Studiokino Defa-70 in Potsdam: Bald kann man das DDR-Kino wieder besuchen
In der DDR war das Studiokino Defa-70 technisch der neueste Schrei. Nun soll das durch Rotor Film aufgerüstete Kino wieder für das Publikum zugänglich werden.
Potsdam - Wenn Marcel Fink, Mitarbeiter von Rotor Film, eine Soundcollage im Defa-70 abspielt, dann vermischen sich zwar Filmmelodien und Geräusche, aber dennoch lassen sie sich getrennt voneinander wahrnehmen. Vogelgezwitscher von vorne, ein Donnern von rechts, ein Dröhnen von links. Dann legt sich plötzlich ein Herzschlag über die anderen Sounds, pulsiert gemeinsam mit einem Sternenhimmel, der auf der Leinwand langsam zu einer goldenen Masse verschwimmt. Der Kinobesucher darf sich fühlen wie in einem Ballon, der von Klangwolke zu Klangwolke schwebt. Dazu gibt es Lichter, etwa rosige, blaue und orangefarbene, die an den Wänden des Kinosaals von hinten gen Leinwand blitzen. 30 000 LEDs sind im Saal verbaut worden.
Gebaut, um Filme zu bearbeiten
Das Defa-70-Kino wurde einst in den Filmstudios Babelsberg erbaut, um dort Filme nachzubearbeiten – und um den Potsdamern die neueste Kinotechnik zu präsentieren. 1965 wurde das Kino eröffnet. Unter der Woche wurde in dem Studiokino in der August-Bebel-Straße an Bild und Ton gearbeitet, am Wochenende sollte die Potsdamer Bevölkerung den Saal nutzen – so war die Auflage, die durch die DDR erteilt worden war. „Hauptmann Florian von der Mühle“ aus dem Jahr 1968 war der erste von acht 70-Millimeter-Filmen, die im Defa-70 produziert wurden – daher der Name. Und der hatte Erfolg. Die Filme waren damals der neueste Schrei. „Die DDR brauchte eben ein Pendant zu den amerikanischen Kinos“, erklärt Holger Lehmann, Geschäftsführer von Rotor Film. Die Postproduktionsfirma nutzt die Arbeitsräume in dem alten Kino seit 2011. Denn irgendwann blieben die Erfolge aus. Als dann auch noch die Wochenendgäste ausblieben, musste das Kino 2001 schließen.
Mit der verbauten Technik hören sich Filme wie reale Situationen an
2015 ließ Rotor Film das 430 Quadratmeter große Studiokino für seine Postproduktion modernisieren. Die komplette Akustik sollte verändert werden. „Wir mussten uns bis zu den Grundmauern vorarbeiten“, erzählt Lehmann. Zwei Millionen Euro habe die Renovierung gekostet. Der Kinoraum wurde komplett neu gestaltet. Erhalten blieb der Aufbau der Bühne samt ihrer Stufen. Und auch die Decke mit ihren Lamellen konnte so bleiben, wie sie war. Die Sitze wurden restauriert und wieder eingebaut. Die Kinotechnik IMAX macht Projektionen mit einer 4K-Auflösung möglich. Außerdem sorgt die Kombination aus verschiedenen Sound-Techniksystemen dafür, dass sich Filme anhören wie reale Situationen. 70 Meyer-Sound-Lautsprecher befinden sich im Kinosaal – 2015 seien dies die anspruchvollsten gewesen, die es auf dem Markt gab, so Lehmann. „Europaweit hat kein Kino eine Technik wie diese“, sagt der 42-Jährige. Und weltweit habe es vor drei Jahren gerade mal eine Handvoll gegeben, jetzt gebe es vielleicht zehn.
Lehmann möchte, dass das ehemalige Kino in Zukunft auch wieder der früheren Berufung nachkommt – und für das Publikum zugänglich wird: Die brandneue Technik im Kinosaal soll künftig nicht mehr ausschließlich der Nachbearbeitung von Filmen dienen. Auch Hörspiele, Konzerte und Lesungen sollen zukünftig im Defa-70 stattfinden und das Kino wieder für ein Publikum öffnen. Der erste Termin: Die Berliner Band Cats&Breakkies, bekannt für eine Mischung aus Jazz und Techno, gibt am 1. Dezember ein Record-Release-Konzert für ihre zweite Platte.
Rotor Film arbeitete an der Serie "Deutschland 83" mit
Lehmann hat nicht weit von seinem jetzigen Standort, an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, studiert, sein Diplom machte er im Studiengang „Tonmeister für audiovisuelle Medien“. Im Jahr 2011 tat er sich dann mit Martin Frühmorgen zusammen, um Rotor Film zu gründen. Heute hat die Postproduktionsfirma 22 feste Mitarbeiter und rund 50 freie Mitarbeiter. Die meisten Kollegen kämen auch von der Filmuni, erzählt Lehmann. Rotor Film arbeitete etwa an der achtteiligen Serie „Deutschland 83“ oder an der Krankenhausserie „Charité“. Der Film „The Square“, der ebenfalls von der Potsdamer Firma gemischt wurde, erhielt 2017 die Goldene Palme bei den Filmfestspielen von Cannes.
„Man wächst Schritt für Schritt mit jedem Projekt“, sagt Lehmann. So sei er vor drei Jahren auf die Idee gekommen, das Defa-70 derart umfangreich umbauen zu lassen. Heute könne er sagen, dass sich im Defa-70 modernste Kinotechnik und Kinogeschichte vereinen. „Wir wollen diese Welt hinter dem Film den Leuten zeigen“, sagt Lehmann. Genau das sei der Grund dafür, dass er die Türen des Kinos nun öffnen will. Seit Kurzem vermietet die Postproduktionsfirma den Raum mit 200 Sitzplätzen außerdem als Veranstaltungsort, so Lehmann. Aber sie würden eben nicht nur Firmen, sondern vor allem Potsdamer ansprechen wollen.
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