Ernteausfälle in Brandenburg: Wie ein Maisbauer in der Prignitz um die Existenz kämpft
Die Dürre hat ihn große Teile seiner Ernte gekostet. Für Bauer Jens Gerloff aus der Prignitz wird es finanziell eng. Jammern will er aber nicht
Teetz - Jens Gerloff stapft über sein ausgedörrtes Maisfeld. „Normalerweise“, sagte er und streckt den Arm über den Kopf, „normalerweise wäre der Mais jetzt so hoch.“ Gerloff läuft weiter, die braunen Maispflänzchen streifen seine Knöchel, etwas Staub wirbelt auf. Ein bisschen tiefer im Feld findet er ein paar Pflanzen, die ihm bis zur Hüfte gehen. Er öffnet die Rispe einer Pflanze und zeigt den Kolben: nicht größer als sein Daumen. „Hier wächst nichts mehr“, sagt er und wischt sich etwas Schweiß von der Oberlippe. Es ist kurz nach zehn Uhr morgens, doch das Thermometer ist bereits über die 30-Grad-Marke geklettert. Ernten wird der 54-jährige Bauer das Feld nicht, seine Kühe will er in ein paar Tagen auf den Acker lassen. Damit spart er sich immerhin etwas Futter, denn auch das wird langsam knapp.
„So einen Sommer hatten wir noch nie“, sagt Gerloff. Dann überlegt er kurz und fügt hinzu: „Das habe ich letztes Jahr aber auch schon gesagt.“ War es im vergangenen Jahr der Starkregen, der ihn die Ernte kosteten, ist es in diesem Jahr die nicht enden wollende Dürre. „Anfangs erwartete ich nur Verluste beim Getreide, aber es kam einfach kein Regen“, sagt Gerloff. Seit April hatte es bei ihm nicht mehr richtig geregnet, bei den sandigen Böden fatal. Beim Mais erwartet er nun einen Totalausfall, bei anderen Sorten mindestens 50 Prozent Ernteeinbuße.
Seinen Hof hat Jens Gerloff in Teetz, einem 160-Einwohner-Ortsteil von Kyritz tief in der Prignitz. Auf der Fahrt dorthin hagelt es auf den Alleen immer wieder Eicheln auf das Autodach. Selbst die Eichen mit ihren tiefen Wurzeln trennen sich nun von überflüssigem Ballast – zwei Monate früher als üblich. Der Ort selbst ist ein verschlafenes Idyll. Außer einer Bushaltestelle gibt es nur einen Briefkasten und eine Backsteinkirche.
Lange Bauerntradition in der Familie
An der Straßenkreuzung in der Dorfmitte haben die Anwohner eine überdachte Bierbankgarnitur aufgestellt. „Teetzer Stammtisch“, steht darüber, auf dem Tisch steht ein Elefant aus Porzellan. Samstags treffen sie sich hier um 18 Uhr. „Ein Wirt würde im Dorf nicht überleben“, sagt Gerloff.
Teetz schrumpfte in den vergangenen Jahrzehnten. Viele gingen, einige starben, Häuser drohten zu verfallen. Ein paar Familien kommen nun zurück, inzwischen fährt der Schulbus wieder regelmäßig. Gerloff und seine Familie leben schon seit Generationen in Teetz, weg wollte er nie. „Ich bin der Tradition wegen Bauer geworden“, sagt er. Den Hof hat er von seinem Vater übernommen, der hatte ihn von seinem. Früher hatte er einen Milchkuhbetrieb. Doch nachdem die Preise abrutschten, stellte er auf konventionelle Landwirtschaft um. Heute hat er 130 Rinder und etwa 300 Hektar Grün- und Ackerfläche. Ein klassischer Familienbetrieb, wie es in Brandenburg rund 4000 gibt.
Wie Gerloff leiden auch sie unter der Dürre, manche sind gar existenziell bedroht. Der Deutsche Bauernverband forderte bundesweit unlängst Hilfen in Höhe von einer Milliarde Euro. Selbst der Brandenburger Bauernbund, dem auch Jens Gerloff angehört, hat sich nach langem Überlegen in dieser Woche für Hilfen ausgesprochen, solange sie fair und unbürokratisch verteilt werden.
Großbetriebe, Geld und Gerechtigkeit
„Grundsätzlich würde ich Hilfen annehmen“, sagt Gerloff nach einigem Zögern. Bis vor ein paar Wochen hatte er noch eine andere Meinung, doch die anhaltende Hitze lässt ihm keine andere Wahl mehr. Im vergangenen Jahr hatte er keinen Antrag auf Hilfsgelder gestellt. „Für meinen kleinen Betrieb wäre das zu viel bürokratischer Aufwand gewesen“, sagt Gerloff. Tatsächlich muss man als Betrieb Ernteverluste von mindestens 30 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren nachweisen. Keine einfache Aufgabe, 2017 wurde der Fördertopf nicht vollständig ausgeschöpft.
Gerloff findet das System ungerecht. „Warum sollte mein Nachbar mehr bekommen als ich“, fragt er. Immerhin regne es überall gleich wenig. „Wenn ein Betrieb von der Existenz bedroht ist, dann hat das nicht allein mit der Dürre zu tun“, sagt er und kritisiert die Großbetriebe, die mit viel Fremdkapital zu viel Wachstum erwirtschaften wollten. Er fürchtet, dass die Gelder zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen könnten. Viele Ackerparzellen werden alle vier Jahre neu vergeben. Wer am meisten bietet, bekommt die besten Flächen. In der Prignitz, wo Brandenburgs sandigste Böden sind, ein entscheidender Faktor.
Längst haben Landwirte in der Region mit anderen Möglichkeiten versucht, auf den Klimawandel zu reagieren. Auf einem Nachbarfeld bewässert ein Landwirt seine Möhren. „Da wurde das Grundwasser angebohrt“, berichtet Gerloff. 60 Meter tief ist der Brunnen. Der falsche Weg, findet er und befürchtet, dass mit dem Verlust der alten Wasserreserven das ganze Dorf austrocknen könnte.
„Manchmal fragt man sich schon, warum man sich das noch antut“
Gerloff hat einen anderen Plan. Er denkt über neue Anbautechniken nach. „Vielleicht baue ich mehr Gras an und ernte nicht mehr jedes Jahr“, sagt er. Sicher ist er noch nicht. Auch eine Bio-Produktion hat er sich schon überlegt, aber Aufwand und Auflagen sind hoch. „Manchmal fragt man sich schon, warum man sich das noch antut“, sagt er. Sein Bruder, mit dem er sich den Hof teilt, fährt inzwischen im Winter Lkw. „Ich habe das Glück, dass meine Frau als Lehrerin noch Geld verdient“, sagt er grinsend, doch die Sache bedrückt ihn sichtlich.
Trotzdem fällt es ihm schwer, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Gerloff hat in der DDR erlebt, wie der Staat die Betriebe kontrollierte. Seine Unabhängigkeit ist ihm wichtig, doch schon jetzt kommt er ohne Zuschüsse nicht über die Runden. „Es ist nicht schön, jedes Jahr Bauern-Harz-IV zu beantragen“, sagt er und berichtet von Bekannten, die sich über ihn lustig machen.
Gerloff will nicht wie ein jammernder Bauer wirken. Seine Worte wählt er mit Bedacht, man merkt, wie es in ihm arbeitet. „Manchmal frage ich mich, wie mein Urgroßvater oder mein Großvater solche Sommer überstanden hätten“, sagt er nachdenklich zum Abschied. Vermutlich seien sie mit weniger zufrieden gewesen, meint er. Vielleicht, so der Bauer, liegt darin das Problem der modernen Landwirtschaft. „Alles ist auf immer mehr Wachstum ausgelegt, dabei bleibt unsere Erde doch immer gleich groß.“
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