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Fussballer des SV Babelsberg 03 liefern Tafel-Lebensmittel an Bedürftige aus.
© Ottmar Winter PNN

Nulldrei unterstützt Potsdamer Tafel: Babelsberger Kicker liefern Lebensmittel vor die Tür

Die Ausgabestelle der Tafel in der Drewitzer Straße ist wegen der Coronakrise geschlossen. Jetzt liefern Mitarbeiter des Lindenparks und Fußballer des SV Babelsberg 03 die Lebensmittel aus.

Potsdam - Es ist ein fast unglaublicher Service, wenn er auch aus der Not heraus geboren ist: Seit Dienstag liefert die Potsdamer Tafel Bürgern der Landeshauptstadt, die sich mit Arbeitslosengeld II, kleinen Renten oder geringen Einkommen durchschlagen müssen, Lebensmittel einmal wöchentlich kostenlos vor die Tür. Bisher haben sie die Waren in der Ausgabestelle der Tafel an der Drewitzer Straße 22 abgeholt und dafür zwei Euro pro Tüte bezahlt – während der Corona-Zeit sind die Lieferungen sogar kostenlos.

Tafel schließt Ausgabestelle, lässt stattdessen liefern

Die Tafel hat sich dazu entschlossen, die Ausgabestelle ab dem heutigen Mittwoch zu schließen, um ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter und Kunden besser vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. Geöffnet werden soll die Stelle erst wieder, wenn die Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden. Bezahlen sollen die Empfänger der gelieferten Waren in dieser Zeit nichts, damit ein unnötiger Kontakt mit den Expediteuren vermieden wird. „Viele unserer Kunden wollen am liebsten trotzdem etwas bezahlen, weil sie unsere Arbeit auch jetzt unterstützen möchten”, sagte Imke Eisenblätter, Leiterin der Tafel, den PNN.

Tafelchefin Imke Eisenblätter bestückt mit vielen Ehrenamtlern die Tüten mit Lebensmitteln.
Tafelchefin Imke Eisenblätter bestückt mit vielen Ehrenamtlern die Tüten mit Lebensmitteln.
© Ottmar Winter PNN

Der Bringservice wurde möglich, weil Mitarbeiter des Lindenparks und der Mannschaft des Fußballregionalligisten SV Babelsberg 03 ihre Hilfe und Fahrzeuge anboten, um die Lebensmitteltüten an die Bewohner von 300 Haushalten auszuliefern. Ein Vorteil am Rande: Weil keine Autos mit dem Logo der Tafel vorfahren, erkennen Nachbarn der Bedürftigen nicht, wer die Ware bringt. Die Lindenpark-Leute entschlossen sich, die Tafel mit einem Fahrservice zu unterstützen, weil sie ihre Arbeit im größten soziokulturellen Zentrum der Stadt wegen der Corona-Pandemie jetzt ruhen lassen müssen und diese zeitlichen Freiräume für die Hilfe Bedürftiger nutzen wollen. Sie veranstalten sonst unter anderem Live-Konzerte, fördern Nachwuchskünstler, organisieren Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche und laden zu Lesungen ein.

Neben den Kickern des Regionalligisten SV Babelsberg 03 (Bild) unterstützen auch Mitarbeiter des Lindenparks die Lieferungen.
Neben den Kickern des Regionalligisten SV Babelsberg 03 (Bild) unterstützen auch Mitarbeiter des Lindenparks die Lieferungen.
© Ottmar Winter PNN

Vom SV Babelsberg fuhren Philip Saalbach, Sven Reimann, Dimitrios Komnos, Leonard Koch, Tom Nattermann und Alexander Siebeck mit ihrem Mannschaftsbus vor. „Wir dürfen im Moment ja nur einzeln trainieren und haben uns in einem Chat darüber unterhalten, wie wir am besten in Potsdam helfen könnten”, erzählte Saalbach, der Mannschaftskapitän und Innenverteidiger der Kiezkicker, den PNN. Die Initiative kommt gut an. Tafel-Leiterin Eisenblätter berichtete über die Vorfreude einiger Kunden, als sie erfuhren, dass sie Besuch von den Sportlern und von Lindenpark-Mitarbeitern bekommen würden: „Die waren regelrecht begeistert darüber, dass ihnen die besten Fußballer der Stadt und Mitarbeiter des Lindenparks Lebensmittel bringen.” Was geschehe sei „eine große Gemeinschaftsleistung der Potsdamer Bevölkerung, von Unternehmen und der Stadt.”

50 Tonnen Lebensmittel werden pro Monat verteilt

Woche für Woche verteilt die Tafel Lebensmittel aus Spenden großer Supermarktketten und von lokalen Händlern wie dem Potsdamer Bio-Bäcker Fahland Lebensmittel an Mitbürger, deren Einkommen am Existenzminimum liegt, 50 Tonnen kommen Monat für Monat zusammen. Das Verfallsdatum der Ware ist nicht abgelaufen, zum Teil überlassen Märkte wie Lidl sogenannte Überhänge aus ihren Zentrallagern, die von den Filialen nicht abgerufen wurden. Die Qualität ist stets gut, Freiwillige der Tafel sortierten auch am Dienstag allzu braune Bananen aus und stellten die Tüten zusammen. Mitunter finden sich auch kulinarische Leckerbissen darunter: Steaks, Bratwürste und Mett vom hornlosen schottischen Gallowayrind etwa.

Aber auch was die Kunden der Tafel am Dienstag vor ihren Türen vorfanden, dürfte sie erfreut haben. Frisches Brot und frische Brötchen, Bananen, ein Granatapfel, Kartoffeln, Champignons, Brokkoli, Tomaten, Osterhasen und Tafelschokolade in der großen Papiertüte, frisches Rinder-Carpaccio, eine Sushi-Box, frische Sahne, Mettwurst, Mortadella, Schnitzel, Würstchen, Salate und Butter in der Kühltüte.

150 Ehrenamtler engagieren sich in Potsdam für die Tafel

Lebensmittel gibt es in Deutschland im Überfluss. Die Potsdamer Tafel ist eine von mehr als 940 in der Bundesrepublik, in denen über 60 000 ehrenamtliche Helfer regelmäßig rund 1,6 Millionen Bedürftige versorgen. 30 Prozent sind Kinder und Jugendliche, rund 26 Prozent Senioren und 44 Prozent Erwachsene im erwerbsfähigen Alter. In Potsdam sammeln gut 150 Ehrenamtliche von Montag bis Sonnabend Lebensmittel ein, sortieren sie und bereiten sie für die Auslieferung an ihre Kunden vor. Der Verein lebt ausschließlich von Lebensmittel- und Geldspenden.

Einen Lieferservice hatte die Stadt wie berichtet vergangene Woche auch für bedürftige Potsdamer Kinder eingerichtet, die vor der Corona-Zeit in Kitas und Schulen mit kostenlosem Mittagessen versorgt wurden. 1000 Mädchen und Jungen in gut 500 Haushalten erhalten derzeit ein warmes Essen – und dazu ebenfalls eine Tüte mit Lebensmittelspenden der Tafel.

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