NSU-Untersuchungsausschuss Brandenburg: Die Brieffreundin der schweren Jungs
Sie schrieb Rechtsextremen wie Uwe Mundlos und dem V-Mann "Piatto" und heiratete einen Neonazi: Im NSU-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags gibt eine Zeugin Einblicke in die weibliche Neonazi-Unterstützerszene.
Potsdam - „Ich habe mich wichtig gefühlt“, sagt Sylvia F. Es ist der Schlüsselsatz der Zeugin im Brandenburger NSU-Untersuchungsausschuss, der wohl erklären soll, wie eine junge Frau in die rechtsextreme Szene gerät, einen Neonazi heiratet, rechte Straftäter unterstützt. Und trotzdem nicht genau gewusst haben will, mit wem sie sich da eigentlich abgibt. Sylvia F. ist die Ex-Frau des Brandenburger Neonazis Maik F., früher Herausgeber des „Weißen Wolf“, jenes neonazistischen Szeneheftes, in dem 2000 jener Sätze standen: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;-) Der Kampf geht weiter…“ Abgedruckt in einem Jahr also, als das Terrortrio um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe seine Mordserie begann, der Name NSU aber noch lange nicht bekannt war.
Sylvia F. schrieb auch an Uwe Mundlos
2013 wurde die aus dem fränkischen Kronach stammende Sylvia F. vom Bundeskriminalamt im Zuge der NSU-Ermittlungen befragt. Anlass: Ein Brief F.s an Uwe Mundlos. An das Schreiben, sagt die heute 48-Jährige am Dienstag im Potsdamer Landtag, könne sie sich nicht erinnern. Sie habe vielen geschrieben, teils „schweren Jungs“. Zwei ihrer Brieffreunde sind Sylvia F., die mit ihrem damaligen Mann Ende der 1990er in Mittenwalde (Dahme-Spreewald) lebte, aber in guter Erinnerung geblieben: Carsten Szczepanski und Jens-Werner Klocke. Szczepanski alias „Piatto“, ein wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer verurteilter Neonazi und V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes, zentrale Figur des Brandenburger Ausschusses, da er Hinweise zum NSU gab.
Und Klocke, Anfang der 1990er Chef der rechtsextremistischen Gruppe „Werwolf-Jagdeinheit Senftenberg“, deren Mitglieder 1992 in der Nähe von Cottbus einen 27-Jährigen ermordeten.
Sylvia F. wollte sich engagieren
Kontakt zu ihren Schützlingen bekommt die in der Kronacher Skinheadszene aktive Sylvia F. (Motivation: „Ich war gegen Spießertum“) als junge Frau über die HNG, einer Organisation, die bundesweit rechtsextreme Straftäter während und nach ihrer Haftzeit unterstützte und 2011 verboten wurde. Sie sei gegen Gewalt, erklärt die Zeugin. Warum sie dennoch Gewaltverbrechern Briefe etwa in den Knast nach Brandenburg/Havel schickte, begründet sie heute so: Sie hätte sich engagieren wollen. „Ich war schon immer sehr sozial“, sagt sie. „Andere Leute hatten Spaß in ihrem Leben. Ich habe am Wochenende Briefe geschrieben.“
Dass Szczepanski und Klocke wegen schwerster Gewalttaten einsaßen, radikale Ansichten vertraten, davon habe sie erst später erfahren, behauptet Sylvia F. In ihren Briefen sei es nicht um Politik gegangen, sondern um Privates. Szczepanski sei sie auch dreimal persönlich begegnet. „Ich mochte ihn gern“, bekennt sie. Sie habe ihn „supernett“ gefunden, so herzlich.
Telefonfreundschaft mit Potsdamer Rechtsrock-Sänger Menzel
Auch ein anderes Szene-Mitglied konnte sie gut leiden. Mit dem Potsdamer Rechtsrock-Sänger Uwe Menzel, Spitzname „Uwocaust“, habe sie eine Telefonfreundschaft gepflegt, auch wenn sie seine Musik mit den harten Texten nicht gemocht habe. Auch da sei es nur um Privates gegangen. Vor einem Jahr habe sie das letzte Mal mit Menzel telefoniert, inzwischen alle Kontakte „zur Vergangenheit“ abgebrochen.
Sie sei dumm gewesen damals, habe sich die Dinge schöngeredet. „Ich habe ehrlich gedacht, ich kann die Welt retten“, sagt sie. Von Maik F., dem Vater ihrer 1999 geborenen Tochter, lebt sie in Scheidung.