Die Wahlergebnisse in Brandenburg: Rotes Beben in der Mark
Brandenburgs SPD ist bei der Bundestagswahl stark wie lange nicht, CDU und Linke leiden. Die AfD holt keine Direktmandate.
Potsdam - Es ist ein Beben in der Mark. Die politische Landkarte, in der nach den Bundestagswahlen 2013 und 2017 in der Ära von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stets das Schwarz dominiert hat, färbt sich wieder Rot. „Wir sind wieder da!“, jubelte SPD-Landeschef Dietmar Woidke am Abend auf der Wahlparty der Landespartei in Potsdam. Und das konnte man durchaus auch auf den Ausgang im Land selbst beziehen. Gründe seien auch Olaf Scholz, der auch Spitzenkandidat im Land gewesen sei, und die Geschlossenheit, „obwohl uns viele abgeschrieben hatten“.
Die Sozialdemokraten gehen zwischen Uckermark und Fläming, zwischen Prignitz und Lausitz, mit deutlichem Vorsprung als Sieger aus dem Urnengang am Sonntag hervor. Die SPD führte am Sonntagabend (3635 von 3677 Wahllokalen waren ausgezählt, Stand 22.15 Uhr) mit 29,5 Prozent, 11,9 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. Die AfD folgte als zweitstärkste Kraft mit 18,2 Prozent.
Miserables Ergebnis der CDU, schwere Verluste für die Linke
Klar war schon da, dass die Union mit 15,3 Prozent (minus 11,4 Prozent gegenüber der letzten Wahl) eins der miserabelsten Ergebnisse seit 1990 einfahren wird. Während die Linken mit 8,5 Prozent (minus 8,7 Prozent) erneut schwere Verluste hinnehmen müssen, ihr früheres Ergebnis halbierten, können die Grünen mit 9,0 Prozent (plus 3,9) zulegen. Die Liberalen mit der Spitzenkandidatin und Landeschefin Linda Teuteberg konnten mit 9,3 Prozent (plus 2,2) deutlich zulegen.
Ein Effekt ist, dass der bisherige Eberswalder FDP-Bürgermeister Friedhelm Boginski in den Bundestag kommen wird, der auf Platz zwei der Landesliste antrat. Das vorläufige amtliche Endergebnis für Brandenburg lag bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor. Die Wahlbeteiligung lag bei 75,3 Prozent. Zum Urnengang waren knapp 1,9 Millionen Brandenburger aufgerufen.
Bei den Erststimmen lag die AfD knapp vor der CDU
Bei den Wahlkreisen zeigt sich eine ähnliche Verschiebung zu Gunsten der SPD ab, die das Land seit 1990 regiert. Danach konnte die SPD in Brandenburg neben dem Potsdamer Promi-Wahlkreis mit dem Duell der beiden Kanzlerkandidaten, den Olaf Scholz mit klarem Vorsprung vor der Grünen Annalena Baerbock holte, wohl auch alle anderen neun Wahlkreise gewinnen.
Alle Wahlkreise zu holen, hatte die SPD bisher nur einmal in der Landesgeschichte geschafft – und das war 1998. Bei den Erststimmen lag die SPD mit 28,7 Prozent vor der CDU (18,6) und der AfD (18,4). Der befürchtete Erdrutsch zu Gunsten der AfD in der Lausitz, wo wegen des Kohlausstieges die Stimmung am schwierigsten ist und kurz vor der Wahl auch noch der Windturbinenhersteller Vestas die Schließung seines Werkes in Lauchhammer ankündigte, blieb damit aus. Die Rechtsaußenpartei konnte in ihren Hochburgen kein Direktmandat holen.
Ein traumatischer Abend für die CDU
Auch in Cottbus/Spree-Neiße gewann nach einem dramatischen Rennen die SPD-Bewerberin und früheren Juso-Landesvorsitzende Maja Wallstein mit 28 Prozent vor dem AfD-Kandidaten und Landtagsabgeordneten Daniel Münschke. Um einen Sieg der AfD in der Lausitz-Hauptstadt zu verhindern, hatten vorher auch Linke-Direktkandidat und Ex-Finanzminister Christian Görke und die Grünen indirekt zur Wahl von Wallstein aufgerufen.
Besonders für die Union war es ein traumatischer Abend, da die bisher mit neun Abgeordneten starke Landesgruppe im Bundestag nach der Bundestagswahl auf ein Minimum dezimiert wird, auf vielleicht drei Abgeordnete. Als Ziel hatte die Landespartei mit ihrem Spitzenkandidaten Jens Koeppen eigentlich ausgegeben, in der Mark stärkste Kraft zu werden und alle Wahlkreise zu holen. Nun verlor Koeppen das Direktmandat in der Uckermark an den SPD-Bundestagsabgeordneten Stefan Zierke.
CDU räumt Niederlage am frühen Abend ein
CDU-Chef Michael Stübgen, selbst vor seinem Wechsel als Innenminister in die Kenia-Landesregierung 29 Jahre im deutschen Parlament, räumte die Niederlage schon am frühen Abend ein. „Wir haben verloren. Das ist bitter für uns. Denn unsere Kandidaten haben für eine bürgerliche Politik gekämpft und nicht aufgegeben, als uns dem Umfragen Hass und Häme entgegenschlug“, sagte Stübgen.
An den Bewerbern habe es nicht gelegen, die Bundeskampagne habe nicht so getragen wie erhofft. Eine Neuauflage von inneren Grabenkämpfen wie nach der verlorenen Landtagswahl 2019 befürchtet Stübgen nach eigenen Worten aber nicht. „Ich bin überzeugt, dass es nicht dazu kommt. Wir lernen auch.“ Und eine Nabelschau bringe sowieso nichts, sagte der CDU-Chef. „Auch wenn es weniger Wähler sind als erhofft, dürfen wir deren Vertrauen nicht enttäuschen.“
[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem neuen Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]
Enttäuschung für die Linke
Enttäuscht reagierte Linke-Landeschefin Anja Mayer auf den weiteren Abstieg ihrer Partei, die 2009 sogar stärkste Kraft bei der Bundestagswahl geworden war, bis 2019 in einer rot-roten Koalition mitregiert hatte, nach der Landtagswahl nun erneut verlor. Mit der Fokussierung im bundesweiten Wahlkampf auf die drei Kanzlerkandidaten seien die Inhalte untergegangen, die auch in Brandenburg eine Stärke der Linken seien, sagte Mayer. „Wir haben die letzten Jahre Fehler gemacht. Wir müssen das in Ruhe auswerten.“
Kurz vor der Wahl hatte René Wilke, der Linke-Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), für Aufsehen gesorgt, weil er in einem Interview mit der taz anderen Parteien von einer Koalition mit den Linken abgeraten hatte – wegen der Zerstrittenheit der Partei. Sie denke nicht, dass das für den Ausgang in Brandenburg eine Rolle gespielt habe, sagte Mayer. „Ich finde, der Zeitpunkt war falsch gewählt.“
Dagegen konnte sich Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl zufrieden zeigen, da die Partei, die seit 2019 in Brandenburg in der Kenia-Regierung mitregiert, wie bereits bei der Landtagswahl nun erneut zulegte. „Wir sind auf jeden Fall stärker geworden. Die Kurve zeigt nach oben. Und das war unser Ziel.“