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Das Verwaltungsgericht sei in eine erhebliche Schieflage geraten, sagt Gerichtspräsident Bodanowitz.
© Bernd Settnik/dpa

Personalnot in Brandenburgs Justiz: Potsdamer Verwaltungsgericht schlägt Alarm

Gerichtspräsident Jan Bodanowitz moniert die unzureichende Personalausstattung. Er klagt: "Unser Haus ist in eine erhebliche Schieflage geraten."

Potsdam - Die Debatte zur Überlastung der brandenburgischen Justiz erhält neue Nahrung. Der Präsident des Potsdamer Verwaltungsgerichts, Jan Bodanowitz, schlug jedenfalls am Freitag Alarm: „Unser Haus ist aufgrund einer unzureichenden Personalausstattung in eine erhebliche Schieflage geraten.“ Dem in der Landesverfassung garantierten Anspruch auf ein zügiges Verfahren könne das Verwaltungsgericht aktuell in vielen Fällen nicht mehr gerecht werden, teilte Bodanowitz in einer Jahresbilanz für 2018 mit.

Der Präsident spricht von einer "nicht zu bewältigenden Arbeitslast"

Das vergangene Jahr sei durch eine „nicht zu bewältigende Arbeitslast“ sowie einen in der Konsequenz starken weiteren Anstieg des Bestandes an unerledigten Streitsachen und überjährigen Altverfahren geprägt gewesen, fasste er zusammen. Dem Gericht mit einem Personalbestand von aktuell etwas mehr als 40 Stellen fehlten rechnerisch 17 zusätzliche Richter. Allein im vergangenen Jahr seien mehr als 5400 Verfahren neu eingegangen, rund 42 Prozent davon im Bereich Flüchtlinge – zum Beispiel Widersprüche gegen abgelehnte Asylgesuche. Erledigt werden konnten aber nur 5100 Verfahren. „Daran erkennt man die strukturelle Schieflage“, so Bodanowitz.

Der Bestand an unerledigten Streitsachen habe sich so nun auf mehr als 9400 Verfahren erhöht. 52 Prozent davon beträfen Asylsachen, deren Anteil aber langsam abnehme. Damit seien knapp 400 Fälle nun schon älter als drei Jahre, mehr als 2100 Verfahren älter als 24 Monate. So müssten Betroffene bei klassischen Streitfällen im Schnitt 25,9 Monate auf ein Urteil warten, schilderte Bodanowitz. Das sei für ihn – auch jenseits der Frage von Arbeitsbedingungen für Richter – ein grundsätzliches Problem: Nämlich, wie die Justiz bei den Bürgern wahrgenommen wird. „Kann ein Termin zur mündlichen Verhandlung erst nach mehreren Jahren anberaumt werden, führt dies für die Betroffenen zu einem negativen Rechtsstaatserlebnis.“ Strittige Asylverfahren dauerten für Betroffene im Schnitt rund 15 Monate, bis darüber entschieden werde.

Schon vor einem Jahr hatte es Hilferufe gegeben

Mit allzu deutlicher Kritik an der rot-roten Landesregierung hielt sich der Gerichtspräsident aber noch zurück. So lobte er die mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 geschaffenen 15 neuen Richterstellen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Land. Davon werde auch Potsdam profitieren. „Entscheidend ist nun, dass die neuen und auch die – etwa durch Pensionierungen und Beförderungen – frei gewordenen Stellen möglichst schnell besetzt werden und dass damit die Anzahl der tatsächlich tätigen Richterkräfte deutlich erhöht wird“, so Bodanowitz. Insgesamt gibt es in Brandenburg drei Verwaltungsgerichte, die sich die geplanten neuen Stellen teilen müssen. Bereits vor einem Jahr hatte es vor allem aus den Verwaltungsgerichten öffentliche Hilferufe wegen Personalengpässen und Überlastung gegeben.

Die Opposition macht Justizminister Ludwig verantwortlich

Das neue Alarmsignal aus Potsdam fällt in die allgemeine Debatte zur Überlastung der märkischen Justizbehörden. Auslöser waren Freilassungen eines verurteilten Mörders und des wegen Brandstiftung angeklagten ehemaligen NPD-Politikers Maik Schneider nach jeweils überlanger Verfahrensdauer.

Deswegen war auch Justizminister Stefan Ludwig (Linke) unter Druck geraten: Die Opposition sieht in ihm den Verantwortlichen dafür, dass die Justiz mit zu wenig Richtern und Staatsanwälten ausgestattet und daher überlastet ist. Gerade die immer wiederholte Formulierung des Justizministers, wonach die „ordentliche Gerichtsbarkeit in Brandenburg auskömmlich besetzt“ sei, war von vielen Beschäftigten als Hohn aufgefasst worden. Allerdings hatte etwa die Vorsitzende des brandenburgischen Richterbunds, Claudia Cerreto, die vor allem von der AfD erhobene Forderungen nach einem Rücktritt Ludwigs zurückgewiesen – dieser habe als Justizminister durchaus für mehr Stellen gekämpft.

Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) war schon zuletzt wegen der Überlastung in der Justiz unter Druck geraten.
Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) war schon zuletzt wegen der Überlastung in der Justiz unter Druck geraten.
© dpa

Zur Kritik des Verwaltungsgerichts sagte ein Sprecher des Justizministeriums den PNN, man habe das Problem auf dem Schirm und wolle – wie es auch Bodanowitz sagte – neue Stellen schaffen. Das werde man auch in Potsdam merken. Mit den neuen Richterstellen werde ein Paradigmenwechsel vollzogen, nachdem es jahrelang Einsparungen in der Justiz gegeben habe. Das müsse auch bei kommenden Haushaltsverhandlungen künftiger Landesregierungen der Kurs sein. Gleichwohl müsse man bei Neueinstellungen von Richtern immer auch die lange Lebensarbeitszeit beachten, merkte der Ministeriumssprecher an. Anders gesagt: Es ist aus Sicht des Ministeriums schwer absehbar, ob in zehn oder 20 Jahren noch genügend Arbeit für die neu eingestellten Richter vorhanden wäre.

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