Verwahrlostes Kind in Eberswalde: Debatte über Sanktionsmöglichkeiten für Eltern
Das Jugendamt in Barnim hat ein fünfjähriges Mädchen in Obhut genommen, nachdem es eine gerichtlich erwirkte Familienhilfe gab. Jetzt wird über Meldepflicht für Jugendämter diskutiert.
Eberswalde/Potsdam -Der Fall des vernachlässigten fünfjährigen Mädchens aus Eberswalde (Barnim) hat in Brandenburg eine Debatte über eine Anzeigepflicht für Jugendämter, verpflichtende Früherkennungsuntersuchungen beim Kinderarzt und einen Ausbau des Hilfesystems für Familien ausgelöst. „Da hat es Versäumnisse gegeben“, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Petra Budke. Es habe sie entsetzt, dass in dem Fall offenbar lange nicht gehandelt worden und die Staatsanwaltschaft nicht durch das Jugendamt informiert worden sei. Man müsse prüfen, ob Jugendämter verpflichtet werden können, bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung Strafanzeige zu erstatten.
Eine Anzeigepflicht könnte ein adäquates Mittel sein, um Kinder besser zu schützen, sagte auch AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz. SPD-Fraktionschef Erik Stohn sagte hingegen er sehe momentan dafür keinen Bedarf. Das Brandenburger Jugendministerium empfiehlt den Ämtern zwar, Fälle der Staatsanwaltschaft zu melden, eine Anzeigepflicht gibt es aber nicht. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), die nur durch einen Bericht der „Märkischen Oderzeitung“ aufmerksam wurde und nun wegen des Vorwurfs der Misshandlung von Schutzbefohlenen gegen unbekannt ermittelt, überprüft derzeit die Hintergründe des Falls und will den Bericht des Krankenhauses auswerten, in dem das Kind war – nach dem es nach unbestätigten Zeitungsbericht jahrelang kein Tageslicht gesehen habe. Der Landrat des Kreises Barnim, Daniel Kurth (SPD), hatte am Montag berichtet, dass das Mädchen, das noch zwei Geschwister hat, im Dezember in die Obhut der Behörden gekommen. Der Kreis sprach von Anzeichen von Unterernährung sowie Sprach- und Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kind. Nach eigener Darstellung hatte das Jugendamt des Kreises seit Mitte 2017 versucht, der Familie zu helfen. Die Bemühungen seien zunächst erfolglos gewesen. Nach einer vom Gericht erwirkten Familienhilfe ab November 2019 gab der Kinderschutz eine Gefahrenmeldung ab.
Die Staatsanwaltschaft sei inzwischen in Kontakt mit dem Jugendamt, dessen Unterlagen lägen aber noch nicht vor, sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde am Dienstag. Das Jugendamt hatte den Fall nicht zur Anzeige gebracht und bislang keine Angaben zu den Eltern gemacht. Das Jugendministerium in Potsdam hatte am Montag vom Jugendamt Barnim eine Stellungnahme angefordert und will prüfen, ob der Kreis rechtmäßig gehandelt hat. Die Jugendamtsleiterin hatte am Montag erklärt, dass der Fall nicht alltäglich, aber auch keine Besonderheit sei.
Kritik am Jugendamt
„Wir haben das Jugendamt seit geraumer Zeit unter kritischer Beobachtung“, sagte der Fraktionschef der Freien Wähler, Péter Vida, der auch Mitglied des Kreistages im Barnim ist. Der in Eberswalde lebende Vorsitzende der Linken-Landtagsfraktion und Kreistagsabgeordnete Sebastian Walter sagte, er teile die Einschätzung Vidas ausdrücklich nicht. SPD-Landrat Kurth setze auf volle Transparenz in dem Fall, der am Mittwoch den Jugendhilfeausschuss des Kreistages beschäftigen wird. „Solche Fälle zeigen vielmehr, dass wir ein gesellschaftliches Problem haben“, sagte Walter. Man müsse sich fragen, warum beispielsweise Nachbarn nicht auffalle, wenn es einem Kind nicht gut gehe.
"Netzwerke gesunde Kinder" sollen ausgeweitet werden
Die Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, Kathrin Dannenberg, sowie Grünen-Fraktionschefin Petra Budke plädierten dafür, die „Netzwerke gesunde Kinder“ im Land auszubauen. Dabei werden Familien von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr ihres Kindes von ehrenamtlichen Paten begleitet. Diese Hilfe müsste künftig bis zur Einschulung der Kinder in Anspruch genommen werden können und auch von hauptamtlichen Mitarbeitern übernommen werden, fordern Linke und Grüne.
Erneut diskutiert wird auch über Sanktionsmöglichkeiten für Eltern, die ihr Kind keinem Kinderarzt vorstellen. In Brandenburg werden Eltern seit 2008 zu den Vorsorgeuntersuchungen eingeladen und bei Versäumen des Termins auch daran erinnert. Sanktionen für nachlässige Eltern gibt es – anders als in anderen Ländern – nicht. In Baden-Württemberg besteht seit 2009 eine Untersuchungspflicht, Versäumnisse der Eltern können von der jeweiligen Kommune geahndet werden. Das Land müsse prüfen, ob das auch in Brandenburg ein gangbarer Weg wäre, so Budke. Man wolle erst das Ergebnis der Untersuchungen des Eberswalder Falls abwarten, bevor man über mögliche Konsequenzen nachdenke, sagte hingegen CDU-Fraktionschef Jan Redmann.
(mit dpa)
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