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Annalena Baerbock bei der digitalen Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen am Samstag.
© Kay Nietfeld/dpa
Update

Brandenburger Grüne: Baerbock zur Spitzenkandidatin gewählt

Annalena Baerbock ist unangefochtene Spitzenkandidatin der märkischen Grünen. Wird die Potsdamerin auch Kanzlerkandidatin?

Potsdam - Annalena Baerbock hat Brandenburg im Rücken. Viele Bäume, Spreewald, sind auf dem Plakat zu sehen, das hinter ihr in der Potsdamer Schinkelhalle hängt. Dazu der Slogan, der ein bisschen an den früheren Werbespruch des japanischen Autoherstellers Toyota erinnert: „Alles ist möglich“ – statt „nichts ist unmöglich“. Möglich ist es, dass Annalena Baerbock am Montag zur Kanzlerkandidatin der Grünen ernannt wird. Buchmacher sehen die Potsdamerin vorn, wie die Plattform Wettbasis analysiert hat. Demnach liegt Baerbock mit einer Wahrscheinlichkeit von 13 Prozent vor ihrem Grünen Co-Bundesvorsitzenden Robert Habeck. In Brandenburg jedenfalls ist Baerbock schon einmal Nummer eins. 

Zwei Tage vor Bekanntgabe der Grünen-Kanzlerkandidatur bekommt die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock starken Rückhalt durch ihren Brandenburger Landesverband. Bei einer digitalen Delegiertenversammlung wurde die 40-jährige Baerbock am Samstagnachmittag mit deutlicher Mehrheit auf Platz eins der Landesliste und damit zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl im September gewählt. Für sie, die aus Hannover stammt, aber seit vielen Jahren mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Potsdam lebt, stimmten 106 Delegierte bei einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen. Gegenkandidaten hatte Baerbock nicht. 

Die K-Frage klärt sich am Montag 

Bei ihrer fünfminütigen Bewerbungsrede, aus der Schinkelhalle zu den Delegierten übertragen, geht Baerbock nicht auf die Grüne K-Frage ein, die intern schon entschieden, aber noch nicht veröffentlicht ist, sondern betont, dass Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen werden müssten. Kinder, Schwächere, das medizinische Personal müssten mehr in den Fokus genommen, der Zusammenhalt im Land gestärkt werden. Mit der Bundestagswahl „endet eine politische Epoche und eine neue Zeit beginnt“, sagt Baerbock. 
Auch wenn klar sein dürfte, dass der Großteil der Brandenburger Basis naturgemäß auf die frühere Landesvorsitzende Baerbock als Kanzlerkandidatin hofft, drückt sich die aktuelle märkische Grünen-Chefin Julia Schmidt, die mit Alexandra Pichl den Landesverband in einer Doppelspitze führt, diplomatisch aus. „Natürlich haben wir zwei, die es können“, sagt sie in ihrer Rede. „Liebe Annalena, lieber Robert, egal wie die Entscheidung ausgeht – wir stehen hinter euch!“ Brandenburgs Grüner Umweltminister Axel Vogel hingegen sagt in seiner Rede zum Leitantrag für Klimapolitik – ohne das Binnen-I gendergerecht zu betonen: „Wir brauchen eine Klimakanzlerin.“ 

Baerbock will erstes Direktmandat im Osten 

Sollte die Entscheidung am Montag auf Baerbock fallen, wird es in Potsdam einen bundesweit beachteten Showdown geben: SPD-Kanzlerkandidat, Finanzminister Olaf Scholz, tritt ebenfalls im Wahlkreis 61 an, zu dem neben der Landeshauptstadt auch Teile der Kreise Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming zählen. 2017 holte die heutige Brandenburger Kulturministerin Manja Schüle als einzige Kandidatin der SPD in allen ostdeutschen Flächenländern das Direktmandat. Baerbock, die zum zweiten Mal für den Bundestag kandidierte und über die Landesliste einzog, kam nur auf acht Prozent. Doch nun sind die Brandenburger Grünen auch angesichts des Bundestrends im Aufwind. „In diesem Jahr ist alles möglich, in diesem Jahr ist alles drin“, sagt Baerbock. Sie wolle das erste Grüne Direktmandat im Osten seit 30 Jahren gewinnen.  Nicht nur das: Die märkischen Grünen, die mit Baerbock bislang nur eine Abgeordnete im Bundestag haben, hoffen auf zwei weitere Mandate. Auf Platz 2 wurde Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner gewählt, der gegen mehrere weitere Bewerber antrat und sich im zweiten Wahlgang durchsetzte. Auf Platz 3 wurde die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Teltow, Anna Emmendörfer (Grüne Jugend) gewählt. Sie setzte sich überraschend bereits im ersten Wahlgang gegen die frühere Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky aus der Lausitz durch. 

Wahlkampf hat die Koalition erreicht 

Bei der Landtagswahl 2019 waren die Grünen mit 10,8 Prozent erstmals zweistellig, regieren nun in einer Kenia-Koalition mit. Dort knirscht es vor allem mit der SPD. Diese habe trotz Corona den Schalter Richtung Wahlkampf umgelegt, sagt Grünen-Landeschefin Schmidt. „Seit Wochen werden die Angriffe immer härter.“ 
Vor allem die Grüne Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher steht in der Bewältigung der Pandemie unter Druck. So wurde das Impfmanagement auf Drängen von Ministerpräsident Dietmar Woidke von Nonnemacher abgezogen und dem Innenministerium unter Michael Stübgen (CDU) zugeschlagen. Als Nonnemacher beim Tagesordnungspunkt „Dringlichkeitsantrag Corona“, der unter anderem einen Zuschlag für HartzIV-Empfänger vorsieht, zu den Delegierten spricht und die bundesweite Notbremse verteidigt, wabern Herzchen und Sonnenblumen über die Bildschirme, der virtuelle Applaus. 
Bei der CDU schmerzten sie Aussagen wie die von CDU-Fraktionschef Jan Redmann, der sich dafür ausspreche, nach Afghanistan abzuschieben, sagt Schmidt – ohne zu erwähnen, dass die Grünen das in der Regierung unlängst mitgetragen haben. 

Kritik an der Linken 

Am härtesten aber geht Schmidt mit den oppositionellen Linken ins Gericht. Nach der Landtagswahl hätte zunächst viel für Rot-Rot-Grün gesprochen, so Schmidt. Aber nun habe sich die Linke als möglicher Koalitionspartner „vollkommen disqualifizierst“, die Angriffe von Linksfraktionschef Sebastian Walter würden „immer populistischer“, sie sei davon in der Krise „nur noch enttäuscht“.  Auch am Samstag sehen die Grünen schwarz, wie die Co-Landesvorsitzende Alexandra Pichl sagt. Sie meint das dunkle Objektiv der Videokamera, in das die Redner vor Ort in Potsdam für die Übertragung ins Wohnzimmer der Delegierten sprechen. Aber vielleicht meint sie auch mehr. Aus Sicht vieler märkischer Grüner ist Grün-Schwarz im Bund – am liebsten mit einer Kanzlerin Baerbock – jedenfalls keine vollkommen abwegige Variante. 

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Hintergrund: Wahlkreis 61

Neben der Grünen-Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock und dem SPD-Kanzlerkandidaten, Finanzminister Olaf Scholz, treten im Wahlkreis 61 teils weitere zumindest in der Region bekannte Bewerber an: Für die CDU kandidiert erneut die Landtags- und Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig, für die FDP die Brandenburger Landesvorsitzende und frühere Generalsekretärin im Bund, Linda Teuteberg, die Linke schickt erneut den Bundestagsabgeordneten Norbert Müller ins Rennen. Die AfD nominierte den Drehbuchautoren Tim Krause. Als Parteiunabhängige tritt die Klimaaktivistin Lu Yen Roloff an. 

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