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Der Vorsitzende der Geschäftsführung des Klinikums "Ernst von Bergmann" Steffen Grebner.
© Andreas Klaer
Update

Corona-Affäre in Potsdam: Aufsichtsrat: Klinikchefs unverzüglich beurlauben

Erste Konsequenzen nach dem Ausbruch des Sars-CoV-2-Virus im Potsdamer Bergmann-Klinikum mit zahlreichen toten Patienten. Eine Untersuchungskommission soll Fehler und Verantwortungen klären.

Potsdam - In der Potsdamer Corona-Affäre um einen schweren Virusausbruch im Klinikum "Ernst von Bergmann" soll die zweiköpfige Geschäftsführung des kommunalen Krankenhauses mit sofortiger Wirkung beurlaubt werden. Das hat der Aufsichtsrat des Potsdamer Klinikums "Ernst von Bergmann" nach PNN-Informationen auf Vorschlag von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Dienstag mit deutlicher Mehrheit empfohlen. Eine Untersuchungskommission soll zudem die Verantwortung des Vorsitzenden der Geschäftsführung Steffen Grebner und der medizinischen Geschäftsführerin Dorothea Fischer für Versäumnisse und Fehler bei dem Coronaausbruch klären. Am Mittwoch (22.4.) soll der Hauptausschuss der Stadtverordneten zu diesem Votum beraten und ebenfalls eine Empfehlung beschließen. 

"Die Andere" kündigt Dringlichkeitsantrag an

Bislang will die Fraktion Die Andere einen Dringlichkeitsantrag zur sofortigen Abberufung der Geschäftsführung stellen. Dazu könnte der Hauptausschuss mit einem Mehrheitsvotum den Gesellschafter auffordern. Als alleiniger Gesellschaftervertreter entscheidet letztlich der Oberbürgermeister jedoch allein über die Maßnahmen.

Dem Vernehmen nach wollte Schubert die Beurlaubung der medizinischen Geschäftsführerin Fischer vermeiden; sie ist als Geschäftsführerin erst seit wenigen Monaten im Amt. Der Aufsichtsrat sieht jedoch nach PNN-Informationen eine Gesamtverantwortung der Klinikleitung. Als Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe kann sie jedoch trotz Beurlaubung weiterarbeiten. Der Aufsichtsrat hat zwölf Mitglieder aus der Stadtpolitik sowie aus dem Unternehmen, er wird geführt von der Gesundheitsbeigeordneten Brigitte Meier (SPD). Das Votum für die sofortige Beurlaubung fiel mit sieben Ja- und vier Nein-Stimmen bei einer Enthaltung. 

Abfindung vermeiden?

Die nun beschlossene sechsmonatige Beurlaubung bei vollen Bezügen hat nach PNN-Informationen vor allem für die Stadt arbeitsrechtliche Vorzüge: So könne eine Beurlaubung ohne Begründung und mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden. Fiele die Entscheidung zugunsten einer fristlosen Kündigung und sofortigen Abberufung, könnte das für die Stadt womöglich teurer werden, weil vermutlich eine Abfindung fällig wäre. Begründungen wie Vertrauensverlust und Verfehlungen könnten juristisch angegriffen und ausgefochten werden. Im Angesicht einer monatelangen Untersuchung durch Experten sollte dies wesentlich schwerer fallen, was eine Abfindungszahlung ersparen könnte. 

In der Villa Bergmann an der Berliner Straße tagt der Aufsichtsrat des Klinikum "Ernst von Bergmann".
In der Villa Bergmann an der Berliner Straße tagt der Aufsichtsrat des Klinikum "Ernst von Bergmann".
© Ottmar Winter

Aufnahmestopp wie lange noch?

Das Bergmann-Klinikum befindet sich in einer schweren Krise. Die Geschäftsführung hatte knapp vier Wochen nach dem Corona-Ausbruch und 39 verstorbenen Patienten seit dem 26. März Versäumnisse eingeräumt und Aufklärung versprochen. Dies konnte in der Stadtpolitik jedoch kaum überzeugen. Gleichzeitig wächst der Druck, den Ausbruch in den Griff zu bekommen, um das Krankenhaus wieder in Betrieb nehmen zu können. Seit 1. April gilt ein Aufnahme- und Verlegungsstopp, das Haus wird in drei Bereiche für Corona-Infizierte, Verdachtsfälle und Nicht-Infizierte geteilt.

Ein Teil der leitenden Ärzte hatte Grebner und Fischer vor der Aufsichtsratssitzung das Vertrauen ausgesprochen, ein entsprechendes Schreiben wurde jedoch im Vergleich zu einer Entwurfsfassung entschärft. Dort war zuvor die Rede davon, dass es keine Versäumnisse gegeben habe. Gegen drei leitende Ärzte führt das Gesundheitsamt Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz; gegen die Geschäftsführung werden Verfahren wegen des Verdachts des Organisationsverschuldens geführt. Die Staatsanwaltschaft hat die Verfahren übertragen bekommen und prüft weiterhin, ob Ermittlungen aufgenommen werden müssen.

Neuer Chefarzt für Hygiene

Unterdessen hat das Klinikum eine neuen externen Experten für das Ausbruchsmanagement gefunden: Seit Dienstag um 15 Uhr stehe Andreas Knaust zur Verfügung, teilte das Klinikum am Dienstag mit. Knaust sei der Leiter Diagnostik Mikrobiologie des "Labor Berlin" sowie Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin sowie für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Zuvor hatte die zunächst verpflichtete Expertin Dr. Sigrid Baumgarte ohne Angaben von Gründen ihre Tätigkeit im Potsdamer Krisenstab niedergelegt.

Das "Labor Berlin" ist sei Kooperationspartner des Klinikums; so sei es möglich gewesen, kurzfristig diese Unterstützung zu erhalten. Knaust kennt das Klinikum zudem aus eigener Tätigkeit: Er sei als Chefarzt Mikrobiologie und Krankenhaushygiene bis Ende September 2017 im Klinikum beschäftigt gewesen. Zudem vertrete mit Jana Janas eine Fachkraft für Hygiene und Infektionsprävention die Chefärztin Elisabeth Engelmann im Krisenstab des Klinikums. Ursprünglich war die Hygienikerin Engelmann gar nicht Mitglied  im Corona-Krisenstab des Krankenhauses; Betriebsarzt und Hygiene-Chefarzt wurden erst auf Empfehlung des Interventionsteams des Robert Koch-Instituts (RKI) eingebunden. Auch langfristig will das Klinikum sich hier offenbar verstärken: Gesucht wird derzeit per Ausschreibung ein Facharzt für Hygiene. 

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