Neonazi-Aufmarsch in Cottbus: Das Nachspiel von Cottbus
Neonazis konnten am vergangenen Freitagabend ungestört durch Cottbus marschieren. Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter weist Kritik am Polizei-Einsatz zurück – und will nun Konsequenzen ziehen.
Potsdam - Nach dem ungestörten Neonazi-Aufmarsch in Cottbus will Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) Konsequenzen bei Polizei und Verfassungsschutz ziehen. Kritik am Polizeieinsatz gegen einen Neonazi-Aufmarsch am Freitagabend in Cottbus hat er allerdings zurückgewiesen. Die Sicherheitsbehörden seien von der Aktion nicht vorab informiert gewesen und hätten nach Anrufen von Bürgern rasch reagiert, sagte Schröter am Mittwoch in der Fragestunde des Brandenburger Landtags in Potsdam. Dabei berief sich Schröter ausrechnet auf die „Antifa Cottbus“. Die habe nämlich auch über Twitter mitgeteilt, dass die Polizei im Stadtzentrum angekommen sei. „Das spricht für eine schnelle Reaktion der Polizei“, sagte Schröter. Doch als die Beamten eintrafen, und das musste auch Schröter einräumen, waren die Neonazis bereits geflüchtet. Nur drei Neonazis konnte die Polizei noch schnappen.
Die Polizei sei um 21.56 Uhr über Notruf informiert worden, dass mehr als 100 schwarz gekleidete und maskierte Neonazis, die „Widerstand“ brüllten, mit Pyro-Fackeln durch das Stadtzentrum von Cottbus marschierten. Zehn Minuten später sei bereits der erste Streifenwagen eingetroffen und zwölf Minuten später insgesamt vier Wagen der Landespolizei und ein Wagen der Bundespolizei. „Da war ein Aufzug nicht mehr feststellbar“, sagte Schröter. Der CDU-Abgeordnete Dierk Homeyer goutierte die Aussage mit den Worten: „Danke dafür, dass Sie uns erläutert haben, dass die Polizei da war, als sich der Flashmob bereits auflöste.“ Tatsächlich hatten die Neonazis eigens ihre Autos am Ende des Aufmarschplatzes geparkt, um schnell flüchten zu können.
Indiz: Die rechte Szene in der Lausitz ist noch aktiv
Der Innenminister sprach von einem bedenklichen Zeichen für die Aktivität der rechten Szene in der Lausitz. Wie berichtet prüft die Polizei auch einen Zusammenhang mit dem 2012 verbotenen Neonazi-Netzwerk „Widerstand Südbrandenburg“, auch bekannt als „Spreelichter“. Es gebe „parallele Handlungsweise zu den Spreelichtern“, sagte Schröter. Details wollte er aber nicht nennen. Das harte Vorgehen der Sicherheitsbehörden in der Lausitz in den Vorjahren habe die rechtsextremistische Szene zwar behindert und eingeschränkt. „Die Aktivisten dieser Szene sind aber nicht verschwunden“, sagte der Innenminister. Der Aufmarsch vom Freitag sei ein ernst zu nehmendes Indiz, dass die rechte Szene in der Lausitz noch aktiv sei. „Wir nehmen diese Entwicklung sehr ernst“, betonte Schröter. Vorrangiges Ziel der Behörden sei es nun, solche Aktionen zu verhindern. „Wir werden mit wachen Augen darauf schauen, dass sich die Szene nicht wie ein Krebsgeschwür ausbreitet und Brandenburg ein sicheres und tolerantes Land bleibt“, erklärte der Minister.
Schröter deutete zudem an, dass möglicherweise auch Neonazis aus anderen Bundesländern angereist waren. „Sobald es Bezüge zu anderen Regionen gibt, werden wir Kontakte mit den entsprechenden Dienststellen der Länder aufnehmen“, sagte Schröter. Allerdings musste der Minister auch eigene Angaben zur Teilnehmerzahl korrigieren. Wie berichtet hatte die Polizei zunächst von rund 100 Neonazis gesprochen, Schröter sagte dann, es seien 60 gewesen. Nachdem die PNN darüber berichtet hatten, dass es exakt 121 Neonazis waren, räumte der Innenminister nun ein, dass es doch mehr als 100 waren. Ermittelt werde jetzt wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, aufgrund der Pyro-Fackeln wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz und wegen Volksverhetzung. Die Neonazis hatten Handzettel mit der Aufschrift „Cottbus Nafrifrei“ verteilt.
Schröter: Der Staatsschutz werde gestärkt
Mit Blick auf den Kampf gegen den Rechtsextremismus erinnerte Schröter an den Personalaufbau bei der Polizei. Der Staatsschutz werde gestärkt, sagte er. „Wir werden versuchen, im Vorfeld die Aufklärung zu intensivieren. Aber diese Flashmobs werden wir nicht grundsätzlich verhindern können.“ Schröter schloss auch die Rücknahme von Entscheidungen zur Polizeistruktur nicht aus. Etwa die umstrittene Zentralisierung des Staatsschutzes, die dazu führte, dass die Beamten nicht mehr so nah an der Szene dran sind. „Vielleicht werden wir in Zukunft Polizeiarbeit ganz neu denken und neu aufstellen“, sagte der Minister. Auch in Brandenburgs Polizei müssten die Strukturen überprüft werden.
Bemerkenswert waren auch Schröters Aussagen zum Verfassungsschutz. CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher wollte vom Minister wissen, ob die Unkenntnis der Behörden über die Neonazi-Aktion in Cottbus damit zu tun habe, dass der Verfassungsschutz bekanntlich zu wenig Personal habe. Schröter verstieg sich zunächst darauf, vor einem Überwachungsstaat zu warnen und an die bedrückten Verhältnisse in der DDR mit der Dauerfurcht vor Stasi-Überwachung zu erinnern. Nach Tumulten in der CDU, der Verfassungsschutz sei nicht die Stasi, erklärte der Minister: Er nehme das alles sehr ernst und werde dem „Landtag vorschlagen, die Personalausstattung des Verfassungsschutzes zu erhöhen“. Das ist eine klare Kampfansage an den Koalitionspartner die Linke, die das ablehnt.
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