Gebremster Digitalschub: Brandenburgs Schulen nur bedingt für erneuten Lockdown gerüstet
Sind Brandenburgs Schulen auf einen Lockdown und Homeschooling nun besser vorbereitet? Nicht in jeder Beziehung, wie ein Bericht erahnen lässt.
Potsdam – Seit Montag laufen Brandenburgs Schulen wieder im Regelbetrieb, der Unterricht findet vor Ort statt. Aber was, wenn Schulen wegen eines Corona-Ausbruchs wieder geschlossen werden müssten, die Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern wieder via Internet stattfinden müsste? Sind die Schulen inzwischen digital besser auf einen möglichen Lockdown vorbereitet?
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Zumindest nicht alle sofort, wie den Zahlen des Bildungsministeriums zu entnehmen ist. Zwar wurde durch die Pandemie die Digitalisierung an den Schulen vorangetrieben, aber innerhalb von fünf Monaten alles nachzuholen, was vorher versäumt wurde, ist nicht gelungen. Das beginnt schon bei Basisfragen: Immer wieder sorgte es für Ärger und Unverständnis, dass Lehrer in Brandenburg keine einheitlichen E-Mail-Adressen nutzen konnten. Inzwischen verfügen immerhin 88 Prozent aller Lehrkräfte, also rund 17.700 Lehrer, über eine dienstliches E-Mail-Konto. In den ersten Schulwochen sollen voraussichtlich auch die restlichen Konten von den Schulen eingerichtet werden, teilt das Bildungsministerium mit.
Digitales Lernen muss sicherer werden
„Die Pandemie hat die Schule und das Lernen auf den Kopf gestellt“, sagt Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), die am Donnerstag im Bildungsausschuss des Landtags über den Schulstart unter Corona-Bedingungen berichten wird. Digitale Medien hätten in den vergangenen Monaten eine immer größere Rolle gespielt. „Jetzt gilt es, die Digitalisierung von Schule und Bildung weiter voran zu bringen“, so Ernst.
Das fordert auch Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge. Das sichere digitale Lernen müsse angesichts der zu erwartenden Homeschooling-Phasen im neuen Schuljahr ausgebaut werden, hatte sie im Juni gesagt. Insbesondere die Schul-Cloud spiele dabei eine wichtige Rolle. Vorausgegangen waren wie berichtet Beschwerden von Eltern über mögliche Datenschutzverstöße von Lehrern zu Beginn des Distanzlernens. Es ging etwa um die Nutzung verschiedener Videokonferenzsysteme, Lernplattformen und Messenger-Dienste, beispielsweise die Frage, ob Lehrer per Whatsapp oder Zoom mit ihren Schülern kommunizieren dürfen und dafür vorher immer die Zustimmung der Eltern eingeholt wurde.
Die Meldungen über mögliche Verstöße von Lehrern seien noch nicht alle abgearbeitet, da diese in den Ferien schwer zu erreichen gewesen wären, sagte Hartge am Mittwoch den PNN. Sie betonte erneut, dass es nicht ihre Absicht sei, Bußgelder gegen Lehrer zu verhängen: „Das wäre kontraproduktiv.“ Die Lehrer hätten mit Kreativität und Engagement dazu beitragen, die Schwierigkeiten des eingeschränkten Schulbetriebs zu meistern. Nun müsse das Land dafür aber entsprechendes Knowhow bereitzustellen – wie etwa die vom Potsdamer Hasso-Plattner-Institut (HPI) entwickelte Schul-Cloud, eine digitale Lern- und Arbeitsplattform, auf die Lehrer und Schüler ortsunabhängig zugreifen können.
Angebote für die Schule
Angesichts der Corona-Pandemie sei die Pilotierung der Cloud kurzfristig ausgeweitet worden, so das Bildungsministerium. „Eigentlich wollten in diesem Schuljahr rund 100 Schulen die Schul-Cloud nutzen, es werden aber 500 sein“, so Ministerin Ernst. Stand 31. Juli arbeiteten 403 Brandenburger Schulen – davon 370 in öffentlicher und 33 in freier Trägerschaft – sowie die drei Studienseminare des Landes mit der Cloud. Knapp 100 weitere Schulen sollen im Laufe des Schuljahres folgen. Die Schul-Cloud sei zudem um ein Videokonferenztool (BigBlueButton) erweitert worden. Außerdem biete das Ministerium den Schulen künftig zwei verschiedene Messenger-Dienste an. Die Schulen können dann wählen zwischen dem Untis-Messenger mit Landeslizenz, der sich an einigen Schulen bereits bewährt habe, und dem in der Brandenburger Schul-Cloud avisierten Messenger. Über diese Möglichkeiten wolle man sich nun regelmäßig austauschen. Im Juni fand das erste Fachgespräch „Lernen mit digitalen Medien“ mit Praktikern und Lehrerverbänden statt – übertragen per Live-Stream auf der Internetseite des Ministeriums.
Manchen Familien fehlt die Technik
Doch was nutzt die Expertise, wenn sie bei den Kindern nicht ankommt, Schüler zu Hause nicht über die nötige Technik verfügen? Lehrerverbände und Opposition hatten während der Schulschließungen nicht nur konstatiert, dass viele Lehrer mit dem Homeschooling überfordert seien, vielfach würden Schüler, gerade aus ärmeren Familien, nicht erreicht. Auch die mitregierende SPD ist sich des Problems bewusst. „Es gibt Schülerinnen und Schüler, die nicht nur kein Tablet haben“, sagte SPD-Fraktionschef Erik Stohn Mitte Juni während einer Debatte im Brandenburger Landtag. „Sie werden auch in den nächsten Monaten und Jahren kein Geld haben, um sich eines zu kaufen.“ Mit den Stimmen aller Fraktionen außer den Freien Wählern, die sich enthielten, beschloss der Landtag vor der Sommerpause ein „Aktionsprogramm zur digitalen Bildung“: Die rot-schwarz-grüne Landesregierung solle sich für eine bessere technische Ausstattung der Schulen einsetzen.
Der Bund hat wegen der Corona-Pandemie den Digitalpakt Schule – ein Förderprogramm zur Schulausstattung aus dem Brandenburg bis 2024 rund 151 Millionen Euro erhält – um ein Sofortprogramm in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro erweitert. Mit den Zusatzmitteln sollen in erster Linie mobile Endgeräte für Schüler angeschafft werden, die zu Hause keine haben. Brandenburg stehen dafür 16,8 Millionen Euro zur Verfügung. Die Geräte sollen von den Schulträgern beschafft und dann an die Schüler ausgeliehen werden.
Eine Kommune wird selbst aktiv
Kleinmachnow etwa habe schon gemeldet, welche Schüler Bedarf haben, sagt Gemeindesprecherin Martina Bellack. Heißt aber: Wenn in den nächsten Tagen Schulen in Brandenburg wegen Corona geschlossen werden müssten, würden viele Schüler zu Hause wieder ohne Laptop dastehen. Denn für die Umsetzung dieser Zusatzvereinbarung muss im Bildungsministerium erst eine Förderrichtlinie erarbeitet werden. Damit sei man derzeit beschäftigt. Noch im ersten Schulhalbjahr sollen die Geräte dann zur Verfügung stehen.
Manchen Kommunen dauert das zu lange. So hat die Stadt Beelitz für ihre Schulen 50 Netbooks gekauft, die vor allem für den Unterricht in den eigenen vier Wänden genutzt werden sollen. „Da bei uns in diesem Sommer alle größeren Veranstaltungen ausfallen müssen, haben wir Kulturmittel frei, die wir hierfür hervorragend einsetzen können“, so Bürgermeister Bernhard Knuth (UKB).
(mit sas)