Potsdamer Geoforscher testen Wärmespeicherung: Bohren mit Barbara
Potsdamer Geoforscher testen in Berlin, Sommerhitze unterirdisch für den Winter zu speichern - und Winterkälte für heiße Räume in den Sommermonaten zu nutzen. Das Geoforschungszentrum treibt dieses nachhaltige Prinzip der Energieversorgung voran. Das Verfahren hat in ihren Augen ein großes Potenzial.
Potsdam/Berlin - Im Winter mit Sommerwärme heizen? Kein Problem für Geoforscher. Saisonale Wärmespeicherung im Untergrund heißt das Verfahren. In porösen, wasserführende Gesteinsschichten, sogenannten Aquiferen, kann überschüssige Wärme oder auch Kälte gespeichert werden – und bei Bedarf dann die Wohnung heizen. Und im Sommer kann die gespeicherte Winterkälte die Räume wiederum kühlen. Das Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ) treibt dieses nachhaltige Prinzip der Energieversorgung aktuell mit einem Forschungsprojekt in der Bundeshauptstadt voran.
Dazu wurde nun eine Forschungsbohrung auf dem Campus der TU Berlin in Charlottenburg gesetzt. Von ihr erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über den Berliner Untergrund. Erstmals sind die großen Bohrgeräte mit faseroptischen Leitungen versehen, die in Echtzeit Daten aus dem Untergrund liefern können. Informationen über die Beschaffenheit des Bodens, über die Bodentemperatur über dessen Zusammensetzung, gelangen gleichzeitig mit der Bohrung zu den Messgeräten der Wissenschaftler. Sie ergänzen die bis zu 100 Meter langen Bohrkerne und Gesteinsproben, die Auskunft über die Berliner Unterwelt geben. Bis zu 500 Meter in die Tiefe geht es mit dem Bohrer. Ernst Huenges vom Potsdamer GFZ schaut interessiert auf das 4,5 Tonnen schwere Gerät. Mit dem Bohrer wird eine halbe Million Euro im Berliner Untergrund versenkt. Die neue geothermische Versuchsanlage entsteht unmittelbar neben der Bibliothek der Universität der Künste.
Eignen sich die Gesteinsschichten in Charlottenburg, um Wärme zu speichern?
„Wir haben hier keine konkrete Nutzung geplant, das ist reine Forschung“, erklärt Huenges. Mit der Bohrung werde erst einmal untersucht, wie und ob sich die Gesteinsschichten in Charlottenburg überhaupt eignen, um Wärme für oberirdische Gebäude mit einer Wärmetauschanlage zu speichern und damit zur Deckung des Bedarfs für die Gebäude der Universität oder anderer umliegender Gebäude beizutragen. „Es geht darum, das Konzept der Energiewende erst einmal in den Köpfen der Leute und auch der Politiker zu verankern“, so Huenges. Entscheidend sei nicht die einzelne Wärmepumpe, die einzelne Solaranlage oder das allein stehende Windrad, sondern der Mix und die Kombination all der verschiedenen Elemente. Alles zusammen könne schließlich zur erfolgreichen Energiewende beitragen.
Die Bohrung selbst sei technisch kein besonderes Problem. „Da bewegt sich nichts. Das Erdreich wird nicht rutschen“, beteuert auch der Projektleiter Ali Saadat. Schwieriger sei es, ein flächendeckendes überzeugendes Konzept für die Nutzung der verschiedenen Energiequellen zu erstellen. Dazu könne das Gemeinschaftsexperiment von GFZ, Technischer Universität und Universität der Künste einen Beitrag leisten.
In tieferen Schichten steigt die Erdwärme
Nachdem der Bohrer in die Tiefe vorgedrungen ist, werden Metallröhren in das entstandene Bohrloch versenkt. Durch diese gelangt Wasser in unterirdische Gesteinsschichten. In den tieferen Schichten der Erde, näher zum Erdkern hin, steigt die Erdwärme. Das machen sich die Wissenschaftler mit ihrem Konzept zunutze. Sie pumpen aus unterirdischen Salzwasserspeichern Wasser im Sommer an die Oberfläche, erhitzen es dort – etwa auch durch überflüssige Wärme von im Sommer aufgeheizten Gebäuden – und leiten es dann wieder hinunter in tiefer gelegene Schichten, um dort die Wärme für den Winter zu speichern. Hat sich dann die Temperatur an der Erdoberfläche abgekühlt, wird das immer noch warme Wasser an die Oberfläche gepumpt. Dieses Wärmetauschkonzept ist nicht neu, sondern wird schon seit mehr als 16 Jahren für die Wärmeversorgung des Reichstages mittels Aquiferspeichern genutzt. Durch verschiedene Gesteinsschichten hindurch gelangt das Wasser in eine Tiefe, in der eine natürliche Bodentemperatur von ungefähr 19 Grad herrscht. Zuvor wurde die Wassertemperatur durch ein Blockheizkraftwerk auf ungefähr 60 bis 70 Grad erhitzt.
Wo immer überschüssige Wärme anfällt, beispielsweise bei der Stromproduktion im Sommer, kann diese für die Winter unterirdisch gespeichert werden – anstatt diese Energie einfach in die Luft zu pusten. Entscheidend ist es, so tief zu bohren, dass Grundwasserschichten bei der Speicherung des Wassers nicht berührt werden und isolierende Tonschichten über den Salzwasserkammern des erhitzten Wasser liegen. Im Winter wird dann das immer noch 35 bis 60 Grad warme Wasser wieder an die Oberfläche gepumpt und hier ins Heiznetz der Gebäude eingeleitet. Auf diese Weise wird das Parlamentsgebäude bereits zu zehn Prozent mit der im Erdreich zwischengelagerten Wasserwärme versorgt. Mit den gegenwärtigen Speichern sei es möglich, fünf bis zehn Gigawattstunden zu speichern, so Huenges. Eine Stadt wie Berlin würde aber einen Speicherbedarf von insgesamt rund 35 Terrawattstunden haben.
Der Berliner Boden wird erkundet
Eine entscheidende Schwierigkeit der gegenwärtigen Nutzung von Aquiferspeichern bestehe darin, dass es genaues Wissen über die Beschaffenheit des Bodens unter Berlin eigentlich nicht ausreichend gibt. Das Projekt dient daher zunächst einmal der Erkundung des Untergrundes. Es soll Klarheit darüber geschaffen werden, wie viel Kapazitäten für eine Wärmespeicherung überhaupt zur Verfügung stehen. Dies sei dann auch die Voraussetzung für den Aufbau eines entsprechenden Wärmenetzes.
„Der Anteil der regenerativen Energien an der Energieversorgung muss schrittweise erhöht werden“, sagt Huenges. Letztlich sei es möglich, in eine Tiefe von bis zu vier Kilometern vorzudringen und damit auch noch eine deutlich größere Bodenwärme zu nutzen. Auch in der Schorfheide hat das GFZ eine Probeanlage für eine Tiefenbohrung installiert, die allerdings der Stromerzeugung dient. Derzeit steht der Betrieb still, weil das Forschungszentrum an einem Konzept für einen neuen Förderantrag arbeitet.
Begleitet wird das Bohrvorhaben in Berlin von der heiligen Barbara. Die Schutzheilige der Bergleute steht als schwergewichtige Bronzefigur bei der Bohrstelle. „Auf einen Segen von höherer Stelle wollten wir nicht ganz verzichten“, so GFZ-Sprecher Franz J. Ossing. (mit Jan Kixmüller)
Richard Rabensaat
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