Geplanter "Lehrerpranger": Elf Geständnisse an die AfD
In Brandenburg platzt der Start des AfD-Meldeportals gegen Lehrer – vorerst. In Berlin wehren sich Lehrer in offenen Briefen und sammeln Unterschriften.
Potsdam/Berlin - In der Hauptstadtregion sorgen die angekündigten AfD-Meldeportale für unliebsame Lehrer weiterhin für Wirbel. In Berlin, wo das Portal nächste Woche starten soll, wird die AfD bereits mit Protesten von Lehrern bombardiert. In Brandenburg ist der für Freitag angekündigte Start der von Lehrern und anderen Parteien als „Anschwärzportal“ und „Lehrerpranger“ kritisierten AfD-Meldeplattform erst einmal geplatzt. Die AfD erhofft sich von dem Portal neben Anerkennung bei der eigenen Klientel vor allem Hinweise auf Schulen und Lehrer, die die AfD kritisieren und Schüler angeblich einseitig indoktrinieren.
Juristen ließen AfD-Lehrerpranger durchfallen
Punkt 12 Uhr sollte es losgehen. Aber als es soweit war, passierte auf den Internetkanälen der AfD-Landtagsfraktion in Brandenburg – nichts. Der Start verzögert sich, bestätigte der Landtagsabgeordnete Steffen Königer, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion und Organisator der Plattform, den PNN. „Es gab technische Probleme juristischer Art“, gab Königer als Begründung an. Weitere Details nannte er nicht. Bei einer Prüfung durch Juristen war das Portal offenbar durchgefallen. Die Mängel müssen so gravierend gewesen sein, dass es nicht online gehen konnte. „Wir wissen jetzt, was wir ändern müssen“, sagte Königer. Leider sei der Programmierer aber erst kommende Woche wieder da. Wann das Portal nun startet? „Nächste Woche, erste Wochenhälfte“, so Königer. Sicherheit gehe vor. „Wir wollen ja nicht, dass es uns auf die Füße fällt.“
Brandenburgs Bildungsministerin will Portal prüfen lassen
Klar ist, dass das Portal sehr genau auf etwaige Verstöße jedweder Art geprüft werden wird. Das hatte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) in den PNN angekündigt – und das Portal als „Angriff auf den Schulfrieden“ gerügt: „Gerade in den ostdeutschen Bundesländern fühlen sich viele dabei zu Recht an Stasi-Überprüfungsmethoden erinnert.“ Nach Auffassung von Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) verstößt das aus Fraktionsgeldern und damit aus Steuermitteln finanzierte Portal gegen das Fraktionsgesetz. Stark hatte eine Rückforderung von Fraktionsgeldern angedroht.
Berliner Lehrer wollen sich selbst bei Plattform melden
In Berlin kündigte die Bildungsverwaltung an, die Datenschutzbeauftragte „um eine Überprüfung der Zulässigkeit des AfD-Vorhabens zu bitten“. Und kurz vor dem geplanten Start der dortigen AfD-„Beschwerdeplattform“ kursieren offene Briefe an die Partei und Fraktion, in denen sich Kollegien oder einzelne Pädagogen dem „Einschüchterungsversuch“ entgegenstellen und ihre „Vergehen“ von sich aus melden. „Wir gestehen, dass wir die Zeit des Nationalsozialismus nicht als kleinen ,Vogelschiss‘ behandelt haben“, heißt es in einem offenen Brief, der seit Freitag über die Berliner Lehrerinitiative „Bildet Berlin“ verbreitet wird. Verfasst wurde er von zwei Lehrern des Charlottenburger Berggruen-Gymnasiums, gerichtet an die „sehr geehrten Damen und Herren der Berliner AfD“. In dem Brief schreiben die Lehrer, sie wollten der AfD „gern die Arbeit abnehmen“ und von sich aus „gestehen“. Es folgt ein Katalog von elf „Geständnissen“ mit einem angehängten Vordruck für Unterschriftenlisten, die von den Lehrern ausgefüllt und bis zum 15. Dezember an „Bildet Berlin!“ geschickt werden können. Zu den „Geständnissen“ zählt,
– „dass wir uns kontinuierlich auf den Artikel 3 des Grundgesetzes berufen und die Diskriminierung von Menschen aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, politischer oder religiöser Überzeugung im Unterricht nicht erlaubt haben“;
– „dass wir sprachliche Tabubrüche von Seiten Ihrer Partei und anderen Menschen als solche im Unterricht thematisiert haben, weil rassistische und diskriminierende Aussagen als solche in unserem Land benannt werden müssen“,
– „dass wir in unserem Unterricht das komplexe Thema der Migration nicht als Erklärung für alle Probleme in Deutschland haben gelten lassen“;
– „dass wir in unserem Unterricht aktiv Produkte der von Ihnen bekämpften Medien eingesetzt und hinsichtlich ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit untersucht haben“;
– „dass wir in unserem Unterricht offensichtliche Lügen, wissenschaftliche Halbwahrheiten und allgemeine Ungenauigkeiten in Quellen über all die Jahrhunderte analysiert und interpretiert haben“ und
– „dass wir überlegen, einen Längsschnitt zum Thema ,Denunziation in verschiedenen historischen Epochen (Römische Republik – Inquisition im Mittelalter - Nationalsozialismus – Deutschland 2018‘ zu entwickeln“.
Die Initiative will alle gesammelten Unterschriften gemeinsam an die AfD übergeben.
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