Finanznot der Stadt Potsdam: Beschlüsse der Kommunalpolitik auf der langen Bank
Eigentlich hatten die Stadtverordneten ein Familienbüro beschlossen, eine Fahrradstaffel und einen Anbau für das Potsdam Museum. Was daraus wird, ist offen - aus Kostengründen wegen der Corona-Folgen.
Potsdam - Wegen der sich abzeichnenden Geldnot im Potsdamer Haushalt werden diverse Beschlüsse der gewählten Stadtverordneten aus den vergangenen Jahren wohl absehbar nicht umgesetzt werden können. Betroffen sind besonders Projekte der rot-grün-roten Rathauskooperation. Die PNN nennen aktuelle Beispiele.
Das Familienbüro
Eigentlich hat die Stadtpolitik schon vor einem Jahr ein Familienbüro als zusätzliches Hilfsangebot für überforderte oder allzu gestresste Eltern beschlossen. Doch die Umsetzung lässt auf sich warten, die Finanzierung ist ungewiss. Das geht aus einer aktuellen Mitteilung des Rathauses an die Stadtverordneten hervor. Die Finanzierung sei im Haushalt des Dezernats von Jugenddezernentin Noosha Aubel (parteilos) bisher nicht enthalten, so die Verwaltung. Die Umsetzung müsse "in Bezug auf die Gesamthaushaltslage und der kritischen Würdigung aller pflichtigen sowie freiwilligen Aufgaben/Leistungen" in dem Dezernat "abgewogen werden".
Ob so ein Büro also schnell eröffnet werden kann, ist ungewiss - möglicherweise droht ein Scheitern der Pläne. Wie berichtet muss Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) gerade einen Sparkurs vorbereiten: Unter anderem wegen einbrechender Steuereinnahmen im Zuge von Corona, aber auch sinkender Landeszuwendungen und dem nötigen Millionenzuschuss der Stadt gegen eine finanzielle Schieflage im Klinikum "Ernst von Bergmann". Daher hatte die Rathausspitze bereits den Kurs ausgegeben, dass kaum mehr zusätzliche Wünsche finanziert werden können.
Der Beschluss für ein Familienbüro war auf Antrag von Linken und SPD im Juni vor einem Jahr gefällt worden. Gefordert war eine "niedrigschwellige Serviceeinrichtung" für Familien, "in welcher eine persönliche Informationsweitergabe mit bedarfsgerechter, zielgerichteter Vermittlung zu den Trägern und Angeboten stattfindet". Auch Aubels Dezernat räumt einen "hohen Orientierungsbedarf für Familien" ein, der sich in der Corona-Pandemie noch zugespitzt habe.
Doch so eine zentrale Anlaufstelle hätte ihren Preis. Für ein Büro in der Innenstadt müsse man nach einer ersten Schätzung von mehr als 4500 Euro pro Monat für Miete sowie Betriebskosten ausgehen. Das wären also mindestens 54.000 Euro pro Jahr - plus rund 2,5 Mitarbeiter:innen-Stellen, die das Rathaus extra bezahlen müsste.
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Konkret beschreibt Aubels Ressort, was ein Familienbüro leisten könnte. In einer ersten Phase wäre das Büro dafür da, dass Familien mit Hilfebedarf beraten und bei Bedarf an bestimmte Träger vermittelt werden. Nachfolgend könnten dort auch andere Familienangebote angedockt werden, so das Dezernat - etwa den Kita-Beratungsservice im Rathaus. Allerdings ist die Umsetzung ungewiss.
Die Fahrradstaffel
Im März hatten die Stadtverordneten auf Antrag des rot-grün-roten Bündnisses auch die Einführung einer Fahrradstaffel des Ordnungsamtes gefordert, die die Freihaltung der Rad- und Fußwege kontrolliert und sichert. Dies wird bereits in anderen Städten praktiziert. Doch insgesamt würden dafür jährlich rund 334.000 Euro benötigt, weil sechs neue Mitarbeiter eingestellte werden müssten. Das hat das Dezernat von Ordnungsdezernentin Brigitte Meier (SPD) jetzt mitgeteilt. Dazu geht das Rathaus von einmaligen Anschaffungskosten für E-Bikes und Kleidung in Höhe von 41.000 Euro aus. "Angesichts der finanziellen Folgen aus der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Haushaltssituation wird derzeit keine Möglichkeit zur Einführung einer Fahrradstaffel auf der Basis der Schaffung zusätzlicher Stellen gesehen", so das Rathaus in der Erklärung. Man prüfe aber die stufenweise Einführung einer Fahrradstaffel, etwa die Ausstattung vorhandener Dienstkräfte mit Fahrrädern.
Diverse Millionenlöcher
Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte in den vergangenen mehrere Hiobsbotschaften zur Finanzlage der Stadt hinnehmen müssen. Sorgen machen dabei nicht nur die einbrechenden Steuereinnahmen, sondern auch vom Land verfügte Senkungen der Kommunalzuschüsse. Dazu kommt der Anspruch der Stadt, die Rückkehr zum Tarifsystems des öffentlichen Diensts am Bergmann-Klinikum mitzufinanzieren. All dies verursacht Mehrkosten in Millionenhöhe, die die Stadt zunächst aus Rücklagen oder mit Krediten, etwa für neue Schulbauten, begleichen muss.
Allein für das Klinikum soll es nächstes Jahr acht Millionen Euro aus dem kommunalen Haushalt geben - zwei Millionen Euro davon trägt der Sozial- und Ordnungsbereich von Dezernentin Brigitte Meier (SPD), drei Millionen die übrigen vier Fachbereiche und weitere drei Millionen kommen aus Rücklagen. Daher sollen laut Rathaus freiwillige Aufgaben in den Bereichen Sport, Kultur oder Marketing auf den Prüfstand. Ebenso ist die Reduzierung von Standards bei Pflichtaufgaben der Stadt im Gespräch, etwa im Bildungsbereich.
Zugleich hatte Rathauschef Schubert erst diese Woche seine Pläne vorgestellt, den maroden Verwaltungscampus an der Hegelallee zu sanieren und einen neuen Zweitstandort der Stadtverwaltung in Zentrum-Ost oder in der Teltower Vorstadt zu installieren - Kostenpunkt mindestens 100 Millionen Euro. Vom Tisch ist allerdings ein komplett neuer Campus im Potsdamer Süden, wie noch 2019 angedacht.
Millionen für Kitabeiträge?
Ein weiterer Beschluss, der potenziell viele Millionen Euro kosten könnte, wäre die von der Politik angestrebte Rückkehr zu einheitlichen Kita-Beiträgen. Diese wären aber laut Stadt nur zulässig, sofern diese sich am niedrigsten Höchstelternbeitrag der Träger orientieren. Sie müssten also billiger werden, was Mehrkosten bei der Stadt verursachen würde. Eine Variantenprüfung mit Kostenschätzungen wird gerade im Rathaus erstellt und soll im August vorliegen, teilte Dezernentin Aubel jüngst den Stadtverordneten mit.
Kein Anbau für das Museum
Ein Wackelkandidat ist auch die gerade von den Linken forcierte Erweiterung des Potsdam Museums. Ein Anbau - Schätzkosten: 13,7 Millionen Euro - sei „auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich hierbei um eine Umsetzung im freiwilligen Bereich handelt, auf absehbare Zeit nicht abbildbar“, hatte das Rathaus dazu erklärt. Auch die Alternative, für mehr als eine Million Euro zusätzliche Räume für das Museum im neuen Kreativquartier am Turm der Garnisonkirche anzumieten und Personal zu stellen, hatte das Rathaus als aktuell nicht machbar bezeichnet. Die Linken wollen mittels eines Antrags gerade die Ansiedlung in dem Kunstkiez vorantreiben. Darüber beraten die Stadtverordneten in den kommenden Wochen in den Ausschüssen.
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