Mike Schubert ist neuer Sozialdezernent in Potsdam: Auf die harte Tour
Im dritten Wahlgang und mit nur einer Stimme Mehrheit: SPD-Fraktionschef Mike Schubert wird knapp zum neuen Sozialbeigeordneten gewählt. Was bedeutet das für die Rathauskooperation?
Knapper ging es nicht: Erst im dritten Wahlgang und mit nur einer Stimme Mehrheit ist der Potsdamer SPD-Fraktions- und Parteichef Mike Schubert am Mittwochabend zum neuen Sozialdezernenten der Stadt gewählt worden.
Der Wahlkrimi in der Stadtverordnetenversammlung versetzte die Stadtspitze erneut in den Krisenmodus – denn Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte Schubert als seinen Kandidaten ins Rennen geschickt. Jetzt ist klar: Jakobs kann sich auch in Personalfragen nur noch bedingt auf seine Rathauskooperation aus Sozialdemokraten, CDU/ANW, Grünen und Potsdamer Demokraten verlassen. Im ersten Wahlgang hatte sich sogar eine absolute Mehrheit der Stadtverordneten gegen Schubert entschieden. Damit hatten zunächst auch mindestens sieben Stadtverordnete aus den Reihen der einst von Schubert geschmiedeten Kooperation in der geheimen Wahl nicht für ihn gestimmt.
Insgesamt hatte die Kooperation – inklusive Jakobs – 30 Stadtverordnete im Parlament versammelt. Die Fraktionen der Linken, Die Andere, Bürgerbündnis/FDP und AfD kamen auf 25 Stimmen – allerdings war erwartet worden, dass Schubert auch aus der Opposition einzelne Stadtverordnete überzeugt.
1. Wahlgang: Schubert mit absoluter Mehrheit durchgefallen
Doch schon nach dem ersten Wahlgang kam Jakobs gegen 17.30 Uhr mit versteinerter Miene aus dem Hinterzimmer des Plenarsaals, wo die Stimmen ausgezählt wurden. Das Ergebnis verkündete Stadtpräsidentin Birgit Müller (Linke): 23 Ja, 31 Nein, eine ungültige Stimme. Schubert war durchgefallen – mit absoluter Mehrheit. Es folgten eine zunächst zehnminütige Unterbrechung und hektische Beratungen in den Fraktionen. Der zweite Wahlgang brachte Besserung – allerdings nur wenig: 26 Ja- und 27 Nein-Voten bei zwei ungültigen Stimmen. Jakobs kündigte einen letzten und gesetzlich möglichen Versuch an. Dann reichte es knapp: 27 Ja, 26 nein, zweimal ungültig.
Es folgte scharfe Kritik: Von einem „erbärmlichen Schauspiel“ sprach Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Für Jakobs zeige sich nun, dass es erhebliche Vorbehalte gegen Schubert gebe. „Wir sehen uns in unseren Warnungen bestätigt.“ Scharfenberg war zuvor fest entschlossen gewesen: Er wollte Schubert verhindern – was ihm aber letztlich doch nicht gelang.
Bürgerbündnis-Chef Wolfhard Kirsch, den Schubert einst aus der SPD gedrängt hatte, sagte, die „Mehrheit der Stadtverordneten hält Herrn Schubert für inkompetent“. Ihn habe nur die letzte Disziplin der Rathauskooperation ins Amt gehoben. Christine Anlauff von der Fraktion Die Andere sprach von einem „peinlichen Ergebnis“: Die Kooperation sei gespalten.
SPD-Vize Heuer: Rathauskooperation nicht vor dem Aus
Dagegen versuchten die Partner der Kooperation den Schaden zu begrenzen. Das Bündnis stehe nicht vor dem Aus, sagte SPD-Fraktionsvize Pete Heuer, der vermutlich Schuberts Nachfolger an der Fraktionsspitze wird. „Mike Schubert steht nun vor der Aufgabe, auch seine Kritiker von seinen Qualitäten zu überzeugen.“ CDU-Fraktionschef Matthias Finken sprach von einem „erwartet knappen Ergebnis“. Allerdings habe letztlich die Kooperation ihre Verlässlichkeit bewiesen: „Die Kalkulation der Opposition ist nicht aufgegangen.“ Potsdam brauche stabile Mehrheiten, warb er für das Bündnis.
Etwas anders klang Grünen-Fraktionschef Peter Schüler: „Wir sollten ihm jetzt 100 Tage Zeit lassen, damit er zeigen kann, ob er dem Amt gewachsen ist.“ Die Grünen hatten öffentlich zunächst eine Wahl von Schubert infrage gestellt, sich dann aber der Kooperationsräson gebeugt. Hinter vorgehaltener Hand hieß es von SPD-Vertretern aus Schuberts Umfeld, womöglich hätten CDU/ANW und Grüne die Zustimmung zunächst auch deshalb verweigert, um den SPD-Mann als künftigen Kandidaten für die Nachfolge von Oberbürgermeister Jakobs zu schwächen. Andere Sozialdemokraten vermuteten dagegen offene Rechnungen mit Schubert, auch in den eigenen Reihen. Schlechte Zeichen seien vor der Wahl ignoriert worden.
Schubert: Ein "Nasenstüber" im 1. Wahlgang hätte gereicht
Nach der Pause kam Schubert – sichtlich zerknirscht – in den Plenarsaal. Der Wahl selbst hatte der 43-Jährige nicht beigewohnt. Jakobs überreichte ihm einen Blumenstrauß. Vor Journalisten sagte Jakobs, er stehe zu Schubert: „Er bringt alles mit.“ Er habe sich die Wahl aber nicht so hart vorgestellt. Doch auch seine eigene einstige Wahl zum Sozialbeigeordneten „habe nicht gleich geklappt“. Schubert sagte, es handele sich um einen Denkzettel von jenen, die seinen Rollenwechsel vom Fraktionschef zum Beigeordneten skeptisch beurteilen. „Wenn man hier 20 Jahre Kommunalpolitik gemacht hat, tut man sich schwerer als jemand von außen.“ Und weiter: Ein „Nasenstüber“ im ersten Wahlgang hätte ihm gereicht.
Die fast missglückte Wahl war in den vergangenen Wochen zur Schlammschlacht geworden. Für die Kandidatenauswahl – auch für einen noch nicht gefundenen Nachfolger des abgewählten Baudezernenten Matthias Klipp (Grüne) – hatte sich die Stadt des Personalberatungsunternehmens Kienbaum bedient, 75 000 Euro dafür bezahlt. Schuberts Gegner hatten erklärt, er sei fachlich der am wenigsten geeignete Kandidat gewesen – das hätten die Kienbaum-Tests gezeigt. Das hatte die SPD bestritten. Anfang dieser Woche hatte die einzige Frau im Kandidatenfeld, die Sozialdezernentin aus Hamburg-Altona Imogen Buchholz (parteilos), in Bezug auf Schubert erklärt, ihm werde der Ruf anhaften, aufgrund von „politischem Filz“ ins Amt gekommen zu sein.
Schubert ist für acht Jahre gewählt. Er soll den Posten am 1. September antreten. Der Politikwissenschaftler ist derzeit Referatsleiter für Brand-, Katastrophenschutz und Rettungswesen im Landesinnenministerium. Das Sozialdezernat im Rathaus umfasst auch das Jugend-, das Ausländer- sowie das Ordnungsamt und die Feuerwehr, ist das größte Ressort im Rathaus. Schubert wird Nachfolger von Elona Müller-Preinesberger (parteilos), die jetzt nach 13 Jahren in dem Amt aus familiären Gründen in den Ruhestand geht. Ihr hatte Jakobs zu Beginn der Sitzung für die Arbeit gedankt: „Sie werden mir fehlen.“ Es war einer der seltenen Momente, in denen Jakobs lächelte. Seit Wochen muss das Stadtoberhaupt diverse Krisen bewältigen – seien es der Stadtwerke-Skandal oder die Absage des designierten Baudezernenten Jürgen Rausch.
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Der größte Schaden, den Jakobs und Schubert erlitten haben, ist der Verlust von Glaubwürdigkeit – der nicht nur sie trifft, sondern die gesamte Stadtpolitik. Ein Kommentar >>
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