

Die Corona-Lage in Potsdam am Montag: Chaos bei der Vergabe der Impftermine

Einen Termin für eine Impfung im Potsdamer Impfzentrum zu bekommen, war am ersten Tag fast unmöglich -  betroffen waren viele ältere Potsdamer. Pflegeheim-Betreiber bemängeln zu wenig Informationen, wann bei ihnen geimpft wird.

Der Potsdamer Klaus Clausnitzer ist 82 Jahre alt und will sich so schnell wie möglich gegen Corona impfen lassen. Dafür braucht er einen Termin, den er am Montag bei der vielfach beworbenen Servicenummer 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) reservieren wollte. Doch was der in der Berliner Vorstadt lebende Ex-Präsident des Landesarbeitsamtes dabei erlebte, nennt er eine Katastrophe: „Es war unmöglich, da durchzukommen.“

19 Anrufe - immer erfolglos

Zwischen acht und 11.35 Uhr habe er dort genau 19 Mal angerufen, berichtete Clausnitzer den PNN am Montagmittag. „Zuerst wurde ich nach minutenlanger Ansage ohne Hinweis aus der Leitung geworfen, danach war schon nach dem Wählen der Nummer Schluss.“ Als früherer Behördenleiter wisse er zwar, dass Fehler menschlich seien. Aber die Lage sei eben auch besonders – und diese Strategie, nur über ein Callcenter via Telefon die Termine zu vergeben, aus seiner Sicht zum Scheitern verurteilt. Es sollten doch möglichst viele Menschen zum Impfen animiert werden – da könne man doch nicht erwarten, „dass die Leute dafür stundenlang anrufen“. In anderen Bundesländern wie Berlin seien die betroffenen Bevölkerungsgruppen mit Hilfe von Daten aus dem Melderegister angeschrieben worden, um individuell einen Termin zu vereinbaren, auch online. Da gebe es viele Möglichkeiten, ist sich Clausnitzer sicher. Aber so wie am Montag funktioniere es auf jeden Fall nicht, so sein Fazit.

Klaus Clausnitzer
Klaus Clausnitzer
© privat

So ging es am Montag offensichtlich tausenden Menschen, nicht nur in Potsdam, sondern landesweit. Bei den PNN gingen gleich mehrere Schilderungen von Lesern ein, die ähnlich frustrierende Erfahrungen wie Clausnitzer machten – darunter auch Angehörige, die für ihre Eltern anrufen wollten. Auch in den sozialen Medien gab es viel Kritik. Kurzfristig berief die zuständige KVBB schließlich gegen 14 Uhr eine Video-Pressekonferenz ein, auf der sich Vize-Vorstand Holger Rostek um Erklärungsversuche bemühte.

Die KVBB versucht sich in Schadensbegrenzung

Er räumte ein, die Hotline zur Terminvergabe unter der Rufnummer 116 117 sei völlig überlastet gewesen. „Wir sind überrannt worden von extrem vielen Anrufen – über 10 000 Stück am Vormittag“, sagte Rostek. Das sei so nicht zu erwarten gewesen, meinte er auch. Hinzu seien technische Probleme gekommen. Bis zu einer Stunde hätten sich Anrufer gedulden müssen, hieß es. „Das tut uns leid, wir bedauern das sehr“, so Rostek. Die 116 117 ist auch die Nummer für den normalen ärztlichen Bereitschaftsdienst, schon vor Silvester hatte die KVBB erhöhte Wartezeiten für die Hotline vermeldet.

Der KVBB-Vertreter bat darum, dass nur über 80-Jährige anrufen sollten. Denn: „Die Mehrzahl der Anrufer hatte Fragen oder war nicht impfberechtigt.“ Die Termine würden – abgesehen von dieser Woche – immer nur eine Woche vor dem Start des jeweiligen Impfzentrums vergeben. Immerhin habe man für das am Dienstag (5.1.) startende Impfzentrum in der Metropolishalle rund 200 Menschen mit einem Termin versorgen können.

Wohl kein Strategiewechsel

Zu möglichen Verbesserungen hielt sich Rostek noch bedeckt. Eine Aufstockung der Mitarbeiterzahl von derzeit 150 im Call-Center werde geprüft. Falls es weiter technische Probleme gebe, werde auch eine alternative Telefonnummer bekanntgegeben. Doch einen prinzipiellen Strategiewechsel wird es zunächst nicht geben. So forderte die märkische Linksfraktion im Landtag praktikablere Lösungen für Hochbetagte. Die Betroffenen sollten wie auch in anderen Bundesländern per Post informiert werden – und wer nicht mobil sei, müsse zum Impfzentrum gebracht werden, verlangte Gesundheitspolitiker Ronny Kretschmer. KVBB-Vize-Vorstand Rostek sagte, es wäre schwierig, welche Personengruppen dann angeschrieben werden sollten. Zudem verwies er auf „lange Brieflaufzeiten“. Man habe sich auch gegen eine Internet-Vergabe entschieden – schon aus der Befürchtung heraus, dass dann Jüngere dort Termine buchen und dann eigentlich unberechtigt zu den Impfzentren kommen. Wegen der Frage der Transporte sei die KVBB im Gespräch mit Kommunen, so Rostek.

Kritik auch aus Pflegeeinrichtungen

Parallel zu dem Start der Impfzentren am heutigen Dienstag laufen Impfungen für Bewohner und Personal in Pflegeheimen sowie medizinisches Personal. Doch auch da hakt es, gibt es bisher nur unzureichende Informationen und teilweise erst Termine im Februar, wie am Montag eine Umfrage der PNN unter Sozialträgern zeigte. So sagte Angela Schweers, Chefin der Arbeiterwohlfahrt, für die drei Seniorenheime in Potsdam und Werder (Havel) habe man noch keine Termine vereinbaren können. Auch wisse man nicht, wie in punkto Impfung mit den Bewohnern und dem Personal der Sozialstationen verfahren würde – also jenen Senioren, die zu Hause gepflegt werden. Dabei sind Träger wie der Landesausschuss für Innere Mission (Lafim) längst gerüstet für das Impfen, wie ein Sprecher dort sagte: „Wir haben alle umfänglichen und erforderlichen Vorbereitungen veranlasst“. Allerdings habe es bisher noch keine Impfungen in den eigenen Einrichtungen der Region gegeben. Das ist auch bei den Alexianern so, die in den Region mehrere Pflegeeinrichtungen betreiben. So sei für das Franziskus-Heim im Bornstedter Feld frühestens der 28. Januar in Aussicht gestellt worden, sagte Benjamin Stengl der Sprecher der Alexianer. Er fügte hinzu, mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen an derzeit laut Rathaus elf Potsdamer Senioreneinrichtungen wäre ein früherer Termin „sehr wünschenswert“. Zugleich sei aber unklar, wie viele Impfdosen man dann eigentlich zugewiesen bekomme – und nach welchen Kriterien dann verteilt wird, falls es zu wenig ist.

Im St. Josefs steht zumindest der Impftermin

Zumindest aber steht nun fest, wann die Mitarbeiter des St. Josefs-Krankenhaus in Potsdam geimpft werden sollen. Stengl nannte auf PNN-Anfrage den Dienstag in einer Woche als Termin. Allerdings sei noch unklar, wie viel man Impfstoff erhalte: „Wir brauchen mindestens 450 Dosen.“ Mehr als 80 Prozent der Mitarbeiter wollten sich impfen lassen. Im Potsdamer Bergmann-Klinikum als Schwerpunktversorger der Region hatte die Impfung schon vor Silvester begonnen.

Die Infektionszahlen steigen wieder

Potsdam hat unterdessen vier weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus verzeichnet. Nach Angaben der Stadtverwaltung kamen nun bisher 111 Menschen an oder mit Covid-19 ums Leben. Am Montag meldete das Rathaus 55 neu registrierte Infektionen binnen der vergangenen 24 Stunden. Die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz stieg auf 238,4. Am Vortag lag sie bei 211,8 – im Zuge der geschlossenen Testzentren während der Feiertage war dieser Wert zunächst gesunken. Die Zahl der Kontaktpersonen in Quarantäne stieg um 23 auf 360. Die Zahl der Corona-Patienten in den Potsdamer Kliniken ist leicht gesunken. So wurden am Montagmorgen auf den Covid-Stationen des Bergmann-Klinikums und des St. Josefs- Krankenhauses 116 Personen behandelt, am Sonntag waren es 123. Davon benötigten 22 Personen eine intensivmedizinische Betreuung. Tags zuvor wurden noch 26 Intensivpatienten behandelt. Zuletzt waren die Zahlen stark gestiegen, die Häuser hatten Kapazitäten für die Covid-Patienten erweitern müssen – zu Lasten des restlichen Klinikbetriebs.

Nonnemacher hofft auf mehr Impfungen

Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) räumte derweil ein, dass der Impfstartim Land erst nach und nach anläuft. Bisher seien 3309 Menschen im Land geimpft worden, sagte sie am Montag. „Das ist jetzt noch nicht wahnsinnig viel.“ Nun gehe es aber mit Verve los. Die Zahlen sollen schnell steigen, so Nonnemacher: „Ich bin sehr optimistisch, dass sich im Laufe des Januars dort die Mengen deutlich steigern werden, wenn wir dann auch Zulassungen von weiteren Impfstoffen haben, die nicht mehr so anspruchsvoll sind, was Tiefkühlung, Lagerung und Zubereitung angeht.“ Im Vergleich mit anderen Bundesländern steht Brandenburg beim Impfen gegen Corona derzeit auf einem der hinteren Ränge. (mit dpa)

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