Mangel an Schutzmaterial: Brandenburger Arztpraxen droht die Schließung
Zugesagte Lieferungen kommen nicht an oder enthalten das Falsche: Mediziner in Brandenburger sind in der Coronakrise am Limit.
Potsdam - Es gibt Ärzte, sagt Peter Noack, die wüssten sich nicht mehr anders zu helfen, als mit aufgesetztem Motorradhelm Corona-Abstriche zu nehmen. Die Situation der Brandenburger Mediziner wäre mangels Material in etwa so, als würde man die Feuerwehr nackt in ein brennendes Haus schicken. Was der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), selbst Facharzt für Chirurgie in Cottbus, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Potsdam, schildert, ist dramatisch: Weil den mehr als 4200 niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten im Land die Schutzkleidung zur Verhinderung einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus fehle, drohe Arztpraxen in Brandenburg die Schließung.
Nur OP-Masken wurden geliefert
„Wenn die Ware nicht bald kommt, werden Praxen schließen“, so Noack. Dann könne die ambulante Versorgung der Brandenburger nicht mehr garantiert werden. Eine erste, vom Bund organisierte Lieferung ist zwar am Wochenende in Brandenburg eingetroffen. Doch statt der zugesagten Anzahl hochwertiger Schutzmasken mit Spezialfilter seien bislang fast ausschließlich OP-Masken geliefert worden. Diese schützten, genauso wie selbstgenähte Masken, nicht vor einer Infektion, sondern könnten allenfalls verhindern, dass ein bereits Infizierter andere ansteckt, weil Tröpfchen beim Husten oder Niesen im Stoff aufgefangen werden.
Insgesamt 188 000 Operationsmasken, 51 600 Paar Handschuhe, 850 Pflegekittel, 2840 Atemschutzmasken der Schutzklasse FFP2 und 960 der Kategorie FFP3 sowie 500 Liter Handdesinfektionsmittel waren in der Lieferung enthalten. Diese werden in einer bewachten Halle zwischengelagert und dann mit Hilfe der Polizei verteilt – das reicht nicht lange. Dabei seien die niedergelassenen Ärzte „der Schutzwall“ in der Coronakrise, hier kämen die Patienten zuerst an.
Von der Hand in den Mund
Und nicht nur das. 50 Abstrichstellen gibt es mittlerweile in Brandenburg, 38 von ihnen liefen nur unter wesentlicher Mitwirkung niedergelassener Ärzte, sagt Noack. Wenn kein Material mehr vorhanden sei, müssten Patienten mit Verdacht auf eine Corona-Infektion abgewiesen werden. Schließlich stünde der Schutz des medizinischen Personals an erster Stelle, die sich auch um die Versorgung der Patienten in häuslicher Isolation und andere Krankheiten kümmern müssten. „Wir leben hier von der Hand in den Mund, aber diese Hand ist leer“, sagt KVBB-Vize Andreas Schwark, Allgemeinmediziner aus Bernau (Barnim). KVBB-Chef Noack wiederholt deshalb seine Forderung, dass der Staat Masken beschlagnahmen müsse, die auf dem freien Markt, etwa bei Baumärkten und Supermarktketten zu horrenden Preisen noch angeboten würden.
Mehr als 40 Leute sind im Krisenstab der KVBB rund um die Uhr damit beschäftigt, selbst Material zu organisieren, obwohl das gar nicht die originäre Aufgabe der Vereinigung sei, sagt KVBB-Vize Holger Rostek. Am 21. März war wie berichtet eine erste, vom Land und der KVBB bestellte Lieferung aus Südamerika in Potsdam eingetroffen, die mit Hilfe des Roten Kreuzes zunächst an die Abstrichstellen verteilt wurde. Bezahlt hat die Lieferung der 55 000 Atemschutzmasken die KVBB. Die Kosten: immens.
Die Preise für Schutzmasken variieren stark
Etwa fünf Euro habe eine Maske gekostet, so Rostek. Die Preise variierten derzeit zwischen drei und acht Euro pro Maske, vor Corona waren sie für 50 Cent zu haben. „Das ist gerade Wildwest“, sagt Rostek. In China, wo ein Großteil des Materials produziert werde, sei die Lage chaotisch. So war am Dienstag eigentlich ein Flugzeug in Leipzig erwartet worden, das auch eine Lieferung für Brandenburg enthalten sollte. Wie sich herausstellte, wurde die Lieferung in ein anderes Flugzeug gepackt – und kam so nie bei den Brandenburger Ärzten an.
Wie viele von ihnen sich selbst mit dem Virus infiziert haben, weiß Peter Noack nicht. Wer kann, versuche derzeit die Technik für Videosprechstunden zu installieren. Andreas Schwark nennt ein anderes Beispiel aus Schwedt: Dort arbeiteten polnische Kollegen in der Radiologie. Weil sie nun wegen der polnischen Quarantäne-Anordnung nicht in die Brandenburger Praxis könnten, böten sie nun Teleradiologie an und werten Röntgenbilder im Homeoffice aus.
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