Erhalt der Artenvielfalt: Einsatz von Pestiziden entzweit Bienenschützer
Am Montag startete die Volksinitiative der Naturschützer zum Erhalt der Artenvielfalt in Brandenburg. Sie hat Konkurrenz von der Landnutzer-Initiative. Die Opposition ist gespalten bei der Unterstützung.
Potsdam - Am Montagmittag schwirren sie aus in die Potsdamer Innenstadt, um für die Biene mobil zu machen. Und die Passanten davon zu überzeugen, wer die wahren Insektenretter sind. Der mit harten Bandagen ausgetragene Kampf um die Artenvielfalt, er ist in Brandenburg in vollem Gange. Am Montag starteten die Naturschutzverbände ihre lange angekündigte Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“ nach Vorbild der überaus erfolgreichen Initiative aus Bayern, die knapp 1,8 Millionen Bürger unterzeichnet hatten. Doch wie berichtet gibt es Konkurrenz. Am Freitag starteten die Landnutzer unter Federführung des Landesbauernverbandes eine Gegenoffensive in Form einer eigenen Volksinitiative mit dem eingängigen Titel „Mehr als nur ein Summen – Insekten schützen, Kulturlandschaft bewahren“.
Verschiedene Wege
Vordergründig zumindest verfolgen die Landwirte nicht andere Ziele, sondern nur andere Wege als Naturschutzbund (Nabu) und Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Im Kern entzündet sich der Streit zwischen Agrar- und Naturlobby um den Einsatz von Pestiziden. Während die Naturschützer langfristig ein flächendeckendes Verbot von Pflanzenschutzmitteln, zunächst aber klare Regeln für deren Einsatz fordern, setzen die Landwirte auf Monitoring, wie sie am Freitag erklärten. Die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Insekten solle zunächst genau ermittelt werden.
„Wir wissen genug zum Artensterben“, sagt hingegen Friedhelm Schmitz-Jersch, Vorsitzender Nabu-Landesverbandes. „Dieses findet nicht in fernen Ländern statt, sondern direkt hier in Brandenburg vor unserer Haustür.“ Bereits bei einer wissenschaftlichen Erfassung im Jahr 2000 habe sich gezeigt, dass in Brandenburg von 383 Wildbienenarten und von 205 Wespenarten jeweils 40 Prozent gefährdet seien. Bei bundesweiten Erhebungen sei inzwischen schon von 50 Prozent bedrohten oder bereits verschwundenen Arten die Rede. Auch die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln seien längst untersucht. Es sei höchste Zeit, zu handeln, und nicht weiter Zahlen zu erheben, die schon lange vorlägen. Das Ansinnen der Landnutzer sei es, für Verzögerung zu sorgen und Verwirrung bei der Bevölkerung zu stiften – und so die Initiative der Naturschützer zu torpedieren.
Bayrischer Vorreiter
Die Forderungen von Nabu und BUND richten sich in erster Linie an die Landesregierung, genauer an Agrar- und Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD), dem etwa seitens der Grünen vorgeworfen wurde, sich in seinem für beide Themen zuständigen Ressort nur um die Landwirtschaft, aber kaum um den Naturschutz zu kümmern. „Kein anderes Bundesland macht so eine miserable Landwirtschaftsförderpolitik wie Brandenburg“, kritisiert Schmitz-Jersch und BUND-Vize-Chef Thomas Volpers pflichtet ihm bei. 500 Millionen Euro an Fördermitteln stünden jährlich in Brandenburg für die Landwirtschaft bereit, aber nur ein Zehntel werde für naturschutzfachliche Leistungen der Landwirte eingesetzt. Nun, unter dem Eindruck des „Paukenschlags aus Bayern“, habe das Brandenburger Agrarministerium kurzfristig ein Blühstreifenprogramm aufgelegt, was vorher noch vehement abgelehnt worden sei.
„Die Honigbiene liegt auf der Intensivstation“
Die Fronten im Bienenstreit sind an vielen Stellen verhärtet. Der Landesimkerverband unterstützt die Bauern-Initiative – was Imker Johann Lütke-Schwienhorst nicht nachvollziehen kann. Er ist Agrarreferent bei der in Berlin ansässigen Stiftung Aurelia, die sich selbst als „Anwältin der Bienen“ versteht und auf Seiten der Naturschützer-Initiative steht. Für die Imker gehe es auch um die Existenz, sagt Lütke-Schwienhorst, der selbst mehrere Bienenvölker in Brandenburg hat. Und das hänge sehr stark mit dem Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft zusammen. Nicht nur die Wildbiene sei gefährdet. „Die Honigbiene liegt auf der Intensivstation“, sagt er. Viele Blütenpollen seien schadstoffbelastet, das hätten Tests erwiesen. Die Stoffe führten zu Desorientierung bei den Bienen. „Sie finden dann nicht mehr in ihren Stock zurück.“
Geteilte Unterstützung
Unterstützung bekommen die Naturschützer von den Brandenburger Grünen. „Die bedrohte Tier- und Pflanzenwelt zu bewahren, ist die größte Aufgabe der Menschheit noch vor der Klimakrise“, sagt der umwelt- und landwirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Benjamin Raschke, der auch Spitzenkandidat für die Landtagswahl ist.
Davon offenbar angestachelt erklärt am Montag kurz darauf die CDU, dass sie die Initiative der Landnutzer unterstütze. CDU-Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben, wie Raschke Spitzenkandidat für die Landtagswahl, sagt: „Der Schutz von Insekten und der Erhalt der Artenvielfalt ist nur im Schulterschluss mit denjenigen möglich, die wirksame Maßnahmen auf ihren Flächen umsetzen sollen.“ Einseitige Schuldzuweisungen und gesetzliche Verbote seien der falsche Weg. Die Bienen haben das Zeug zum Brandenburger Wahlkampfschlager.
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