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Dr. Ernst Huenges leitet die Probebohrung des GFZ, mit der Energie aus der Tiefe der Erde angezapft wird
In Potsdam beschäftigen sich zahlreiche Forscher mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Sie arbeiten am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), aber auch bei den Geoforschern, den Polarforschern, den Agrarforschern oder an den Hochschulen. Die PNN stellen die Forscher mit ihren aktuellen Erkenntnissen, ihren Prognosen und auch Ratschlägen vor. Heute: Der Geologe Ernst Huenges vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ).
Herr Dr. Huenges, sie bohren tief in die Erde, um dort Erdwärme als Energiequelle zu erschließen. Eine unerschöpfliche Quelle?
Nach menschlichem Ermessen ist die Geothermie unerschöpflich. Der Anteil an heißem Wasser aus der Erdtiefe, der durch Menschen potenziell genutzt werden kann, wird in den Reservoirs keine Temperaturveränderung hervorrufen. Ich würde es vergleichen mit einem Meerwasserschwimmbecken, für das man etwas Wasser aus dem Meer entnimmt: das merkt man im Meer nicht.
Dann haben wir also kein Energieproblem mehr?
So einfach ist es nicht. Der Aufwand die Erdwärme zu gewinnen ist enorm, es bedarf Hochtechnologie, die wir erst noch entwickeln müssen. Daher betreibt das GFZ derzeit eine Probebohrung in Groß Schönebeck. Wir haben den Auftrag, die Technologie bereit zu stellen. Erst dann sind wir in der Lage, sukzessive Energie zu gewinnen. Die Gewinnung der Erdwärme, insbesondere von Strom daraus, ist zur Zeit noch unwirtschaftlich. Der Aufwand der Bohrung, Förderung und Wandlung ist sehr groß. Wir brauchen noch ausgereifte Technologien, um das Verfahren ökonomischer zu machen, damit es wettbewerbsfähig wird.
Ist die Geothermie in der Zukunft eine Alternative zu Kohle, Öl und Gas?
Definitiv ja. Wenn wir die Technologie dazu entwickelt haben. Das ist nun unser Job.
Wo ist der Haken?
Wir brauchen 1:1-Experimente, um weiter zu kommen. Das lässt sich nicht einfach am Schreibtisch lösen. Das Verfahren ist weitaus komplexer als etwa bei Windkraftanlagen. Wir müssen die Bohrungen vornehmen, um zu sehen, wo es Einsparpotenziale gibt. Wir müssen in den Heißwasserreservoirs die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ausreichend Wärme entzogen werden kann. Das muss in ein Gesamtsystem integriert werden.
Wie tief bohren Sie in Groß Schönebeck?
Wir haben dort zwei Bohrungen, die über 4000 Meter tief reichen. Dort unten haben wir eine Gesteinsschicht aufgeschlossen, die heißes Wasser enthält. Nun versuchen wir Wegsamkeiten durch dieses Wasserreservoir zu legen. In den vergangenen Wochen hatten wir massive Experimente dazu, die ausgesprochen erfolgreich verlaufen sind. Wir testen nun das hydraulische Ergebnis, dann können wir sagen, ob wir damit in die Wirtschaftlichkeit gelangt sind.
Wie gehen Sie unter Tage vor?
Wir haben Wasser gegen einen Druck am Bohrlochkopf von maximal 580 Bar mit bis zu 150 Liter pro Sekunde in die Tiefe gepresst, um das Gestein zu brechen. Es war eine erhebliche Menge Wasser: 14 Millionen Liter! In die frischen Risse haben wir dabei über 200 Tonnen Stützmittel eingebracht. Das sind erstaunliche Mengen, denn das Bohrloch hat unten nur einen Durchmesser von rund 15 Zentimetern.
Ein erheblicher Aufwand.
Es handelt sich um ein Großexperiment. Die Bohrungen sind sehr kostspielig. Wir wollen die Wegsamkeiten so gut ausbauen, dass sehr viel heißes Wasser dort hinaus fließt. Dazu müssen wir Risse erzeugen und diese gut abzustützen.
Wie geht es dann weiter?
Das heiße Wasser kommt mit rund 150 Grad oben aus dem Bohrloch, es kann genutzt werde und wird abgekühlt wieder hinuntergeschickt. Derzeit kommt das Wasser von alleine hoch, da wir zuvor starken Druck erzeugt hatten. Im Dauerbetrieb muss das Wasser allerdings hoch gepumpt werden.
Findet sich dieses heiße Wasser überall, sind solche Bohrungen weithin denkbar?
Wir machen unser Experiment eigens in Groß Schönebeck, weil es ein Standort ist, der wiederholbar ist. Es ist ein geologisch eher unauffälliges Gebiet. Solche Bedingungen trifft man an vielen Orten im norddeutschen Becken an, von den Niederlanden bis Polen. Die Erde ist überall ein riesiger Wärmelieferant.
Wie groß ist das Potenzial?
Sehr groß, es ist nahezu überall gegeben. Ein Geothermie-Heizwerk kann Energie für bis zu 1000 Wohnungen liefern. Es gibt Einschätzungen, die sagen, mit Geothermie lasse sich unser gesamter Wärmebedarf decken. Da bin ich vorsichtiger, die Sache ist noch nicht planungssicher. Es ist aber eindeutig eine Zukunftsoption und wir müssen jetzt anfangen, sie zu erschließen.
Hat die Energiewirtschaft schon ihr Interesse angemeldet?
Die Energieversorger kümmern sich darum. Bei unserem Projekt will Vattenfall mit einsteigen, auch viele Stadtwerke fragen nach. Es gibt Gegenden in Deutschland, in denen sich mittlerweile jede Gemeinde ein Geothermie-Heizwerk aufbauen will, etwa im Umfeld von München. Die Betriebskosten der Anlagen sind sehr gering. Der Charme der Geothermie liegt auch darin, dass es eine Grundlastenergie ist, die also nicht von Jahres- oder Tageszeiten abhängig ist wie Sonne oder Wind. Das heiße Wasser ist immer verfügbar. Wenn man es nicht braucht, im Sommer etwa, kann man Strom daraus machen oder die Anlagen einfach abschalten.
Jede Kommune könnte sich ihre Wärme selbst aus der Erde holen?
Mit einem Heizwerk durchaus. Die Anlagen zur Stromerzeugung müssen noch ausgereift werden. Die Heizwerke sind denkbar klein, zwei Bohrlöcher und eine kleine Filteranlage, dann kommt ein Wärmetauscher hinzu, der an das Netzwerk Energie abgibt.
Wieso ist man nicht schon früher auf die Idee gekommen?
Das ist man schon. Gerade hier in den neuen Bundesländern gab es innovative Ansätze. Das erste große Geothermie-Heizwerk wurde zu DDR-Zeiten in Waren, heute in Mecklenburg-Vorpommern, errichtet. Hier im Osten fehlt heute allerdings den Gemeinden das Geld, die hohen Anfangsinvestitionen zu tätigen. Wenn man längerfristig schaut, würde sich das allerdings rechnen. Im Westen wird das viel stärker forciert. Über kurz oder lang wird sich das Verfahren aber überall durchsetzen.
Gibt es eine Beeinträchtigung der Umwelt?
Die Systeme sind geschlossen. Die einzige Öffnung ist unter Tage, und dort wird nur das abgekühlte Wasser heruntergebracht. Das Verfahren ist umweltfreundlich.
Und die Risiken?
Wir erzeugen durch die Wasserinjektion künstliche Erdbeben. Diese sind in der geologischen Umgebung der norddeutschen Tiefebene völlig unbedenklich. Am Rheingraben hingegen, in einer tektonisch gespannten Situation, kann es zu akustischen Belastungen der Bevölkerung kommen. Zu Jahresbeginn hat ein solches indiziertes Beben bei Basel einen lauten Knall ausgelöst. Aber auch hier bestand keine wirkliche Gefährdung.
Gibt es Konkurrenz?
Im Niedertemperaturbereich sind wir führend. In den USA fängt man jetzt an, unser Konzept aufzugreifen, um es etwa in ausgebeuteten Erdöllagerstätten einzusetzen. Unsere Kompetenz wird nun dort nachgefragt.
Wann ist das Verfahren einsetzbar?
Das wird keine zehn Jahre mehr dauern. Wir wollen in Deutschland drei Projekte in den nächsten Jahren anstoßen. Parallel werden an die 20 Anlagen zur Erprobung entstehen. Danach sind wir soweit, vielleicht in sieben Jahren. Jeder große Wärmeanbieter sollte die Geothermie heute mit einbeziehen. Die Geothermie sollte als Standortfaktor gefördert werden. Das sind Potenziale, die beispielsweise hier in Potsdam beim Umbau der Speicherstadt oder auch für das Hallenbad am Brauhausberg genutzt werden können.
Spielt der Klimawandel in Ihrer Forschungsarbeit eine Rolle?
Selbstverständlich. Wir haben die CO2-Bilanz der Technik überprüft. Bei der Errichtung der Anlage wird natürlich Kohlendioxid entstehen. Die Anlage selbst ist bei einer vernünftigen Lebensdauer dann aber sehr CO2-arm. Wenn CO2 das Kriterium ist, würde ich auf Geothermie setzen. Die Wirtschaft und die Politik muss diese Technologie aber auch wollen. Als Forscher liefern wir der Gesellschaft nur Vorschläge und Optionen.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
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