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Die Schulen und Kitas in Brandenburg bleiben ab Mittwoch geschlossen. 
© Carsten Rehder/dpa

Coronavirus in Brandenburg: Krisentreffen der Landesregierung

Landesregierung, Landräte und Oberbürgermeister berieten am Samstag. Im Fokus: Die Notbetreuung für Kinder ab Mittwoch. Hier alle wichtigen Fragen und Antworten.

Potsdam – Wegen der Corona-Pandemie soll das öffentliche Leben in Brandenburg ab Mittwoch mit geschlossenen Schulen und Kindertagesstätten drastisch eingeschränkt werden. Davon betroffen sind etwa 300.000 Familien im Land. Die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte Kenia-Regierung beriet am Samstag vier Stunden mit den Landräten und Oberbürgermeistern über das weitere konkrete Krisenmanagement, etwa die nötige Notbetreuung für Kinder von Eltern in besonders wichtigen Berufen der „kritischen Infrastruktur“.

Oberstes Ziel bleibt, ein zu schnelles Ausbreiten des insbesondere für ältere und chronisch kranke Menschen gefährlichen Virus zu verhindern, damit die Krankenhäuser nicht wie in Italien wegen überfüllter Intensivstationen ans Limit kommen.

Oliver Herrmann, Bürgermeister der Stadt Wittenberge und Präsident des Städte- und Gemeindebundes, verglich die aktuelle Krise mit Jahrhundertfluten an Oder und Elbe:  „Der Unterschied ist der: Das Wasser kann man sehen, das Virus nicht. Aber sonst ist es ähnlich.“ Man sei also geübt. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erwartet, dass sich alle „auf einen längeren Zeitraum“ einstellen müssen. Es werde „nicht in zwei, drei Wochen“ vorbei sein.

Hier der aktuelle Überblick, welche Beschlüsse am Samstag gefasst wurden und welche Auswirkungen das für Betroffene in Brandenburg hat:

Wer kann die Kinder-Notbetreuung in Anspruch nehmen?  

Wer seine Kinder weiter im Hort oder in der Kita betreuen lassen darf, wird frühestens im Laufe des Montags klar sein. Rechtzeitig vor dem Mittwoch, ab dem die Schulen und Kitas zu sein werden, soll alles geregelt sein, hieß es. Potsdam allerdings kündigte am Samstagabend an, schon Sonntagmittag erste Regelungen zu kommunizieren. Beim Krisentreffen verständigten sich die Beteiligten darauf, dass es keine starre landesweit einheitliche Regelung geben wird. „Da kann in einem Flächenland nicht von Potsdam aus jede Einzelheit vorgegeben werden“, sagte Siegurd Heinze, Landrat von Oberspreewald-Lausitz. „Wir müssen das öffentliche Leben im Land entschleunigen.“ Die Landesregierung will noch am Wochenende Empfehlungen erarbeiten, auf deren Grundlage dann alle vierzehn Kreise und vier kreisfreien Städte wie Potsdam am gleichen Tag umgehend entsprechende Verfügungen erlassen werden.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
© Sören Stache/dpa

Einigkeit besteht darin, dass es Notbetreuung für beispielsweise Kinder von Polizisten, Ärzten, Krankenschwestern, Altenpflegern geben muss, aber auch für Kinder von Mitarbeitern der Kernverwaltung, der Energie- und Wasserversorgung. Es sei sinnvoll, die genauen Berufsgruppen auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte zu entscheiden, betonte Woidke. Als Beispiel nannte er Oberspreewald-Lausitz, wo ein großes deutsches Einzelhandelsunternehmen ein Logistikzentrum für die Belieferung seiner Märkte betreibt. Auch für Mitarbeiter dort müsse eine Kinderbetreuung gesichert werden, so Woidke. „Wir können nicht das Logistikzentrum lahmlegen.“

Einige Landkreise sind sehr schnell. In Teltow-Fläming und Potsdam-Mittelmark etwa gibt es auf der Homepage des Kreises schon entsprechende Antragsformulare zum Download, dort sollen Eltern Montagfrüh in den Einrichtungen anmelden, ob sie Betreuungsbedarf haben. Die Verantwortlichen in Regierung, Kreisen und Kommunen rechnen damit, dass das Management der Schließungen sowie die Auswirkungen auf Eltern konfliktbeladen wird.  Rechtlich werde es so aussehen: Es werde Betretungsverbote für die Kitas und Horte geben, und davon werden für die Kinder, denen Notbetreuung zusteht, Ausnahmen gemacht, sagte der Präsident des Städte- und Gemeindebundes Herrmann. Es werde eindeutige Fälle geben, wer zur kritischen Infrastruktur gehöre. „Und es wird Probleme und eine Grauzone geben.“

Wie soll die Notbetreuung für Kinder sensibler Berufsgruppen organisiert werden?

Auch das wird nicht vom Land vorgegeben, sondern auf Kreisebene entschieden. Klar ist bisher zumindest eines: Gerade weil Brandenburg ein Flächenland ist, läuft es auf ein dezentrales Modell hinaus, also einen minimalen Notbetrieb vieler Kindertagesstätten und Horte, in denen weniger Kinder betreut werden. Es mache auch für die Corona-Eindämmung keinen Sinn, in einem Kreis eine zentrale Noteinrichtung für Kinder solcher Berufsgruppen einzurichten, sagte Woidke: Wenn aus dieser Notkita dann jemand infiziert werde, fielen auf einen Schlag viele Mitarbeiter der kritischen Infrastruktur aus. Auch der Charitè-Virologe Christian Drosten hat ausdrücklich ein dezentrales System der Notbetreuung bei Kita-Schließungen empfohlen. Er forderte, Kinder von kritischen Berufsgruppen in Notbetreuung nicht neu zu gruppieren. „Hierdurch entstehen neue primäre und sekundäre Kontaktnetzwerke (Eltern). Die Infektion wird dadurch befeuert“, twitterte Drosten.

Was ist mit der Tagespflege?

Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) stellte klar, dass Tagespflegestellen grundsätzlich offen bleiben können.  Dort gebe es kleine Gruppen, eine Schließung sei nicht nötig und hätte zu dem unter Umständen für die Tagesmütter existenzbedrohende Folgen.

Wird Eltern geholfen, die nicht zu systemkritischen Berufsgruppen gehören, die aber nun ihren Job nicht wahrnehmen können, weil sie wegen geschlossener Kitas ihre Kinder betreuen müssen?

Es geht um Geringverdiener, um Alleinstehende, Freiberufler, die die Kita-Schließungen womöglich besonders hart treffen. Die Antworten auf die PNN-Frage, ob und wie Verdienstausfälle kompensiert werden, oder Lösungen für Härtefälle gefunden werden, fielen am Samstag vage aus. Man sei noch nicht so weit, habe das Problem aber auf dem Schirm, hieß es. Woidke selbst mahnte eine bundeseinheitliche Regelung an. „Das ist eine Diskussion, die wir nicht allein auf Landesebene führen können“, sagte Woidke. „Wir müssen mit dem Bund und anderen Ländern Lösungen finden, um soziale Härten zu vermeiden.“

Wie wird Brandenburger Unternehmen geholfen?

Zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft im Land ist für Donnerstag ein „Runder Tisch“ mit den Kammern und Wirtschaftsförderern anberaumt. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) rechnet damit, dass „in vier, fünf Wochen“ größere negative Folgen zu spüren sein werden, wenn bestimmte Zuliefer-Materialen   aus dem Ausland nicht mehr angeliefert werden. Schon jetzt durch Ausfälle belastet sind Hotellerie und Gastronomie. Corona-betroffene Unternehmen können sich an Ansprechpartner des Wirtschaftsministeriums für die Regionen wenden, die man auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums finde, sagte Steinbach. Er und Finanzministerin Katrin Lange (SPD) kündeten Steuererleichterungen für Unternehmen an, etwa Großzügigkeit bei Stundungen und Vorauszahlungen. Auch die Kreativwirtschaft solle unterstützt werden, vereinbarte Steinbach nach eigenen Angaben mit Kulturministerin Manja Schüle (SPD).     

Polen macht am Sonntag die Grenze zu Deutschland dicht. Hat das Auswirkungen für Brandenburg?

Ja, und zwar empfindliche. Besonders im grenznahen Raum, ob in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Unternehmen, arbeiten viele Menschen aus Polen. Zwar sei die Anordnung aus Warschau, dass grenznahe Pendler von der Grenzsperre freigestellt sind, sagte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). „Aber das ist noch nicht bei jedem Grenzposten angekommen.“ Man sei da in Gesprächen. Bei einem brandenburgischen Logistikunternehmen hatte es nach seinen Worten am Samstag Probleme gegeben weil man sich sorge, dass polnische Mitarbeiter, wenn sie übers Wochenende nach Hause fahren, dann nicht mehr aus Polen herausgelassen werden.

Polnische Polizisten kontrollieren den Verkehr an der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt/Oder am 14. März 2020. 
Polnische Polizisten kontrollieren den Verkehr an der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt/Oder am 14. März 2020. 
© Tobias Schwarz/AFP

Wie schützt sich die Landesregierung selbst?

Es ist in Brandenburg quasi die Führung der „kritischen Infrastruktur“ des Staates, Regierungschef, Minister, Landräte, die am Samstag im Brandenburg-Saal der Staatskanzlei beisammen saß. Würde hier einer infiziert, wären alle auf einen Schlag in Quarantäne. Woidke betonte, dass man in den nächsten Tagen und Wochen aus Corona-Prävention vor allem auf Telefonschaltkonferenzen setzen wird, „in einer Frequenz, die wir in der Geschichte des Landes noch nie hatten“. Und ansonsten, so scherzte Woidke, habe man sich bei dem Treffen weniger umarmt und geherzt als sonst üblich. „Wir sind sehr diszipliniert. Alle gehen regelmäßig Hände waschen und desinfizieren.“

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