Nach Kalbitz-Rauswurf: AfD steht vor einer Zerreißprobe
Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz wird wegen seiner rechtsextremen Verbindungen aus der Partei ausgeschlossen. In Ostdeutschland bekommt er Solidarität, andere sehen in ihm nur "die Spitze des Eisberges" und fordern weitere Konsequenzen.
Berlin - Nach dem Rauswurf von Andreas Kalbitz aus der AfD steht die Partei vor einer Zerreißprobe. In den Ost-Landesverbänden erklärten sich Anhänger mit Kalbitz solidarisch. Parteichef Jörg Meuthen dagegen verteidigte sein Vorgehen, er habe viel Zustimmung, aber auch wütende Ablehnung erhalten. Alexander Gauland, Co-Chef der Bundestagsfraktion, dagegen erneuerte seine Zweifel.
Kalbitz will juristische Schritte einleiten
In Brandenburg, wo Kalbitz seine Machtbasis hat, versuchen seine engsten Vertrauten die Reihen zu schließen. Seine Stellvertreter in Landespartei und Landtagsfraktion, aber auch Kreisverbände und Abgeordnete solidarisieren sich mit ihm. Kalbitz ist jetzt nicht mehr Landeschef: Der Bundesvorstand, in dem er seit 2017 saß, hat seine Mitgliedschaft am Freitag (15.05.2020) wegen verschwiegener Mitgliedschaften in rechtsextremen Organisationen für nichtig erklärt.
Kalbitz, dessen rechtsextremistische Verstrickungen schon zuvor belegt waren, will kämpfen. Er rief seine Anhänger zum Zusammenhalt auf und bat sie, nicht aus der AfD auszutreten. Am Dienstag will er sich in der Landtagsfraktion wieder zur Wahl stellen. Gauland, sein politischer Ziehvater, brachte ins Spiel, dass Kalbitz die juristische Klärung abwartet. Wichtige Positionen in der Landtagsfraktion sind mit Vertrauten besetzt, von Kalbitz straff geführt, ebenso in Partei. Unter seiner Führung wurde die AfD bei der Landtagswahl mit einem Stimmenanteil von 23,5 Prozent zweitstärkste Kraft in Brandenburg hinter der SPD. Kalbitz ist in der AfD in Brandenburg, im Osten ein Schwergewicht.
Mitglied der HDJ und der Republikaner
Gegen den von Meuthen mit sieben zu fünf Stimmen durchgesetzten Beschluss des Bundesvorstands will Kalbitz klagen. Er war im März aufgefordert worden, frühere Mitgliedschaften offenzulegen. Zuvor hatte der Bundesverfassungsschutz den von Kalbitz und Björn Höcke aus Thüringen gesteuerten „Flügel“ als rechtsextremistisch eingestuft und festgehalten, dass Kalbitz über Jahre Mitglied bei der militanten, 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ war. Der „Flügel“ wurde aufgelöst und Kalbitz erklärte dem Bundesvorstand nun, dass er bei der HDJ auf einer Interessenten- und Kontaktliste gestanden haben könnte.
Die knappe Vortandsmehrheit entschied: Kalbitz habe die HDJ-Mitgliedschaft verschwiegen, ebenso, dass er in den 90er-Jahren Republikaner-Mitglied war. Beide stehen auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Kalbitz argumentierte stets, dass es die Liste bei seinem Eintritt im März 2013 nicht gab und nur aktive Mitgliedschaften angegeben werden mussten.
Vorstandsvotum belegt, wie weit die Partei "nazifiziert ist"
Gauland sagte, er habe stets gewusst, dass Kalbitz einst bei den Republikanern war. Der Bundesvorstand wäre gut beraten gewesen, das Ergebnis einer Klage von Kalbitz gegen den Verfassungsschutz zur HDJ-Mitgliedschaft abzuwarten. Kalbitz verlangt Auskunft zur Mitgliederliste. Der Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann aus Magdeburg schrieb auf Facebook: „Meuthen & Co. unterlaufen rechtsstaatliche Prinzipien, um einen verdienten Parteifreund auszuschließen.“
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), forderte, die AfD müsse sich von weiteren Politikern trennen. Kalbitz sei „nur die Spitze des Eisberges“, sagte Maier dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Potsdamer Extremismusforscher Gideon Botsch dagegen sagte, in jeder demokratischen Partei wäre solch ein Beschluss selbstverständlich gewesen. Die knappe Mehrheit für satzungsgemäß zwingende Konsequenzen zeige, wie weit die Partei „nazifiziert ist“. mit dpa