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Stellenbesetzung. Jörg Steinbach soll der Nachfolger von Albrecht Gerber als Brandenburgs Wirtschaftsminister werden. Am Donnerstag wurde er von Ministerpräsident Dietmar Woidke vorgestellt.
© Christoph Soeder/dpa

Neuer Wirtschaftsminister Steinbach: Der Politiklehrling aus der Lausitz

Der parteilose Jörg Steinbach wird über Nacht vom Hochschulpräsidenten zum Regierungsmitglied.

Potsdam - Reden kann er, kernige Antworten geben. Aber er weiß auch, was er jetzt besser nicht mehr sagt. Die Verhaltensregeln des Politikerdaseins scheint Jörg Steinbach innerhalb von 24 Stunden verinnerlicht zu haben. Dabei ist er, mit 62 Jahren, ein Politikneuling. Über Nacht wurde aus dem parteilosen Wissenschaftler, dem Chemieprofessor, dem Gründungspräsidenten der 2015 fusionierten Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg ein Landespolitiker. 24 Stunden Zeit habe er gehabt bis zu einer Entscheidung, die Hochschule in der Lausitz gegen das Kabinett in Potsdam zu tauschen, sagt Steinbach am Donnerstagnachmittag, nachdem Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den Überraschungskandidaten als Nachfolger für Albrecht Gerber (SPD) als Wirtschafts- und Energieminister offiziell präsentierte.

Gerber, Gegner des raschen Kohleausstiegs in der Lausitz, hatte vergangene Woche seinen Rückzug aus familiären Gründen angekündigt. Am 19. September soll Steinbach vereidigt werden, möglichst zeitgleich mit einer Nachfolgerin für Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke), die im Zuge des Pharmaskandals am Dienstag ihren Rücktritt erklärte. Das erste Personalproblem im rot-roten Kabinett wäre damit gelöst. Und die Lösung, die für viele überraschend kam, ist nicht schlecht. Weil Steinbach, wie er selbst von sich sagt, ein politisch "unbelastetes Gesicht" ist, kein schon vor Jahren ausrangierter Minister, der nun aus der Versenkung geholt wird und auch kein Fraktionsmitglied, das ein Jahr vor der Landtagswahl in die Bresche springen muss. Bei der Gelegenheit gewinnt die SPD wohl gleich noch ein prominentes Neumitglied. "Mein Herz sitzt links von der Mitte", sagt Steinbach, die Positionen Helmut Schmidts habe er immer gut gefunden. "Die SPD ist mir nahe", sagt er, so dass ein Eintritt in die Partei nur eine Frage kurzer Zeit sein dürfte. Zumal ein pragmatischer Aspekt hinzukommt: Ihm sei bewusst, dass ohne Parteizugehörigkeit keinen Eintritt in Bundesgremien gebe, in denen ein Wirtschaftsminister aber vertreten sein müsse.

"Die Diskussion um ein Datum ist zu kurz gegriffen"

Für Steinbach sprach aus Sicht Woidkes zudem wohl die Lausitz-Komponente, die zwei miteinander zusammenhängende Aspekte hat: die Debatte um die Zukunft der Lausitz nach dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung und das Erstarken der AfD in der Region. Zu beidem hatte sich Steinbach in der Vergangenheit geäußert, hat Position bezogen. Und er tut es auch am Donnerstag bei seinem ersten Auftritt als designierter Wirtschaftsminister. Wortreich, in origineller Bildsprache, aber eben doch bereits "auf Spur". Noch im Mai hatte Steinbach in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur gefordert, dass die Kohlekommission, die auf Bundesebene ein Szenario für den Ausstieg entwerfen soll, ein konkretes Datum für das Ende der Braunkohle benennen müsse. Das sei wichtig für die Lausitz. Jetzt sagt er: "Die Diskussion um ein Datum ist zu kurz gegriffen." Das ist bester Landes-SPD-Sprech, stützt den Kurs seines Vorgängers Gerber. Ein schneller Kohleausstieg sei schon deswegen nicht möglich, weil die Bergbaufolgekosten wie etwa für die Rekultivierung finanziert werden müssten, sagt Steinbach, der - was die Grüne Liga kritisiert - derzeit Mitglied im Aufsichtsrat des Bergbaubetreibers LEAG ist. Die Aussage hätte auch von Gerber stammen können, oder von Woidke.

Den Bogen von der Debatte um die Zukunft der Lausitz und die Wahlerfolge der AfD in der Region schlug Steinbach einst selbst. Es gebe eine hohe Politikverdrossenheit in der Region, hatte er erst im Januar in einem PNN-Interview erklärt. Das äußere sich auch in einem Wahlergebnis für die AfD, das über zwanzig Prozent liege. "Das hat aber auch viel damit zu tun, dass die Leute unzufrieden sind, wie der Transformationsprozess in der Region bisher bewältigt worden ist, und nicht unbedingt mit Fremdenfeindlichkeit", sagte er. Auf die Frage, ob die Landespolitik denn richtig reagiert, genug Präsenz gezeigt habe, als in Cottbus die Stimmung nach Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen Einheimischen hochkochte, der Verein "Zukunft Heimat" zu Demonstrationen aufrief, antworte er "lieber politisch" korrekt. Es sei eine Vereinfachung, auf die Landes- oder die Bundespolitik zu zeigen, "das wird der Situation nicht gerechnet".

Und doch ist es genau diese "Situation", die Steinbach - von 2010 bis 2014 Präsident der Technischen Universität (TU) Berlin - bewog, 24 Stunden nach dem für ihn wie er sagt selbst überraschenden Anruf aus Potsdam, zum Politiker zu werden. "Die Menschen müssen wieder Vertrauen zur Politik der etablierten Parteien fassen können", erklärte Steinbach. So wie die Volksparteien "herumkrepeln" werde es ihm mit Blick auf Landtags- und Europawahl und das prognostizierte Erstarken rechtspopulistischer Parteien "Angst und Bange. Bei einer früheren beruflichen Entscheidung habe ein Kollege ihm gesagt: "Steinbach, jetzt musst du Verantwortung übernehmen. Sonst erscheine ich dir im Schlaf." Damit habe er nicht gedroht, versichert Woidke mit einem Lächeln, aus dem Erleichterung spricht, die Personalfrage gelöst zu haben. Quasi über Nacht.

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