Nach Kreisreform-Aus: Kitas, Wölfe, Integration: Was Brandenburg anpacken will
Was packt Brandenburgs Politik nach dem Aus der Kreisreform an? Regierung und Fraktionen im Landtag stellen großes Politik-Potpourri zusammen.
Potsdam - Brandenburgs Politik lässt die gescheiterte Kreisreform hinter sich. Nach den Erschütterungen vor zwei Wochen sind Regierung und Landtag schon wieder in den Alltagsbetrieb zurückgekehrt. Am Dienstag tagten im Landtag die Fraktionen und informierten danach die Medien. Und in der Staatskanzlei versammelte sich die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte rot-rote Regierung, diesmal mit Gästen. Worum kümmert sich Politik jetzt, nachdem die Reform weg ist, die alle in Atem hielt? Was haben Regierung und Parlament in Brandenburg Ende 2017 auf ihrer Agenda? Ein Überblick.
Bescherung für den öffentlichen Dienst
Das Verhältnis zwischen den Gewerkschaften und der rot-roten Regierung war lange angespannt. Doch am Dienstag, als die Spitzen aller Gewerkschaften zu Gast bei der Woidke-Regierung waren und anschließend gemeinsam vor die Blaue Wand in der Staatskanzlei traten, lobten sich alle um die Wette: für die vorgezogene Tarif-Bescherung, die beide Seiten für Brandenburgs Landesdienst letzte Woche besiegelt hatten. Die kostet ab 2019 jährlich 40 Millionen Euro, tausende Lehrer, Polizisten, Verwaltunsgbedienstete und Förster profitieren davon. Eigentlich alle 47 000 Landesbediensteten, sagte Finanzminister Christian Görke (Linke). Und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) formulierte diese Erkenntnis: „Wir brauchen motiviertes Personal.“ „Sie werden Gewerkschaften selten beim Lob ertappen. Aber heute ist so ein Tag“, sagte Doris Zinke, die DGB-Chefin für die Hauptstadtregion. Brandenburg habe mit den Verbesserungen Berlin hinter sich gelassen. Bildungsgewerkschaftschef Günther Fuchs (GEW), von dem man eigentlich nur Horrorbeschreibungen über Brandenburgs Schulsystem hört, sagte: „Es ist ein besoldungspolitischer Quantensprung, der ein bundesweites Beben auslöst.“ Etwas verhaltener klang Andreas Schuster, der Chef der Polizeigewerkschaft (GdP): Die Kollegen seien „sehr zufrieden mit dem Abschluss“. Dennoch würden Frust und Demotivation nicht über Nacht verschwinden.
CDU präsentiert Integrationsgesetz
Darin stecken zwei Jahre Arbeit. Die CDU-Fraktion präsentierte den Entwurf für ein Integrationsgesetz für die in Brandenburg lebenden 110 000 Menschen mit Migrationshintergrund, nicht nur die Flüchtlinge, die seit 2015 kamen. Man wolle ein Signal setzen, sagte Fraktionschef Ingo Senftleben. Die CDU will etwa einen Integrationsbeauftragten, gewählt vom Landtag, sowie eine veränderte Verteilpraxis: In die Kommunen sollen nur noch Asylbewerber mit gesichertem Status geschickt werden, wofür der Aufenthalt in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt auf maximal 24 Monate verlängert werden soll. Die CDU will die Neubürger zum Erlernen der deutschen Sprache verpflichten. Der Gesetzentwurf sieht auch Sanktionen vor, die „Einschränkung von Leistungen sowie Bußgeldzahlungen“, etwa bei Falschangaben zur Identität. Der Paragraf 13 regelt die „Achtung der Rechts- und Werteordnung“: Wer durch demonstrative Regelverstöße auffällt, „kann durch die Ordnungsbehörden verpflichtet werden, sich einem Grundkurs über die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu unterziehen“. Wer öffentlich dazu auffordert, so Paragraf 14, die verfassungsmäßige Ordnung zu missachten, „kann mit Geldbuße von bis zu 50 000 Euro belegt werden“. Die CDU geht davon aus, dass es keine Mehrheit für den Entwurf gibt. Man werde ihn dann, so Senftleben, als Regierungspartei einbringen.
AFD fällt aus
Die AfD-Fraktion hat nichts zu melden. Keine Pressekonferenz.
Grüne für Transparenz bei IHK-Finanzen
Das ging schnell: Am Tag nach dem Rechnungshofbericht, der üppige Vergütungen bei den Handwerkskammerchefs rügt, nehmen die Grünen erneut die Industrie- und Handelskammern ins Visier: Fraktionschef Axel Vogel holte einen Gesetzentwurf aus der Schublade, mit dem dem Rechnungshof wie in den meisten Ländern ein IHK-Prüfrecht eingeräumt werden soll. Bisher sei das ausgeschlossen, sagte Vogel. Er hoffe, dass Rot-Rot diesmal mitziehe. Es gebe entsprechende Signale. Für die Handwerkskammer kündigte Vogel ein Gesetz an, die Chefgehälter zu deckeln.
Linke beenden Eiszeit mit Klimaschützern
In Brandenburg soll die Energiestrategie 2030 novelliert werden. Die Entscheidung, wann auf die Braunkohle verzichtet werden kann, rückt näher. So hatte die Linke-Fraktion Ottmar Edenhofer zu Gast, den Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Man habe „über Energie- und Klimapolitik, über deren ökonomische und soziale Folgen gesprochen“, sagte Fraktionschef Ralf Christoffers. „Die Diskussion ist nicht beendet.“ Man habe weitere Gespräche vereinbart. So normal, wie es klingt, ist es nicht. Früher hatte die Landesregierung Edenhofer und andere Klimaforscher ins Kabinett eingeladen. Das ist lange her. Der regierungsamtliche Braunkohle-Kohlekurs hat zu Spannungen geführt. Brechen die Linken die Eiszeit auf? Weitere Themen seien das Integrationskonzept, die Wasser- und Abwasserpolitik, und ein Antrag an den Hauptausschuss gewesen, lokale TV-Sender zu unterstützen.
SPD will Feuerwehren stärken
Die Freiwilligen Feuerwehren setzen Notrufe ab. Die SPD beriet über ihre Zukunft. Denn sie leiden an Mitgliederschwund. Schon jetzt sind am Tage in vielen Dörfern – die Männer und Frauen sind anderswo zur Arbeit – viele Feuerwehren nicht einsatzfähig. Heute sind es 37 000 Ehrenamtler, 2020 werden es 35 000 und 2030 nur noch 32 000 sein. „Wir verlieren 1000 Männer jährlich. Das sind über 50 Löschzüge á 21 Mann“, beschrieb Vizechef und Kommunalexperte Daniel Kurth die Lage. Man denke darüber nach, freiwillige Feuerwehren durch hauptamtliche Kräfte zu verstärken. Seit Monaten ist es meistens Kurth, der neben Fraktionschef Mike Bischoff die Pressekonferenz bestreitet. Von anderen Abgeordneten der SPD-Fraktion hört man kaum etwas.
Wölfe und Wisente
Was wäre Brandenburgs Politik ohne die Tierwelt Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) veröffentlichte den Entwurf einer „Wolfsverordnung“, die den Umgang mit Problemwölfen regeln soll: „Als hauptbetroffenes Bundesland – hier hat sich die deutschlandweit größte Population angesiedelt – versucht Brandenburg mit einer Wolfsverordnung Einzelfallentscheidungen zu auffälligen Wölfen rechtlich und organisatorisch besser abzusichern.“ Man betrete Neuland. Prompt hagelte es Kritik von Verbänden. Und dann veröffentliche Vogelsänger gleich noch eine Erklärung: „Hinweise zum Umgang mit Wisenten im Internet.“
Qualitätssiegel für Kindertagesstätten
Fast wäre es untergegangen. Es war nur eine knappe Pressemitteilung, die verschickt wurde. SPD, Linke, CDU und Grüne im Landtag haben sich auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt, wonach das Bildungsministerium bis 2018 „ein Qualitätsmonitoring für die frühkindliche Bildung“ im Land vorlegen soll. In Brandenburg werden zwar so viele Kinder wie fast nirgendwo anders in Deutschland in Kitas betreut. Doch der Betreuungsschlüssel ist im Bundesvergleich schlecht. Und es gibt erhebliche Unterschiede, keinen einheitlichen Maßstab für Kita-Qualität – anders als im benachbarten Berlin. Das neue Konzept solle „ein unabhängiges und externes Qualitätsmonitoring beinhalten, das eine landesweite Erfassbarkeit grundlegender Merkmale ermöglicht und den Austausch zwischen den Trägern befördert“, hieß es. SPD-Bildungssprecherin Gabriele Theiss erklärte, man wisse zu wenig über die Kita-Qualität in Brandenburg. „ Auf freiwilliger Basis können sich jetzt jährlich bis zu 150 Kitas wissenschaftlich evaluieren lassen.“ Und Linke-Expertin Gerrit Große sagte: „Unser Ziel ist ein Brandenburger Qualitätssiegel für eine gute Kita.“ Der Antrag sei dafür eine Vorstufe, sagte der CDU-Abgeordnete Gordon Hofmann. Und die Grüne Marie Luise von Halem verwies auf eine Studie, wonach „deutschlandweit 80 Prozent aller Betreuungseinrichtungen nur mittlere Qualität haben“, es in Brandenburg aber gut qualifiziertes und hoch motiviertes Kita-Personal gebe. Da setze man an.
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