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Corpus delicti. Gegen NPD-Funktionär Marcel Zech wird wegen seines Tattoos ermittelt.
© Facebook NPD/Privat, Montage: Andreas Klaer

Verfahren gegen Neonazi aus Brandenburg: Schneller Prozess um KZ-Tattoo

Der NPD-Kader Marcel Zech könnte nach kurzen Ermittlungen zu seinem KZ-Tattoo schon nächste Woche verurteilt werden. Es geht um Volksverhetzung. Ein Überblick über die Rechtslage.

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Oranienburg/Neuruppin - Es könnten keine gesegneten Weihnachten für Marcel Zech werden. Und alles nur, weil er Ende November im Spaßbad Oranienburg (Oberhavel) sein KZ-Tattoo zeigte. Denn nun muss sich Zech vor dem Amtsgericht Oranienburg wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verantworten. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat bereits in der vergangenen Woche die Ermittlungen abgeschlossen und Anklage gegen den NPD-Mandatsträger wegen des Zeigens einer KZ-Tätowierung in der Öffentlichkeit erhoben. Das Amtsgericht Oranienburg ist dem Antrag der Staatsanwaltschaft, Zech in einem beschleunigten Verfahren den Prozess zu machen, gefolgt. Noch in diesem Jahr soll ein Urteil fallen. Für die öffentliche Verhandlung ist ein Termin kurz vor den Weihnachtsfeiertagen festgesetzt worden. Am Dienstag, 22. Dezember, um 9.30 Uhr beginnt der Prozess, für den nur ein Verhandlungstag anberaumt wurde.

Kreistagsmitglied, Gemeindevertreter und Mitglied einer braunen Bruderschaft

Zechs Tattoo auf dem Rücken über dem Hosenbund zeigt die Silhouette des Konzentrationslagers Auschwitz, dazu den Spruch „Jedem das Seine“ vom Haupttor des KZ Buchenwald. Zech, Jahrgang 1988, gelernter Glas- und Gebäudereiniger, sitzt für die rechtsextremistische NPD im Kreistag Barnim und ist Gemeindevertreter in Panketal. Er ist auch Mitglied der vom Verfassungsschutz als neonationalsozialistisch eingestuften braunen Bruderschaft „Barnimer Freundschaft“. Der Verfassungsschutz spricht von einem „Nazi-Rocker-ohne-Motorrad-Symptom“. Zech zählt auch zum engeren Umfeld des rechtsextremen Hip-Hop-Duos A3stus des Berliner Neonazi-Rappers Patrick Killat und des rechten Liedermachers R.A.W. („Recht auf Wahrheit“), der Mitglied der Neonazi-Kameradschaft ist. Im Januar 2014 war Zech mit dabei, als das Duo vor einem Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf ein Musik-Propaganda-Video drehte, das erhebliches Aufsehen provozierte.

Beschleunigte Verfahren gibt es nur, wenn die Tat erst vor kurzer Zeit begangen worden, der Sachverhalt einfach und die Beweislage ganz eindeutig ist. Auch die Beweisaufnahme vor Gericht erfolgt vereinfacht. Bei beschleunigten Verfahren werden nicht mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt. Für Volksverhetzung droht eigentlich eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Zech hat sich einen in der Neonazi-Szene prominenten Anwalt genommen: Wolfram Nahrath.

Volksverhetzung: Wer Völkermord unter Nationalsozialisten öffentlich leugnet oder verharmlost

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Zech eine Straftat begangen, indem er sein Tattoo in der Öffentlichkeit zur Schau stellte. Nach Paragraf 130 Absatz 3 Strafgesetzbuch macht sich der Volksverhetzung schuldig, wer den unter den Nationalsozialisten begangenen Völkermord öffentlich „leugnet, verharmlost oder billigt“ auf eine Weise, „die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“.

Könnte Zechs körperliche Integrität, die Meinungsfreiheit – diese hohen Güter – könnten sie dem Mann das Recht geben, dieses abscheuliche Tattoo öffentlich zu tragen? Oder steht die Menschenwürde derer entgegen, die er mit dem Tattoo verhöhnt? Volksverhetzung ist ein Straftatbestand besonderer Art, denn er stellt bestimmte Meinungen und deren öffentliche Kundgabe unter Strafe. Die Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte. Sie darf deshalb grundsätzlich neben dem Jugendschutz und dem Recht der persönlichen Ehre nur durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden, die „nicht eine Meinung als solche verbieten“. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, die Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut ab einem gewissen Ausmaß zu verbieten. Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass Paragraf 130 Strafgesetzbuch „dem Schutz der Menschlichkeit“ diene.

Holocaustleugnung ist keine Meinungsfreiheit

Um die Volksverhetzung als Straftatbestand zu verstehen, müsse man sich dessen Geschichte ansehen, sagt die Rechtsexpertin Doris Liebscher von der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. „Der Paragraf wurde in den 1960er Jahren reformiert. Hintergrund waren damals vermehrt antisemitische Äußerungen in der Öffentlichkeit.“ Dann habe der Gesetzgeber entschieden, dass diese Art der Meinungsäußerung nicht mehr erlaubt sein dürfe und man der Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen entgegentreten müsse. Seit 1960 wurde der Paragraf immer wieder geändert und verschärft.

1994 wurde das „einfache“ Leugnen des Holocausts – auch ohne eine Identifizierung mit der Ideologie des Nationalsozialismus – als Volksverhetzung unter Strafe gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hatte kurz zuvor entschieden, dass die Holocaustleugnung nicht unter das Grundrecht der Meinungsfreiheit fällt. Daraufhin wurde der dritte Absatz des Paragraf 130 Strafgesetzbuch eingefügt. Strafbar macht sich also derjenige, der Teilen der Bevölkerung die Menschenwürde abspricht und Unwahrheiten über die Verbrechen der Nazis verbreitet, indem er etwa die Existenz von Konzentrationslagern leugnet.

"Es reicht, wenn sich einige Menschen nicht mehr sicher fühlen"

Durch das Tattoo wird das KZ nicht geleugnet – aber auch das öffentliche Billigen und Verharmlosen ist strafbar. Ob das Tattoo den Völkermord der Nazis tatsächlich verharmlost oder billigt, muss letztlich ein Richter entscheiden. Doch die Fakten sprechen dafür. Die KZ Auschwitz und Buchenwald waren der Inbegriff der Vernichtung eines ganzen Volkes, der Inbegriff der Nazi-Gräueltaten. „Wer sich so etwas für sein ganzes Leben in die Haut stechen lässt, bei dem kann man davon ausgehen, dass er all diese Gräueltaten konkludent, also stillschweigend, gutheißt“, sagt Liebscher.

Eine Volksverhetzung ist nur in der Öffentlichkeit möglich – solange der Mann Kleidung trägt, macht er sich also nicht strafbar. Das Zeigen des Tattoos muss aber geeignet sein, den „öffentlichen Friede“ zu stören. „Der wäre nicht erst dann gestört gewesen, wenn es eine allgemeine Unruhe im Schwimmbad gegeben hätte“, erklärt Liebscher, „es reicht, wenn sich einige Menschen nicht mehr sicher fühlen könnten, oder sich andere Rechtsextremisten dazu herausgefordert fühlen könnten, zuzustimmen.“

Verurteilung: KZ-Tattoo müsste abgedeckt werden

Möglicherweise werden für das urteilende Gericht auch die anderen Tattoos des Mannes eine Rolle spielen, durch die es das KZ-Tattoo und die Absichten des Trägers in einen Gesamtkontext setzen könnte. Der Mann hat auf seinem Bauch den Reichsadler tätowiert – an der Stelle des Hakenkreuzes sitze der Bauchnabel. Und an seinem linken Arm trage er eine schwarze Sonne, ein Erkennungszeichen der Neonazi-Szene.

Durch eine Verurteilung würde faktisch ein Verbot für die Zukunft entstehen, das KZ-Tattoo wieder öffentlich zu zeigen. Will Zech eine erneute Strafe vermeiden, müsste er das Tattoo in der Öffentlichkeit stets abdecken.

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