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Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), warnt vor "übertriebenen Ängsten".
© Soeren Stache/dpa

Coronavirus: Brandenburg kriegt langsam die Krise

Nach dem Nachweis des ersten Coronafalls in der Mark sind sechs Klinikmitarbeiter in Quarantäne. Gesundheitsministerin Nonnemacher warnt aber vor „übertriebenen Ängsten“.

Potsdam - Oberhavels Amtsarzt Christian Schulze weiß aus erster Hand, wie ein Corona-Test abläuft. Der Mediziner hat sich selbst einem Test unterzogen, einen Nasen-Rachen-Abstrich machen lassen. Denn Schulze ist erst seit Montag wieder im Dienst. Zuvor war er, wie er am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Potsdamer Gesundheitsministerium auf Nachfrage bestätigte, verreist. Nach Südtirol. Mit dem Zug. Ausgerechnet. „Mir geht es gut“, betont der Mann, der nun in Oberhavel den Ausbruch des Coronavirus managen muss. Der Test sei reine Prophylaxe. Dennoch: Beim Stichwort Südtirol schrillen die Alarmglocken. Brandenburgs erster Coronafall, ein 51-jähriger Mann aus Hohen Neuendorf, war ebenfalls erst am Freitag vom Skiurlaub zurückgekehrt. Aus Südtirol.

Entwarnung beim Tropical Islands, aber Positiv-Test in Hohen Neuendorf

Der Mann habe gemeinsam mit seiner Ehefrau und einem befreundeten Paar aus Berlin Urlaub in Italien gemacht, schildert Oberhavel-Landrat Ludger Weskamp (SPD) am Dienstag den Fall, der am Montagabend vom Gesundheitsministerium bekanntgegeben wurde. Aufregung am Abend, nachdem zuvor für Brandenburg noch Entwarnung gegeben werden konnte: Alle 104 Tests von Mitarbeitern des Freizeitresorts Tropical Islands in Dahme-Spreewald, die Kontakt zu einem infizierten Badegast aus Nordrhein-Westfalen gehabt haben könnten, fielen wie berichtet negativ aus.

Anders bei dem 51-Jährigen aus Hohen Neuendorf. Der Mann war mit Fieber und grippalen Symptomen per Privat-Pkw zur Rettungsstelle in Hennigsdorf gekommen, nachdem er zuerst im Klinikum Birkenwerder vorstellig geworden war, erklärt Landrat Weskamp. Die Hennigsdorfer Klinik sei besser auf solche Fälle eingestellt, deswegen sei der Mann dorthin geschickt worden. In Hennigsdorf wurde er dann auf den neuartigen Erreger Sars-CoV-2 positiv getestet.

Veranstaltungen mit mehr als 500 Besuchern sollen absagt werden

„Es geht ihm den Umständen entsprechend gut“, so Amtsarzt Christian Schulze. Im Moment sei das Gesundheitsamt des Kreises dabei, alle Kontaktpersonen zu identifizieren. Eine Behandlung in einem Klinikum sei derzeit nicht nötig, der Mann befinde sich in häuslicher Quarantäne, sein Zustand sei stabil. Insgesamt sechs Klinikmitarbeiter aus beiden Standorten, die mit dem Mann in Kontakt gekommen sind, sowie die Ehefrau des 51-Jährigen sind ebenfalls in häuslicher Quarantäne. Der Reiseweg des Mannes sowie auch seine Aufenthaltsorte nach der Rückkehr seien bereits recherchiert worden, sagte Amtsarzt Christian Schulze. „Jetzt kommt es darauf an, die Infektionskette schnellstmöglich zu unterbrechen.“

Der Landkreis rät, Großveranstaltungen mit mehr als 500 Teilnehmern abzusagen, und hat zudem eine Hotline eingerichtet (Tel.: 03301 601 39 00). Bis zu acht Personen nehmen dort nach Angaben der Kreisverwaltung montags bis freitags von 8 bis 15 Uhr Anrufe entgegen.

Ministerin Nonnemacher: "Das ist nicht Ebola."

Also alles im Griff? Das sei so, betont Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), früher selbst Klinikärztin, und wiederholt auch bei dieser Pressekonferenz ihr in den vergangenen Tagen immer wieder benutztes Corona-Mantra: „Das ist nicht Ebola.“ 85 Prozent der Erkrankten hätten eher leichte Symptome, so Nonnemacher. „Wir sollten Corona ernst nehmen, ich warne aber auch vor übertriebenen Ängsten.“

Man müsse auch in Brandenburg mit weiteren Fällen rechnen, klar, von einer Krise wolle sie aber noch nicht sprechen. Deswegen ist auch der Krisenstab des Landesbislang nur in Vorbereitung, aber noch nicht im Einsatz. Vergangenen Donnerstag wurde wie berichtet lediglich ein Einsatzstab unter Leitung von Gesundheitsstaatssekretär Michael Ranft ins Leben gerufen, der alle Maßnahmen im Kampf gegen Corona koordiniert. Am morgigen Donnerstag wird eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Gesundheits-, Innen- und Bildungsministerium sowie der Staatskanzlei über die Lage beraten, die am Nachmittag bei einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Landtag geschildert wird. Am Freitag schließlich treffen sich in Potsdam auf Einladung des Gesundheitsministeriums die Gesundheitsdezernenten der Landkreise und kreisfreien Städte.

Menschen mit Corona-Verdacht sollen ihren Hausarzt anrufen 

Aber was passiert – leichte Krankheitsverläufe, Gespräche und Treffen hin oder her – wenn sich das Virus rasant weiter ausbreitet, teils ohnehin unter Personalmangel leidende Rettungsstellen nicht ausreichend besetzt sind, weil Mitarbeiter wie in Oberhavel in Quarantäne müssen? So weit, sagt Nonnemacher, dürfte es gar nicht kommen. Eigentlich. Weil Patienten, die befürchten, sich infiziert zu haben, nicht die Rettungsstellen aufsuchen sollten, schon gar nicht unangekündigt. „Menschen, die Erkältungssymptome, Husten und Fieber haben und in einem Risikogebiet waren oder Kontakt mit gesichert Infizierten hatten, sollen unbedingt zuhause bleiben und sich unverzüglich telefonisch mit ihrem Hausarzt in Verbindung setzen“, erklärt die Ministerin.

Ärztekammer warnt vor Überforderung der Hausärzte

Viele Hausärzte allerdings sehen sich überfordert. Zahlreiche Praxen „seien von ihrer Kapazität her nicht in der Lage, jeden Schnupfen und jeden Husten zu behandeln und bei mutmaßlichen Verdachtsmomenten abzuklären, ob es sich um eine Infektion mit dem Corona-Virus handelt oder nicht“, sagt Burkhard Ruppert, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. Brandenburger Ärzte – und abgewiesene Patienten – schildern Ähnliches. Am heutigen Mittwoch nun sollen Ärzte bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Brandenburger Gesundheitsministeriums, der Landesärztekammer und der Landeskrankenhausgesellschaft über den Umgang mit dem Coronavirus informiert werden.

Aber nicht nur bei der Unterstützung von Hausärzten gibt es offenbar noch Nachholbedarf. Auch die Laborkapazitäten waren bislang nicht ausreichend, wie sich bei der Untersuchung der Tropical-Islands-Mitarbeiter gezeigt hat: Die Tests, die an die Berliner Charité geschickt wurden, waren erst am Montag, einen Tag später als erwartet, ausgewertet. Auch im Fall des Mannes aus Hohen Neuendorf habe man auf das Ergebnis länger warten müssen, so Amtsarzt Schulze. Seit Dienstag können Brandenburgs Gesundheitsbehörden nun zusätzliche Labore nutzen, so Nonnemacher. Neben der Berliner Charité und dem Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus stehe nun auch ein akkreditiertes Labor in Frankfurt (Oder) zur Verfügung. „Mit weiteren privaten Anbietern von Laborleistungen laufen derzeit Gespräche“, sagt Nonnemacher. Vielleicht bekommt auch Amtsarzt Schulze dann schneller sein eigenes Testergebnis.

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