Brandgefahr: Ohne Kiefern wären Brandenburgs Wälder sicherer
Weg von der Monokultur: Brandenburgs Wälder könnten robuster gegen Feuer werden - wenn man die Kiefernplantagen sterben lässt.
Potsdam - Erneut brannte vergangene Woche zwei Tage lang eine bis zu 100 Hektar große Waldfläche auf dem früheren Truppenübungsplatz bei Jüterbog. Die Feuerwehr hatte die Flammen am Wochenende unter Kontrolle gebracht, noch am Samstag erklärten die Behörden den Brand für gelöscht. Die Gefahr von Waldbränden nimmt aber im ganzen Land durch die anhaltende Trockenheit weiter stark zu.
Dabei wissen Experten längst, wie die Wälder sicherer werden könnten. Denn: Auch Holz kann Feuer verhindern. Nur das Richtige muss es sein. In einem natürlichen Mischwald breitet sich Feuer schlechter aus. So wie beispielsweise im Stadtforst Eberswalde, dort wachsen üppig grüne Eichen heran.
„Die Roteiche hat sich gut bewährt in unseren Wäldern. In punkto Brandschutz ist sie interessant, weil sie diese riesigen, schattenspendenden Blätter hat und dadurch den Graswuchs behindert“, sagt Jan Engel vom Landesbetrieb Forst Brandenburg. „Je weniger Gras, desto weniger Feuergefahr.“ Mit ihren Blättern hält eine Eiche Sonnenlicht fern, wie es Kiefernnadeln nicht können. In einem Mischwald mit vielen Laubbäumen ist es ohnehin deutlich kühler, feuchter und dunkler als in Kiefernmonokulturen, die besonders brandgefährdet sind.
"Wenn es hier brennt, dann richtig"
Engel gräbt ein kleines Loch und fühlt, dass der Waldboden noch etwas Wasser hält – obwohl es kurz zuvor fast vierzig Grad heiß war und kaum regnete.
Unter Kiefern wäre das anders. Nicht weit weg besteht ein Abschnitt des Stadtforstes komplett aus spirreligen Kiefern. „Wenn es hier brennt, dann richtig“, sagt Engel. Schnurgerade stehen die Nadelbäume nebeneinander. Wie Streichhölzer. Die Sonne fällt fast ungehindert auf den von Nadeln bedeckten Boden. Es riecht ein bisschen nach Badezusatz, nur trockener. Bis zu 45 Grad wurden an einem Hitzetag im Juni auf dem Boden einer Kiefernmonokultur bei Rheinsberg gemessen. Brandgefährlich. Von fast 790.000 Hektar Brandenburger Kiefernwald sind laut Waldinventur nur 70.000 Hektar mit Laubbäumen durchsetzt – also keine naturfernen, künstlich geschaffenen Monokulturen.
Der Wind pfeift durch die Bäume und facht Feuer an
Pierre Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde bringt das hohe Risiko so auf den Punkt: „Monokulturen sind leicht entzündlich, weil die harzhaltigen Kiefern selbst gut brennen. Außerdem begünstigt trockene Nadelstreu Brände, das Mikroklima ist viel trockener als in Laubwäldern, es fehlt wasserspeicherndes Totholz – und in den relativ offenen Beständen facht der Wind das Feuer leichter an.“
Dies sind aber noch längst nicht die einzigen Gründe, weshalb Kiefernwälder wie Zunder brennen. Werner Kratz vom Naturschutzbund Brandenburg (Nabu) ergänzt, dass die Bodenorganismen des Waldes Baumnadeln viel langsamer abbauen als trockenes Laub. Deren Inhaltsstoffe sind für sie weniger attraktiv. Nadelstreu ist erst nach vier bis fünf Jahren zersetzt. Unter den Kiefernstämmen liegt folglich ein dicker Teppich aus braungelben Nadeln. Beim Darüberlaufen knirscht es.
Totholz speichert Wasser
Trockene Nadeln sind feuergefährlich, Totholz hingegen könnte Waldbrand hemmen. Naturschützer fordern deshalb, dass einige tote Stämme im Wald bleiben. „Totholzbäume sind sozusagen Feuerlöscher, weil sie Wasser speichern“, sagt Werner Kratz. Im übrigen könne Feuer in gesunden Wäldern auch eine ökologische Funktion haben. „In Australien oder am Mittelmeer wird es bewusst eingesetzt. Natürlich darf dabei kein Kronenfeuer entstehen. Aber auf kleinen Flächen werden am Boden Nadeln verbrannt und sind dann schneller für das Ökosystem als Nährstoff verfügbar. Die Kiefern überleben solche Bodenfeuer ohne Probleme.“
Werner Kratz und Forstmann Jan Engel sind sich zumindest in dieser Sache einig: Natürlicher Wald schützt vor Waldbrand. Aber da fängt schon der Konflikt an. Wie soll dieser natürliche Wald entstehen, welche Eingriffe sind nötig? Das ist umstritten.
Kiefern sterben lassen
Möglichkeit eins: Kiefern sterben lassen. „Lasst endlich die Kiefernplantagen vergehen“, sagen Naturschützer. „Diese Monokulturen sind wie ein Patient, den man mit Medikamenten füttern muss, der aber nie gesund wird.“ Möglichkeit zwei: Kiefern soweit es geht noch wirtschaftlich nutzen. Jan Engel sagt, dass man im Wald neben der Ökologie auch andere Interessen berücksichtigen müsse. Bildung, Erholung, aber eben auch den Holzanbau.
Konfliktreich ist auch die Frage, wie man die abgebrannten Waldflächen am besten wieder aufforstet. „Die Standardvorgehensweise wäre, alles komplett zu räumen und neu zu bepflanzen“, sagt Pierre Ibisch von der Eberswalder Hochschule. Er plädiert hingegen für ein ökologisches Vorgehen. Und das bedeutet: „Man sollte die Biomasse auf den Flächen lassen. Die ersten Bäume wachsen ja schon wieder.“ Besonders wichtig sei die Ascheschicht, sie hält Wasser und liefert Nährstoffe. „Wenn man alles wegräumt, wird der Boden ausgewaschen.“ Ibisch wirbt dafür, dem Wald alles zu lassen, was ihm hilft, kühler zu bleiben und Wasser zurückzuhalten. Das kollidiere aber „mit kurzfristigen Wirtschaftsinteressen“.
Mehr Zäune gegen Wild sind notwendig
Trotz alledem: Natürlicher Wald wächst in Brandenburg bereits heran. Aber zu langsam. „Waldumbau war immer Thema in der Politik, aber man hat nicht die Dringlichkeit gesehen. Wir müssen uns beeilen“, sagt Jan Engel von den Landesforstbetrieben. Probleme macht dabei auch das Wild. Die sprießenden Eichen und Buchen schmecken den Tieren. Um sie von den Jungbäumen fernzuhalten, kann man sie jagen oder Zäune ziehen. Zäune sind teuer, aber effektiv – nur: Sie werden aus Sicht von Experten zu wenig gefördert. Wo Zäune stehen, können junge Laubbäume unter alten Kiefern groß werden.
Dass es heute so viel Monokulturen in Brandenburg gibt, ist das Ergebnis jahrhundertelanger Bewirtschaftung. Der ursprüngliche Mischwald wurde früh gefällt. Dann pflanzten die Brandenburger neue Bäume, sie brauchten den nachwachsenden Rohstoff Holz – zum Beispiel für Glasöfen. Dafür sollte das Holz rasch wachsen, um es bald ernten zu können. Die Waldkiefer, „Pinus sylvestris“, ist zwar ein einheimischer Baum. Allerdings würde sie unter natürlichen Bedingungen niemals in Monokultur gedeihen, sondern ausschließlich in Mischwäldern.
Buchenmischwälder sind das Ziel
Wie sich diese gemixten Laub- und Nadelwälder in Brandenburg wieder ausbreiten könnten, unter anderem abhängig von Bodenbeschaffenheit und Klima, haben Forstwissenschaftler anhand eines theoretischen Modells untersucht. Es geht zwar von Extremen aus, beispielsweise einem menschenleeren Land, gehört aber dennoch zu den Grundlagen für aktuelle Wiederaufforstungspläne. Nach diesem Modell können sich Buchenmischwälder bevorzugt im Norden und Eichenmischwald im Süden Brandenburgs ausbreiten.
Bilanz: Ökologie und Ökonomie müssen beim vorbeugenden Waldbrandschutz zusammenkommen. Ein Ansatz wäre, private Waldbesitzer staatlich zu subventionieren, wenn sie abgestorbene Bäume verrotten lassen. Solange ein Totholzbaum im Wald kein Geld bringt, aber verkauft werden kann, spricht dies gegen die Ökologie. Und für das Feuer.
Jonas Bickelmann
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