Umwelt: Volksinitiative zur Ausrufung des Klimanotstandes gestartet
In Brandenburg ist eine Volksinitiative zur Ausrufung des Klimanotstandes gestartet. Ins Leben gerufen wurde sie von dem Oranienburger Bildungswissenschaftler Henning Schluß und seiner Tochter nach einer "Fridays for future"-Demo.
Potsdam - In der Schule bekomme sie beigebracht, rational zu handeln, sagt Antonia Schluß. Gleichzeitig seien da die „Erwachsenen, die mit fetten Autos rumfahren anstatt mal drei Meter zu Fuß zu gehen“ – obwohl die Klimakrise offensichtlich sei. Die 16 Jahre alte Schülerin aus Oranienburg ging daraufhin Anfang Juli in ihrer Heimatstadt zu einer Demonstration von „Fridays for Future“. Ihr Vater Henning Schluß, Professor für Empirische Bildungsforschung und Bildungstheorie an der Universität Wien, begleitete sie. In einem anschließenden Gastbeitrag für die PNN forderte Schluß Wissenschaftler dazu auf, die Proteste der Jugendlichen gegen die aktuelle Klimapolitik zu unterstützen. „Wir brauchen eine radikale Trendwende. Sofort“, schrieb Schluß. Um die Ernsthaftigkeit ihres Anliegens zu unterstreichen, haben Vater, Tochter und Mitstreiter am Freitag eine Volksinitiative für die Ausrufung des Klimanotstandes in Brandenburg gestartet.
Auch in Berlin werden Unterschriften gesammelt
Innerhalb eines Jahres müssen sie nun 20000 Unterschriften sammeln, damit sich der Landtag damit befasst. In Berlin will ein Bündnis am 20. August Unterschriften für eine Volksinitiative zum Klimanotstand an das Abgeordnetenhaus übergeben. „Mittlerweile ist nicht nur für die Wissenschaft klar: Die Klimakrise wirkt sich bereits in Brandenburg aus“, erklärte Henning Schluß am Freitag bei der Vorstellung der Initiative in Potsdam. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich der Co2-Ausstoß in Brandenburg nicht verbessert. Oberstes Ziel der Initiative sei es darauf hinzuwirken, dass Brandenburg wenigstens die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalte und bis 2050 Co2-neutral sei. „Dafür müssen wir in allen Bereichen unser Verhalten dramatisch ändern. Da geht es um politische Rahmenbedingungen, die grundlegend geändert werden müssen“, so Schluß. Bei allen künftigen Entscheidungen solle der Landtag deren Auswirkungen auf das Klima berücksichtigen.
Der Landtag hat den Klimanotstand nicht ausgerufen
Der Landtag hatte in seiner letzten Sitzung in der aktuellen Legislatur Mitte Juni die Forderung der Grünen abgelehnt, für ganz Brandenburg nach dem Vorbild von Kommunen wie Konstanz, dem kommende Woche auch Potsdam folgen könnte, den Klimanotstand auszurufen. Auch ein Entschließungsantrag der CDU zum Klimanotstand wurde abgelehnt. Die rot-roten Koalitionsfraktionen hatten stattdessen nur für eine Nachhaltigkeitsprüfung mit Klimaschutzzielen als Priorität gestimmt. Henning Schluß, der nach der Wende das Neue Forum in Dessau und Quedlinburg mitbegründete, ist seit den 90ern Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen. Er agiere aber nicht als Parteimitglied, betonte Schluß. Es gehe darum, ein breites gesellschaftliches Bündnis zu mobilisieren. Eine Partei alleine könne da wenig bewirken.
Volksinitiative Thema beim Grünen-Parteitag
Die Grünen wollen bei ihrem Parteitag am heutigen Samstag in Potsdam darüber entscheiden, ob sie die Volksinitiative unterstützen. Die Linke begrüßte die Volksinitiative. „Zukünftige Generationen werden uns danach beurteilen, ob und wie wir dem Klimawandel wirkungsvoll vorgebeugt haben“, teilten die Spitzenkandidaten Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter mit. CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Ingo Senftleben erteilte der Initiative hingegen am Freitag eine Absage. „Mit Notstandsmeldungen sparen wir nicht ein Gramm CO2 ein“, sagte Senftleben. Er wolle stattdessen bei einem Wahlsieg den Klimaschutz als Ministerpräsident zur Chefsache machen.
SPD-Bürgermeister unterstützt die Initiative
Zu den Initiatoren der Unterschriftensammlung gehört auch der SPD-Bürgermeister der BER-Anrainer-Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, Ortwin Baier. Mit der Landes-SPD sei sein Engagement nicht abgestimmt, erklärte er. Es sei ihm auch recht egal, falls Parteikollegen seinen Einsatz kritisch sehen sollten. Auch das Neutralitätsgebot für Bürgermeister kümmere ihn in dem Fall nicht, dafür sei das Anliegen zu wichtig. Er wolle die Unterschriftenlisten in seiner Gemeinde auslegen und auch die Bürgermeister anderer Städte motivieren, die Initiative zu unterstützen. Bei Willenserklärungen dürfe es bei diesem wichtigen Thema nicht bleiben, sagte Baier, es müsse jetzt gehandelt werden. Er sei den Jugendlichen, die für besseren Klimaschutz auf die Straße gehen, dankbar, sie hätten viele wachgerüttelt. Es gebe Politiker, die sich hinter der Schulpflicht verstecken. „Dafür schäme ich mich“, sagt Baier.
Sie fühle sich ihren Kindern und möglichen späteren Enkeln gegenüber in der Pflicht, erklärte auch Initiatorin Eva-Maria Göbel aus Oranienburg. Sie wolle sich später nicht vorwerfen lassen: „Ihr habt es alle gewusst, warum habt ihr nichts gemacht?“ Um möglichst zügig die nötigen Stimmen zusammenzubekommen, wollen sich die Klima-Initiative und die von BUND, Nabu und anderen Umweltorganisationen Mitte April gestartete Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“ gegenseitig unterstützen, sagte Göbel, die selbst Nabu-Mitglied ist.
Marion Kaufmann
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