Landespolitik: AfD-Fraktion hält an verurteiltem Abgeordneten fest
Der Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete Jan-Ulrich Weiß soll bis zur Rechtskraft des Urteils wegen Steuerhinterziehung im Landtag bleiben.
Potsdam - Die AfD-Fraktion im Landtag hält trotz zunächst anderer Bekundungen an ihrem wegen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall verurteilten Abgeordneten Jan-Ulrich Weiß fest. „Wir warten das rechtskräftige Urteil ab“, erklärte Fraktionschef Andreas Kalbitz am Dienstag. Weiß hatte Revision eingelegt und bestreitet die Tat. Erst wenn der Bundesgerichtshof das erstinstanzliche Urteil bestätige, könne Weiß nicht mehr Mitglied des Landtags sein, so Kalbitz. In diesem Fall wäre dem AfD-Politiker aber nach dem Urteil des Landgerichts Neuruppin vom vergangenen Freitag sowieso für drei Jahre das Recht aberkannt, öffentliche Ämter zu bekleiden oder Rechte aus Wahlen auszuüben.
Vor einer Woche hatte der Fraktionschef noch das Gegenteil angekündigt
Genau vor einer Woche hatte Kalbitz, gleicher Ort, gleiche Zeit, gleicher Platz im Pressekonferenzraumes im Landtag, das Gegenteil angekündigt. Auf die PNN-Frage, ob die Fraktion bei einer Verurteilung von Weiß noch die Entscheidungen der nächsten Instanz abwarte, hatte Kalbitz so formuliert: „Wir werden natürlich aus politischen Gründen, aber ich will da nichts präjudizieren, nicht abwarten können. Das Weiter-So-Durchhalten bis zu einer Entscheidung durch ein Bundesgericht – das geht natürlich nicht.“
Auf die Frage, was den Sinneswandel bewirkte, antwortete Kalbitz ausweichend. Hat sich Weiß geweigert, sein Mandat niederzulegen und damit auf Diäten in Höhe von rund 8000 Euro monatlich zu verzichten? „Jemanden zu bedrängen, bis er von selbst geht – so geht das bei uns nicht“, erklärte Kalbitz. Man werde sich auch nicht von anderen treiben lassen. „Wir haben ihm empfohlen, sich in der politischen Außenwirkung zurückzunehmen“, so Kalbitz. Seine fachlich-politische Arbeit in den Ausschüssen werde Weiß natürlich wahrnehmen.
Weiß ist Nachrücker für Alexander Gauland, der in den Bundestag wechselte
Zuvor hatten die SPD- und die Linksfraktion Weiß aufgefordert, sein Mandat, das er im Herbst 2017 als Nachrücker von Alexander Gauland antrat, niederzulegen. Wenn er noch einen Funken Anstand für sich beanspruche, sei kein anderer Schritt möglich, sagte SPD-Fraktionschef Mike Bischoff. Falls Weiß das nicht mache, müsse ihn die Fraktion ausschließen. Es gehe nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern im Kern um ein Vergehen an den Bürgern. Der Fall sei eine „Schande“ für die AfD. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Björn Lüttmann, erklärte: „Die politische Doppelmoral der AfD ist empörend für alle Brandenburger, die ehrlich ihre Steuern zahlen.“ Die AfD, die immer wieder eine angeblich zu nachlässige Reaktion des Staates auf Rechtsverstöße beklage, biete selbst einem verurteilten Straftäter Unterschlupf in ihrer Fraktion.
Linksfraktionschef Ralf Christoffers sagte, er glaube nicht, dass der Politiker Weiß noch irgendeine Form von Akzeptanz im Parlament erfahren werde. Er hoffe auf ein schnelles, endgültiges Urteil. Aber bis der Bundesgerichtshof zu einem Urteil kommt, kann einige Zeit vergehen – womöglich ist die Legislatur dann schon vorbei. Die nächste Landtagswahl ist im Herbst 2019.
Kritik aus den anderen Fraktionen
„Die AfD-Fraktion versucht, sich über die Zeit zu retten“, konstatierte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. „Aber bei Weiß ist das Maß voll.“ Der Kreischef der AfD in der Uckermark stand schon einmal nach einem antisemitischen Facebook-Post wegen Volksverhetzung vor Gericht, wurde aber freigesprochen. Das Urteil des Landgerichts Neuruppin sei vergleichsweise milde, ergänzte Vogel und erinnerte an den Richterspruch gegen den früheren Schatzmeister der Brandenburger Grünen, Christian Goetjes, der 2012 nicht mit einer Bewährungsstrafe davonkam, sondern wegen der Veruntreuung von rund 270 000 Euro aus der Parteikasse zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.
Juristisch gelte zwar bis zu einem rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Jan Redmann. Die politische Bewertung sei aber eine andere. Die AfD müsse selbst die Normen erfülle, die sie auch andere anlege. So kritisierte die AfD vergangenen Oktober das „milde Urteil“ des Potsdamer Landgerichts gegen den ehemaligen Linken-Abgeordneten Peer Jürgens. Dieser wurde wegen Betrugs mit Fahrtkosten- und Mietzuschüssen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt. Es sei nicht mehr hinnehmbar, dass die Linksfraktion Jürgens weiter als Bildungsreferenten beschäftigte, sagte damals der AfD-Rechtspolitiker Thomas Jung. (mit thm, dpa)
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