Problemwölfe in Brandenburg: Der mit dem Wolf tanzt
Brandenburg ist das erste Bundesland, das per Verordnung den Umgang mit Problemwölfen regelt. Nun ist auch der Abschuss der Wölfe erlaubt. Bauern geht der Beschluss nicht weit genug.
Potsdam - Brandenburgs führt als erstes Bundesland eine Wolfsverordnung ein, die den Umgang mit Problemwölfen regelt – „im Spannungsfeld zwischen dem Schutzstatus der Tiere und dem Schutzbedürfnis der Menschen sowie der Nutztierhalter“, wie es Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) sagt. Nun ist in Brandenburg der Abschuss von Wölfen als Ultima Ratio erlaubt. Aber nur, wenn alle anderen Maßnahmen nicht mehr helfen – wie etwa Verscheuchen mit Steinwürfen oder Vergrämen sogar mit Gummigeschossen.
Was aber sind Problemwölfe oder Wölfe mit besonders aggressivem Verhalten? Es geht um Wölfe, die wiederholt in Dörfern auftauchen, keine Scheu vor Menschen zeigen, sich bis auf wenige Meter nähern oder die wiederholt in Herden von Weidetieren wüten. In den vergangenen Monaten war der Ruf nach einer Abschusserlaubnis laut geworden, auch wegen wachsender Schäden, die von Tierhaltern und Bauern gemeldet werden. Aber auch wegen Wölfen, die Siedlungen durchstreifen, wie vor einem Jahr in Rathenow. „Wolf auf Kita-Gelände gesichtet“ lautete damals eine Schlagzeile. Wobei das Tier wohl von einem Truppenübungsplatz in Sachsen-Anhalt kam, auf dem gerade ein Nato-Manöver abgehalten worden war.
Wölfe, die den Menschen gefährlich werden, dürfen direkt getötet werden - aber das war bislang fast nie der Fall
Jedenfalls ist Brandenburg jetzt Vorreiter. Vogelsänger hat am Donnerstag die erste Wolfsverordnung in Deutschland unterzeichnet. Anfang 2018 tritt sie in Kraft. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz und nach EU-Recht darf der Wolf als streng geschützte Art nicht geschossen werden, Ausnahmen sind jedoch möglich. Etwa bei Problemwölfen, die ganze Herden reißen und auf den Weiden eine blutige Spur hinterlassen. Und genau ist nun geregelt: Wer entscheidet wann was. „Die anderen Bundesländer warten schon mit Spannung auf unsere Verordnung“, sagte Vogelsänger. „Ich gehe fest davon aus, dass sie nun auch eigene Verordnungen erlassen werden.“ Nach Angaben des Ministers leben in Brandenburg derzeit die meisten Wölfe. So seien 22 Rudel, zwei Paare und zwei Einzelgänger gezählt worden – insgesamt rund 180 Wölfe.
Laut der Verordnung sollen aggressive Tiere, die Menschen gefährlich werden, sofort getötet werden. Einen solchen Fall habe es aber noch nicht gegeben. Auch wenn Wölfe zweimal auf Weiden eindringen und Nutztiere reißen, dürften sie erlegt werden – allerdings nur dann, wenn die Weide mit Zäunen oder anderen Maßnahmen ausreichend geschützt wurden. Die Schutzmaßnahmen für die Weiden sollen aus Landesmitteln gefördert werden. „Es wird nur Einzelfallprüfungen geben“, betonte der Minister.
„Kinder haben den ersten Kontakt mit dem Wolf über Rotkäppchen. Ängste sind vorhanden“
Zuständig ist das Landesumweltamt, das zunächst die milderen Methoden – also Verscheuchen oder Vergrämen – anwenden muss. Bleibt das ohne Erfolg, darf eine „berechtigte Person“ dem Wolf nachstellen und ihn töten. Dies soll in der Regel der Jagdpächter sein. Langwierige Verwaltungsprozesse will Vogelsänger aber vermeiden. Bei Problemwölfen soll der Abschuss binnen zwei Wochen erledigt sein.
Vogelsänger weiß aber auch, dass Aufklärung nottut. „Kinder haben den ersten Kontakt mit dem Wolf über Rotkäppchen. Ängste sind vorhanden“, sagte der Minister. In Groß Schönebeck (Barnim) entsteht gerade mit Landesgeld ein Wolfsinformationszentrum, es gibt vier Wolfsbeauftragte – für das ganze Land. Es könnten mehr werden, deutete Vogelsänger an. Der Bedarf steigt.
Zur Wahrheit gehört bei aller Angst aber auch: Bei 99 Prozent der Fälle, in denen den Behörden Problemwölfe gemeldet werden, geht es um Wölfe, die etwa Weidetiere reißen. Nur bei einem Prozent, so Vogelsänger, geht es um direkte Konfrontation zwischen Wolf und Mensch. Daran wird deutlich, wie Realität und Bedrohungsgefühl auseinanderklaffen. Es ist das Rotkäppchen-Syndrom.
Der Bauernbund spricht von einem "vergifteten Weihnachtsgeschenk"
Dagegen kämpfen die Naturschützer seit Jahren an, mit der neuen Verordnung sind sie „im Großen und Ganzen einigermaßen zufrieden“, sagte die Landes-Geschäftsführerin des Naturschutzbundes (Nabu), Christiane Schröder. „Das A und O wird aber sein, ob es genügend Personal in der Verwaltung gibt, um die Verordnung umzusetzen.“ Notwendig sei vor allem, die Gründe für die Entscheidungen offen zu kommunizieren. „Nur so kann man Vertrauen bei den Bürgern schaffen.“
Dagegen sprach der Bauernbund von einem „vergifteten Weihnachtsgeschenk“. „Durch eine Vielzahl von Einschränkungen und schwammigen Formulierungen bleiben wir Landwirte den Launen praxisfremder Bürokraten ausgeliefert“, sagte Biobauer Frank Michelchen. „Die Politiker sind eingeknickt vor der mächtigen Lobby aus Nabu, BUND und WWF, die mit ihrer Wolfspropaganda riesige Spendensummen von Konzernen und ahnungslosen Städtern kassieren.“ Nach Angaben des Bauernbundes wurden dem Landwirt in diesem Jahr bereits drei Kälber von Wölfen gerissen.
Stockhiebe und Steinwürfe erlaubt, Wölfe verletzen verboten
Auch das Forum Natur, ein Zusammenschluss von Landnutzer-Verbänden, zeigte sich enttäuscht. Wenn die Verordnung immer noch regele, dass man Wölfe durch Steinwürfe oder Stockhiebe vertreiben könne, sie dabei aber nicht verletzen dürfe, ähnele das Papier einer satirischen Glosse, hieß es in einer Mitteilung. Immerhin sei zu loben, dass nun auch Wölfe getötet werden dürften, die mutmaßlich das Vieh gerissen hätten und dass dies nicht mehr zweifelsfrei nachgewiesen werden müsse. Konkret fordere der Lobbyverband Forum Natur aber Weidenschutzgebiete, in denen Wölfe nicht erlaubt seien. Zudem müsse der Schutzstatus für den Wolf herabgestuft werden. „Wir sollten uns freuen, dass der Wolf wieder da ist, wir dürfen aber nicht riskieren, dass wir am eigenen Erfolg scheitern“, sagte Forum-Geschäftsführer Gregor Beyer.
Der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, Dieter Dombrowski, sprach ebenfalls von untauglichen bürokratischen Regelungen, die in der Praxis nicht bestehen könnten. Allein der Personalmangel im Landesumweltamt mache schnelle Entscheidungen bei Problemwölfen unmöglich. Vielmehr müsse angesichts des wachsenden Bestandes eine Zahl von Wölfen festgelegt werden, die jährlich bei Schutzjagden getötet werden dürften. „Die jetzt vorliegende Wolfsverordnung wird weder die Akzeptanz für den Wolf noch die Weidetierhaltung im Land Brandenburg stärken“, sagte Dombrowski. (mit dpa)
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