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Für saubere Hände gesorgt. In der MBS-Arena steht schon seit Langem ein Hygieneautomat.
© Andreas Klaer

Coronavirus: Bisher keine Absagen für Sportevents in Potsdam

Das Coronavirus beeinträchtigt weltweit das Sportgeschehen mit Absagen und Verlegungen. Zum Nachteil von vielen Potsdamer Spitzensportler. In Potsdam selbst gibt es keine Absagen. Bisher.

Potsdam - Rolf Kutzmutz hat offenbar wenig Gedanken an Corona. Er wünsche sich, so der Präsident des 1. FFC Turbine Potsdam nach dem jüngsten Heimspiel des Frauenfußball-Bundesligisten, dass zum nächsten Mal jeder Zuschauer noch einen weiteren mitbringt. „Damit wir endlich mal wieder an die 2000er-Marke rankommen“, begründete Kutzmutz seinen Wunsch. Hier hat man also keine Scheu vor einer möglichen Ansteckung mit „Covid 19“.

Ganz im Gegensatz zu anderen Sportveranstaltern: Weltweit werden derzeit wegen des Coronavirus Marathonläufe, Radrennen oder Fußballspiele abgesagt. Ganz in der Nähe könnte es der Berliner Halbmarathon sein, den die SSC Event GmbH cancelt. Deutschlands größter Halbmarathon-Lauf soll eigentlich am 5. April stattfinden. Und ganz aktuell sind die Potsdamer Triathleten Laura Lindemann, Nina Eim und Lasse Lührs betroffen, die ihre internationale Wettkampfsaison beim Auftakt der WM-Serie in Abu Dhabi beginnen wollten – das Rennen am Wochenende wurde verlegt, nachdem in der Region mehrere Neuinfektionen aufgetreten sind.

Auf und in Potsdams Sportarenen geht der Spiel- und Trainingsbetrieb bislang weiter. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat zwar angekündigt, dass in den kommenden Tagen mit der Absage weiterer Großveranstaltungen zu rechnen ist. Doch ab welcher Teilnehmer- und Zuschauerzahl sich eine Großveranstaltung definiert, ist unklar.

Bisher keine Absagen in Potsdam

Während in der Schweiz Sportevents ab 1000 Zuschauer schon vor Tagen rigoros aus dem Wettkampfkalender gestrichen sind oder ohne Publikum stattfinden, wird in Deutschland weiter um Punkte und Titel gekämpft. So auch am Samstag in der MBS-Arena im Potsdamer Luftschiffhafen. Der SC Potsdam hofft bei seinem Spitzenspiel in der Frauenvolleyball-Bundesliga gegen den Schweriner SC auf ein ausverkauftes Haus. Das wären rund 2000 Zuschauer. Die Volleyball-Bundesliga der Frauen ist die publikumsstärkste Frauenliga in Deutschland – während der aktuellen Saison kamen rund 1400 Zuschauer pro Partie. Der Ligaverband VBL trägt bis auf Widerruf alle Begegnungen der 1. und 2. Bundesliga aus. Als Präventivmaßnahmen empfiehlt die VBL das Weglassen des „Handshake“ vor und nach dem Spiel zwischen Mannschaften, Schiedsrichtern und Trainern. Die Entscheidung darüber soll nach Absprache zwischen den Teams und Schiedsrichtern individuell gefällt werden. Beim Spiel des SC Potsdam am vergangenen Dienstag in Vilsbiburg verzichteten die Akteure auf den sportkameradschaftlichen Handschlag.

Eugen Benzel, Teammanager des SCP, erklärt, dass ebenso individuell entschieden wird, ob das obligatorische Abklatschen zwischen Teams und Fans weggelassen wird. „Eine Laola-Welle vor den Fans wäre eine gute Alternative. Wir werden das besprechen.“ Benzel sagt ebenfalls: „In der MBS-Arena werden wir am Eingang eine Desinfektionsstation hinstellen und auf den Toiletten zusätzlich Desinfektionsmittel verteilen. Uns ist wichtig, keine Panik zu machen. Wir wollen aber, dass die Zuschauer merken, dass wir uns mit dem Thema auseinandersetzen und versuchen, den Besuch in der Halle gut möglich zu machen.“

„Allgemeine Hygienemaßnahmen und Verhaltenstipps zur Infektionsprophylaxe“, empfiehlt das Sportministerium generell dem Schul- und Vereinssport. Und das Risiko einer Sportveranstaltung zu bewerten, „ist in erster Linie Aufgabe der Veranstalter in enger Zusammenarbeit mit dem regionalen Gesundheitsamt“, sagt Ulrike Groenfeld, Sprecherin des brandenburgischen Sportministeriums, auf PNN-Anfrage. Ihr Haus ist mit dem Landessportbund Brandenburg (LSB) in engem Kontakt. „Dabei haben der LSB, die Landessportfachverbände und die Stadt- und Kreissportbünde ihre Aufgaben diesbezüglich im Blick, beispielsweise beim Trainings- und Wettkampfbetrieb, Lehrgangsmaßnahmen der Vereine und Verbände sowie Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zum Beispiel an der Europäischen Sportakademie oder im Sport- und Bildungszentrum Lindow“, sagt Groenfeld.

Fragezeichen hinter Olympia in Tokio

Wirkliche Strategien, wie der Sport wirksam präventiv mit dem Coronavirus umgehen soll, gibt es bislang nicht. Dass die Epidemie im Jahr der Olympischen Sommerspiele Einfluss auf die Vorbereitungen des größten Sportfestivals der Welt hat, wird allerdings bereits deutlich. Der Deutsche Kanu-Verband hat kurzfristig ein derzeitiges Frühjahrstrainingslager von Italien nach Portugal verlegt – betroffen ist davon unter anderem der Potsdamer Dreifach-Olympiasieger Sebastian Brendel. Für Laura Lindemann, eine der weltbesten Triathletinnen, fällt die erste internationale Standortbestimmung mit der olympischen Konkurrenz durch die Absage in Abu Dhabi aus. „Das ist schade. Nach sehr guten Trainingsergebnissen hätte sie gern gesehen, wie es läuft“, sagt Daniel Grohmann von Lindemanns Management. Derzeit trainiert die 23-Jährige auf Mauritius. „Und die Frage ist, was in den kommenden Wochen passiert“, so Grohmann. Im Frühjahr plant Lindemann ein Höhentrainingslager in den USA. Und das Fragezeichen hinter Olympia in Tokio wächst mit jeder neuen Infektion. Saburo Kawabuchi, Bürgermeister des Athletendorfs, in dem bis zu 11.000 Sportler während der Spiele wohnen sollen, sagte laut einem Bericht der FAZ, er „hoffe wirklich“, dass die Krankheit „irgendwie“ abklinge, damit die Spiele „reibungslos“ stattfinden könnten.

"Komplizierte Gratwanderung"

Die Experten des Robert-Koch-Instituts sehen „generell in Menschenmengen ein erhöhtes Risiko für eine Ansteckung mit Viren, die die Atmung betreffen“. Ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen sollten dieses Risiko meiden. Sportler sehen sich in dieser Gruppe offenbar nicht. „Je fitter man ist, desto besser arbeitet das Immunsystem“, argumentiert zum Beispiel der Sportmediziner Lutz Graumann in einem Beitrag des „Men’s Health“-Magazins. In Athletenkreisen wird die Absage von Veranstaltungen eher kritisch gesehen. Auf die Überlegungen, den Berliner Halbmarathon, bei dem mehr als 20 000 Teilnehmer an den Start gehen würden, reagieren Läufer in den sozialen Medien eher mit Unverständnis: „Totaler Schwachfug. Einfach nur Panikmache“, schreibt ein User auf Facebook. Eine Hobby-Läuferin schreibt: „Wir Sportler haben doch ein gutes Immunsystem. Wir sollten es durch gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung schützen, dann können doch die Viren unserem Körper nichts anhaben.“

„Es hat nichts damit zu tun, ob eine Sportveranstaltung drinnen oder draußen stattfindet“, erklärte Professor Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn im „Bonner Generalanzeiger“. Um eine Pandemie zu verhindern, sei es durchaus sinnvoll, eine Großveranstaltung da abzusagen, wo es bereits zahlreiche Infektionen gibt oder voraussichtlich geben wird. Bei der Abwägung gehe es darum, die Infektionskette zu durchbrechen, zum anderen habe eine Absage aber auch Auswirkungen auf das soziale Miteinander. Der Mediziner nennt es eine „komplizierte Gratwanderung, die Situation nicht zu überdramatisieren, sie auf der anderen Seite aber auch nicht zu bagatellisieren“.

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