Potsdam und die Fußball-Landesklasse: Auffallend dominant
Die Potsdamer Fußballvereine bestimmen in dieser Saison die Landesklasse West. Während die Klubs aus der brandenburgischen Landeshauptstadt vom Einwohner-Boom profitieren, gehen den Teams auf dem Land die Spieler aus.
Es bedarf keiner allzu großen Rechenkünste, um sich auszumalen, dass der kommende Fußball-Landesklasse-Meister der Weststaffel ein Verein aus Potsdam sein wird. Ein Quartett aus der Landeshauptstadt überwintert an der Tabellenspitze. Ganz oben der ESV Lok Potsdam (39 Punkte) vor dem eigentlichen Staffelfavoriten Fortuna Babelsberg (35), Aufsteiger Grün-Weiß Golm (33) und den Potsdamer Kickers (23). Einzig die SG Bornim als fünfter Potsdamer Vertreter in der Staffel hat auf aktuell Platz acht etwas den Anschluss verloren.
Der Golmer Trainer Heino Schüler erklärt die Potsdamer Dominanz mit der innerstädtischen Konkurrenz der Vereine um gute Fußballer, die durch das Wachstum der Stadt seit Jahren genährt wird. Zuzug und vor allem die Universität sowie die Hochschulen bescheren den Klubs in der Landeshauptstadt – anders als etwa in der Prignitz – immer wieder Nachschub an starken Kickern. „Die Hälfte unserer Mannschaft besteht aus Studenten“, sagt Schüler. Zudem ist Potsdam in Sachen Fußballfamilie ein Dorf. „Die Spieler kennen sich alle untereinander“, erklärt Schüler und meint: „Da will sich in den Derbys jeder zeigen und der Bessere sein.“
Potsdam hat kickende "Masse und Klasse"
Den Reiz der Potsdamer Derbys sowie die Spiele gegen den Teltower FV und Lok Seddin wertet auch Mike Weißfuß als Leistungskatalysator. Der Trainer von Tabellenführer Lok Potsdam sieht zudem reichlich kickende „Masse und Klasse“ in Potsdam. Zudem nennt er zwei weitere wichtige Aspekte. Ehrgeizige Fußballer, die im Potsdamer Umland in der Kreisoberliga spielen und sich gern höherklassig probieren wollen. „Da sind Top-Leute dabei“, weiß der einstige Stürmer aus eigener Trainer-Erfahrung. Zum anderen können viele Potsdamer Vereine auf eine gute und breite Nachwuchsarbeit verweisen, aus der sich immer wieder Nachschub für den Männerbereich entwickelt.
Der Bevölkerungsboom, den Potsdam seit Jahren erlebt, spiegelt sich auch auf den Fußball-Plätzen wider: Ob am Stadtrand bei der SG Bornim, in Bornstedt bei den Potsdamer Kickers, bei Lok in der Berliner Vorstadt oder Fortuna Babelsberg am Stern – über zu wenig Kinder und Jugendliche beklagen sich die Vereine nicht, eher über zu wenig Platz-Kapazitäten. Die Folge spürt Weißfuß bis hoch in den Männerbereich: „Die Trainingsbeteiligung ist super.“
Während Potsdam gedeiht, verödet die Provinz
Das wiederum schürt den teaminternen Konkurrenzkampf, was folgerichtig Leistung provoziert. „Jeder will spielen, da muss man sich im Training durchsetzen“, bestätigt Lok-Spieler Adrian Blei. Seinem Trainer beschert das in dieser Saison das Problem, bei den Spielen die Qual der Wahl zu haben: Weißfuß kann sich aussuchen, wer in der Start-Elf spielt, eingewechselt wird, oder wer überhaupt im Kader steht. „Letzte Woche habe ich sechs Spieler zuhause gelassen, die in anderen Mannschaften ganz sicher auf dem Platz gestanden hätten“, sagt er.
Von solchen Luxusproblemen kann Stephan Ellfeldt nur träumen. „Wir haben schlichtweg keine Spieler“, hadert der Trainer des SV Union Neuruppin. Der Fußballkreis Prignitz-Ruppin gehört flächenmäßig zu den größten in Deutschland, „aber wir haben hier am wenigsten Personal“, sagt Ellfeldt. Der Lebensmittelpunkt der jungen Menschen sei nun mal nicht die Prignitz. „Die ziehen weg“, betont Ellfeldt. „Und wo keine Spieler sind, da ist kein Training. Und ohne Training, keine Leistung“, so die Kettenreaktion, mit der er den Niveauunterschied zwischen Fußball made in Potsdam und Fußball vom Lande erklärt. Während Potsdam gedeiht, verödet die Provinz. „Ein Strukturproblem“, meint Ellfeldt, „das ein Vereinssterben zur Folge hat.“
Union-Trainer prognostiziert Fortuna-Aufstieg
Während in Potsdam Turnhallen und Sportplätze ausgebucht sind, belegen in Kyritz Freizeitmannschaften drei Tage lang hintereinander eine große Dreifeld-Sporthalle, ohne sich zu bedrängen. „Wenn es heißt, dass Fußball ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, dann trifft es in diesem Fall zu“, sagt Ellfeldt: „Das Leben auf dem Land wird immer schwieriger. Und das Fußballspielen auch.“ Er kenne Prignitzer Teams in der Kreisoberliga, in der 50-Jährige aushelfen müssten. „Da kann man nur neidisch auf das wahnsinnig gute Einzugsgebiet von Potsdam schauen.“
Doch will Ellfeldt, der mit Union Neuruppin derzeit auf dem neunten Platz in der Weststaffel der Landesklasse steht, die Potsdamer Klubs nicht übermächtig reden. „Es ist eine Momentaufnahme“, sagt er, in der ihn die Tabellenführung von Lok Potsdam durchaus überrasche. Am Ende, so seine Prognose, werde in dieser Saison Fortuna Babelsberg aufsteigen. „Die haben Finanzstärke und starken Zulauf“, beschreibt Ellfeldt einen Aspekt, den in dieser Kombination dann doch nicht alle Potsdamer Vereine in der Landesklasse teilen.
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