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Ein Vierteljahrhundert RE1: Erfolgreicher Regionalexpress 1 wird zum Problem

Vom Erfolgsmodell zum Problemfall: Seit 25 Jahren ist der Regionalexpress 1 unterwegs. Doch in den Zügen wird es immer voller.

Potsdam - Ungewöhnliches Bild an Gleis 3 des Potsdamer Hauptbahnhofs am Freitagvormittag: Lautsprecher sind aufgebaut, ein Musikertrio spielt, Sektgläser werden verteilt und eine Torte steht zum Anschnitt bereit. Anlass ist ein Pressetermin zum 25. Jubiläum des Regionalexpress1, kurz RE1. Ein paar Zeitzeugen sind gekommen. Brandenburgs Verkehrsstaatssekretärin Ines Jesse, Susanne Henckel, Chefin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, und der zuständige Bahnmanager halten kurze Reden. Dann schneiden sie die Torte an. Ankommende Reisende schauen etwas irritiert, bevor sie weitergehen. Ein Touristenpärchen filmt die Szenerie mit dem Smartphone.

Am 27. Mai 1994 hatte der Zug seine Jungfernfahrt. Damals gab Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) höchstpersönlich mit einer Kelle die Fahrt frei. Allerdings nicht in Potsdam, sondern im Berliner Ostbahnhof. Von dort ging es nach Frankfurt (Oder). Es war der erste Regionalexpress überhaupt. Der Stundentakt, immer zu einer festen Zeit, war damals ein Novum. Bis dahin endeten die Züge aus dem Umland in Berlin an der ersten S-Bahnstation, zum Beispiel in Erkner. Außerdem ging es deutlich langsamer vorwärts. Anfang der 1990er-Jahre brauchte man für die 81 Kilometer von Frankfurt (Oder) in die Hauptstadt in der Regel noch rund zwei Stunden. Heute sind Reisende auf dieser Strecke mit dem RE1 dort nur etwa halb so lang unterwegs. Direkte Verbindungen in die Berliner Innenstadt gab es nicht. Sven Laube war damals bei der ersten Fahrt mit an Bord. Noch heute arbeitet der 57-Jährige als Zugführer auf der Strecke des RE1. Die Züge sahen anders aus: Mintgrün und weiß statt rot lackiert. Und sie hatten nur vier Wagen. „In der ersten Wagenklasse wurden kostenlos Kaffee und Zeitungen angeboten“, erinnert er sich. Später wurden Getränkeautomaten eingebaut.

Weil in den ersten Jahren in Berlin an der Stadtbahn gebaut wurde, endeten die Züge aus Frankfurt (Oder) im Ostbahnhof – der damals noch Hauptbahnhof hieß. Ein Jahr später starteten auch Züge am Bahnhof Zoo und fuhren Richtung Brandenburg an der Havel und Magdeburg über Potsdam. Bei den Nutzern kam das Angebot immer besser an: 1994 startete der RE1 mit durchschnittlich 3900 Fahrgästen an Wochentagen, 2002 waren es bereits 37 000, nach 20 Jahren waren es 56 000 und im vergangenen Jahr rund 64 000 Fahrgäste. Wegen der wachsenden Nachfrage hatte die Bahn im Jahr 2000 auf einen Halbstundentakt umgestellt. „Das war auch nötig“, sagt Laube. Denn immer mehr Pendler und Studenten nutzten die schnelle Verbindung. Tatsächlich findet man auch heute im Berufsverkehr in den Zügen oft keinen Sitzplatz. Der Erfolg wird zum Problem.

VBB-Geschäftsführerin Henckel schwört auf den RE1. Sie nutze ihn selbst häufig. „Der RE1 ist unsere Premiumlinie.“ 95,3 Prozent der Fahrten seien im ersten Quartal 2019 pünktlich gewesen. „Immer mehr Fahrgäste wissen das zu schätzen, weshalb wir das Angebot kontinuierlich ausweiten.“ Kontinuierlich heißt in diesem Fall: Erst Ende 2022. Dann werden laut neuem Landesnahverkehrsplan drei Züge pro Stunde und Richtung unterwegs sein. Allerdings muss die Deutsche Bahn dann Abschied vom RE1 nehmen: Sie hatte bei der Ausschreibung des Netzes Elbe-Spree keinen Zuschlag dafür bekommen. Die Ostdeutsche Eisenbahn (Odeg) wird künftig den RE1 betreiben.

Immer beliebter. Der Regionalexpress RE1, hier auf einer Fahrt von Berlin nach Frankfurt (Oder), ist eine Erfolgsgeschichte. In den 25 Jahren seiner Existenz haben sich die Fahrgastzahlen an einem durchschnittlichen Wochentag mehr als verzehnfacht. Zu Stoßzeiten sind die Züge daher oft überfüllt.
Immer beliebter. Der Regionalexpress RE1, hier auf einer Fahrt von Berlin nach Frankfurt (Oder), ist eine Erfolgsgeschichte. In den 25 Jahren seiner Existenz haben sich die Fahrgastzahlen an einem durchschnittlichen Wochentag mehr als verzehnfacht. Zu Stoßzeiten sind die Züge daher oft überfüllt.
© Patrick Pleul/dpa

Im Potsdamer Rathaus hat man da gemischte Gefühle. Der RE1 sei als wichtigste Pendlerverbindung auch für Potsdam von überragender Bedeutung. Allerdings komme die angepeilte Taktverdichtung in der Hauptverkehrszeit im Jahr 2022 zu spät. Stadt, Umlandgemeinden und Hochschulen hatten schon im vergangenen Jahr eine frühere Taktverdichtung auf der Strecke gefordert.

Bahnhöfe werden saniert

Wie berichtet investieren das Land und die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren rund 170 Millionen Euro in die Sanierung von 150 Bahnhöfen – das wäre etwa jeder zweite landesweit. Davon sollen auch die Nutzer des RE1 profitieren. Denn acht dieser Bahnhöfe liegen auf dessen Strecke. Zu den Maßnahmen gehören beispielsweise neue Aufzüge, Rolltreppen und Dächer. Außerdem soll eine Reihe von Bahnsteigen saniert und einige verlängert werden.

Ein Beispiel ist der Bahnhof Eisenhüttenstadt: Er wird mit neuer Beleuchtung und Anzeigetafeln ausgestattet. Geplant ist auch der Neubau eines Tunnels mit Anbindung an den P+R-Parkplatz. Am wichtigsten aber ist, dass der Bahnsteig bis zum Jahr 2022 auf 220 Meter Länge ausgebaut wird. Das hat Bedeutung für die Zukunft des stark nachgefragten Regionalexpress’ 1.  Rund die Hälfte der Pendler in der Region sei mit dem RE1 unterwegs. Weil man erwartet, dass die Nachfrage weiter zunimmt, soll die Kapazität erweitert werden: Dazu sollen mehr als fünf Wagen pro Zug aufs Gleis geschickt werden. Doch außerhalb von Berlin oder Potsdam sind viele Bahnsteige dafür zu kurz. Der letzte Wagen würde außerhalb der Bahnhöfe stehen – aus Sicherheitsgründen ist das jedoch nicht erlaubt.

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