Gewalt gegen Kinder: Besonders viele Fälle psychischer Gewalt in der Coronakrise
Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist in der Corona-Pandemie in Potsdam im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen.
Potsdam - Vor dem Hintergrund des Corona-Lockdowns im Frühjahr hat die Stadt allein von Jahresbeginn bis Anfang Juli 61 bestätigte Fälle von Kindeswohlgefährdung registriert. Das sagte der zuständige Kinderschutzmanager Marco Kelch am Donnerstagabend im Jugendhilfeausschuss. Das sei ein sehr starker Anstieg. Es habe besonders viele Fälle psychischer Gewalt gegeben.
2019 hatte das Jugendamt im gesamten Jahr 64 Fälle von Kindeswohlgefährdung registriert - zehn mehr als 2018 und zwei mehr als 2017. Mit diesen Zahlen hätte die Stadt leicht unter den Durchschnittswerten des Landes Brandenburgs gelegen, so Kelch. Insgesamt seien im vergangenen Jahr 393 Anzeigen eingegangen, wovon in 173 Fällen ein wie auch immer gearteter Hilfebedarf für die Familien eingeschätzt wurde. Auch die Zahl dieser Anzeigen sei in der Zeit des Lockdowns gestiegen, hieß es. Experten hatten bereits gewarnt, dass die Corona-Lage mit geschlossenen Schulen und Kitas zu mehr Konflikten in Familien führen könne.
Vernachlässigung, körperliche und seelische Gewalt
Gemeldet werden solche Fälle zum Beispiel von Nachbarn, aber auch von Schulen, Kinderärzten oder anonym. Bei rund zwei Dritteln der Fälle im vergangenen Jahr sei Vernachlässigung festgestellt worden, in 13 bis 15 Fällen sei es um körperliche oder seelische Gewalt oder beides gegangen. Zudem wurde dreimal sexuelle Gewalt gegen Kinder festgestellt. In der Folge seien neun Kinder und Jugendliche vom Amt in Obhut genommen worden. Fünf Kinder seien in der Psychiatrie aufgenommen worden. Die meisten Fälle habe es im ohnehin dichter besiedelten Süden der Stadt gegeben, heißt es im aktuellen Kinderschutzbericht der Stadt Potsdam. Und: „In der Altersgruppe 6 bis unter 10 Jahren war die Anzahl der bestätigten Fälle mit 24 Kindern am Höchsten.“
Als Ziele für dieses und nächstes Jahr werden in dem Bericht unter anderem mehr Fachkräfte für den Bereich Jugendhilfe angekündigt, aber auch für die Mitarbeiter eine 24-Stunden-Rufbereitschaft und eine Hotline Kinderschutz. Ferner wolle man eine erste Inobhutnahmestelle für stark beeinträchtigte Kinder und Jugendliche schaffen, sagte Kelch. Dazu sei man im Gespräch mit potentiellen Trägern und dem Land Brandenburg.