Die Lage am Freitag: Coronavirus: Potsdam stellt um auf Notversorgung
Ab Mittwoch bleiben alle Schulen und Kitas geschlossen. Kinderbetreuung für Mitarbeiter strategisch wichtiger Einrichtungen wird gesichert. Busse und Trams sollen vorerst regulär weiterfahren.
Potsdam - Schulen und Kitas schließen, Veranstaltungen werden abgesagt, Bäder, Theater und Bürgertreffs machen dicht: Das öffentliche Leben in Potsdam kommt durch die Ausbreitung des Coronavirus zunehmend zu Erliegen. Ab Mittwoch schließen alle Kitas und Tagespflegestellen, 43 Grund- und weiterführende Schulen sowie die drei Oberstufenzentren OSZ I und II sowie Johanna Just. Auch die Gesundheitsakademie schließt. Bereits ab Montag ist die Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“ und das zugehörige Internat mit 400 Schülern aus ganz Deutschland zu.
Erhöhtes Risiko für ältere Menschen
Für Eltern jüngerer Kinder heißt das, sie müssen die Kinder zu Hause betreuen oder eine alternative, private Betreuung suchen. Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD) nannte Hilfe von Familienmitgliedern als Alternative. „Aber ich verweise explizit darauf: Oma und Opa gehören nicht dazu“, sagte sie mit Blick auf das erhöhte Risiko für ältere Menschen.
Eine Notfallbetreuung soll allerdings für all jene Kinder eingerichtet werden, deren Eltern in „systemrelevanten Funktionen“ arbeiten – dazu zählen Berufe im medizinischen Bereich, dem Rettungswesen und bei der Polizei.
Welche Berufsgruppen genau die Notbetreuung in Anspruch nehmen dürfen und wo und wie sie abgesichert werden soll, ist noch nicht endgültig abgestimmt. Das genaue Vorgehen soll bei einem für den heutigen Samstag angesetzten Corona-Krisentreffen von Landesregierung, Landräten, Oberbürgermeistern, kommunalen Spitzenverbänden, Kassenärztlicher Vereinigung und Landeskrankenhausgesellschaft besprochen werden.
Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) sagte, man befinde sich derzeit im Austausch mit Trägern, um eine Notbetreuung für Kinder im Alter bis zu zwölf Jahren zu organisieren. Auch Einsätze am Wochenende und Spätdienste würden abgesichert, versprach Aubel. Die Entscheidung darüber, wer die Betreuung in Anspruch nehmen könne, werde zentral vom Rathaus gesteuert.
"Die Einschläge kommen immer näher"
Unterdessen ist weiterhin kein Potsdamer positiv auf das Coronavirus getestet worden. Wie Amtsärztin Kristina Böhm am Freitag bei einer Pressekonferenz des Coronastabs sagte, stehen derzeit (Stand 13. März 2020, 21.15 Uhr) 74 Personen in der Stadt unter häuslicher Isolation. Das bedeutet, es handelt sich um Kontaktpersonen ersten Grades, die also direkt mit erkrankten Personen zu tun hatten. Die Zahl steige stetig, so Böhm: „Die Einschläge kommen immer näher.“
Der Zustand der beiden im Potsdamer Bergmann-Klinikum behandelten Patienten mit Corona-Infektion sei stabil. Das sagte der Ärztliche Direktor des städtischen Klinikums, Thomas Weinke. Wie berichtet wird seit Sonntag ein 64-Jähriger aus dem Landkreis Teltow-Fläming behandelt. Ein zweijähriges Kind aus Berlin wurde am Dienstagabend positiv auf Covid-19 getestet. Es war an Montag mit Fieber und Husten eingeliefert worden und aus Kapazitätsgründen in Potsdam behandelt worden.
Weiterhin keinen Nachweis für eine Corona-Infektion gibt es beim medizinischen Personal der Kinderabteilung. Fünf Ärzte und 20 Pflegekräfte waren mit dem zweijährigen Kind in Kontakt gekommen. Eine erste Testserie fiel wie berichtet am Donnerstag negativ aus. Auch im zweiten Testdurchgang konnte die Klinik am Freitag Entwarnung geben. Indes hat die Klinikleitung wegen der Ansteckungsgefahr die Besucherregelung deutlich verschärft.
Wichtige Bereiche müssen aufrecht erhalten
Busse und Trams sollen vorerst regulär weiterfahren. Bislang, so betont Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), seien keine Einschränkungen im öffentlichen Nahverkehr geplant. Nach Angaben von Sozialdezernentin Meier erstellen die Untere Katastrophenschutzbehörde und die Feuerwehr derzeit eine Liste systemrelevanter Infrastruktur. Strom, Wasser, Telekommunikation, aber auch Ärzte und Apotheken müssen in jedem Fall weiter funktionieren.
Zur Verwaltung sagte Oberbürgermeister Schubert, man arbeite an einer Regelung. Wichtige Bereiche müssten aufrecht erhalten werden, in anderen sei etwa ein Schichtdienst möglich. „Wir müssen uns auch fragen, inwieweit wir einen Bürgerservice aufrecht erhalten müssen“, so Schubert. Die Tätigkeit der Stadtverordneten soll auf das Nötigste reduziert werden. „Ausschusssitzungen und Beratungen werden heruntergefahren.“ Wie berichtet wurde die nächste Stadtverordnetenversammlung vom 1. April auf den 20. Mai verschoben.
Besuche im Pflegeheim reduzieren
Anders als Berlin oder der Nachbarkreis Potsdam-Mittelmark wird Potsdam keine eigene Hotline einrichten. Nach Angaben von Sozialdezernentin Meier habe die Stadt dafür keine Kapazitäten. „Wir müssen unsere Kräfte bündeln.“ Man verweise auf die zentralen Telefonnummern. Meier appellierte mit Verweis auf die verschärften Besucherregelungen für das Klinikum auch an Angehörige von Bewohnern in Pflegeheimen, Besuche „auf ein Minimum zu beschränken und auf das Dringendste zu reduzieren“. Heimbewohner der Pflegestufe 5 seien besonders gefährdet. Etwa 25 Pflegeeinrichtungen gibt es nach Meiers Angaben in der Stadt.
Die Dezernentin forderte die Potsdamer dringlich dazu auf, das Wochenende zu Hause zu verbringen. „Ich komme aus einer Gegend, in der oft viel Schnee liegt. Da bleibt man manchmal daheim und spielt Monopoly“, sagte Meier. Sie verwies noch einmal auf das eingeführte Veranstaltungsverbot. Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen sind untersagt.
Alle Veranstaltungen mit mehr als 100 Besuchern müssen schriftlich per E-Mail an genehmigung-veranstaltung@rathaus.potsdam.de angemeldet werden. Ein entsprechendes Formular sei im Internet zu finden. Alle Anträge würden jedoch äußerst kritisch geprüft. „Das gilt auch für private Feiern, also zum Beispiel für Hochzeiten“, so die Beigeordnete Meier. Sie sehe derzeit keinen Grund, solche Veranstaltungen zu genehmigen. Sollte sich ein Anbieter dem Verbot widersetzen, werde man das Verbot auch mit Hilfe des Ordnungsamtes durchsetzen, kündigte sie an.