Ärztemangel in Brandenburg: Ich bin Chirurg, ich muss nach Brandenburg
Ärzte, Hebammen und Pfleger fehlen in Brandenburg – die Herausforderungen sind enorm. Und die Nähe zu Berlin ist nicht immer hilfreich.
Potsdam - Beim Thema Gesundheit bricht Brandenburg Rekorde – Negativrekorde. Nirgendwo in Deutschland versorgt ein Arzt so viele Patienten wie in der Mark. Während im Bundesschnitt auf einen niedergelassenen Arzt 680 Einwohner kommen, sind es in Brandenburg 733. Diese Zahlen hat Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Linke) jüngst veröffentlicht. Danach steuert Brandenburg auf einen dramatischen Ärztemangel zu, da immer mehr der derzeit rund 10 000 Ärzte das Rentenalter erreichen. Demnach müssen bis zum Jahr 2025 allein rund 700 Hausärzte und 950 Fachärzte gewonnen werden.
Was bei den Lehrern nicht geklappt hat – sie mit Geld aufs Land zu locken – soll nun bei den Medizinern funktionieren. Gerade wurde ein bundesweit einmaliges Landärzte-Stipendium aufgelegt, mit dem Medizinstudenten monatlich 1000 Euro erhalten können, wenn sie sich für einige Jahre nach dem Studium für eine Tätigkeit in Brandenburg verpflichten. Frei nach Rainald Grebe: Lassen Sie mich durch, ich bin Chirurg, ich muss nach Brandenburg. In Cottbus soll eine Medizinische Hochschule aufgebaut werden, die erst ab dem Wintersemester 2023/ 2024 ihre Ausbildung beginnen soll. Derzeit gibt es landesweit 45 vakante Arztsitze, vor allem im Berliner Umland mit viel Zuzug. Gefragt sind Hausärzte, Kinderärzte, Augenärzte, Nervenärzte, Urologen und Psychotherapeuten.
Ein Projekt, das Vorbildcharakter für das ganze Land haben soll, entsteht derzeit im Klinikum Templin. Das Krankenhaus in der Uckermark wird im Rahmen eines Modellprojekts zu einem Medizinzentrum umgebaut, das die bisherige Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung aufhebt. Insgesamt – so das Versprechen von Rot-Rot – sollen alle Krankenhausstandorte erhalten bleiben – allerdings ist nicht klar, in welchem Umfang. Auch die Absprachen mit den benachbarten Bundesländern sollen verbessert werden. Eine gemeinsame Krankenhausplanung mit Berlin gibt es bereits.
Gerade auch für werdende Mütter sind Berliner Kliniken eine Anlaufstelle, nachdem Geburtskliniken – etwa in der Mittelmark-Kreisstadt Bad Belzig – geschlossen wurden. Ebenfalls nicht ausreichend: Die Hebammenversorgung sowohl bei der Geburtsbegleitung als auch bei der Nachsorge. Eine wohnortnahe, flächendeckende Hebammenhilfe versprechen etwa SPD, Linke und Grüne in ihren Wahlprogrammen. Die SPD will Kooperationen zwischen klinischen Geburtshilfeabteilungen und freien Hebammen unterstützen, die Linke setzt auf Zuschüsse für Neugründungen von Hebammenpraxen, die Grünen plädieren für eine bessere Bezahlung der Geburtshelferinnen.
Ähnlich dramatisch wie für die Gesundheitsversorgung sind die Prognosen für die Pflege. Aktuell arbeiten im Land rund 54 000 Beschäftigte in der Pflege. Wie eine im vergangenen November veröffentlichte Studie im Auftrag des Landtages deutlich machte, wird sich die jetzt schon angespannte Situation extrem verschärfen. Zwischen 2005 und 2015 ist die Zahl der Pflegebedürftigen in Brandenburg bereits um 52 Prozent auf fast 112 000 Menschen gestiegen. Im Jahr 2030, so die Prognose des Instituts für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (ISW) in Halle (Saale), werden 166 000 Brandenburger auf Hilfe angewiesen sein. Fast 44 000 neue Pflegekräfte müssten bis dahin gefunden werden.
Doch im vergangenen Jahr wurde wenig über Ärztemangel und Pflegenotstand gesprochen. Ein anderes Thema brachte das Gesundheitsministerium in die Schlagzeilen: der Lunapharm-Skandal um gestohlene, mutmaßlich unwirksame Krebsmedikamente. Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) trat im August 2018 zurück, als durch einen Expertenbericht offenbar wurde, dass Kontrollmechanismen im ihr unterstehenden Gesundheitsamt versagt hatten. Eine strenge Arzneimittelaufsicht, die personell entsprechend ausgestattet wird, steht nun im Wahlprogramm der SPD. Golze war zuvor als Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Landtagswahl gehandelt worden. Mit Lunapharm hatte sich das erledigt, zu groß war die Angst, dass der größte Gesundheitsskandal Brandenburgs der vergangenen Jahre den Wahlkampf überschattet hätte. Marion Kaufmann
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