Fassade der alten Fachhochschule: Auf der Spur der Sterne in Potsdam
Im Sommer 2017 wurde die Fassade des FH-Gebäudes in der Mitte demontiert. Die charakteristischen Sterne sind zum Symbol des Protests geworden. Aber was ist seitdem mit den Originalen passiert?
Potsdam - Sie sind weg – und doch nicht: Die Fassadensterne vom verschwundenen FH-Gebäude am Alten Markt. Der charakteristische Gebäudeschmuck ist im Kampf um die Entwicklung der Potsdamer Mitte zum Symbol geworden: Auf Aufklebern mit dem Slogan „FH bleibt“ waren die Sterne zu sehen, Stofftaschen wurden mit dem Muster bedruckt. Der Umgang mit der Fassade hatte im August 2017, als sie demontiert wurde, für Emotionen gesorgt: Als der kommunale Sanierungsträger die Sterne bei Interesse an jeden abgeben wollte, erreichten das Unternehmen rund 300 Anfragen. Nach einem Protest zweier Mitte-Initiativen blies der Sanierungsträger den Plan wieder ab. Aber was ist mit den Originalen seitdem passiert?
Ab und zu sieht man sie
Hier und dort blitzen die Sterne in der Stadt auf: Im Rechenzentrum gibt es ein Fassadenteil, im Treffpunkt Freizeit, im Jugendkulturzentrum Freiland. Zwischenzeitlich waren FH-Sterne auch an Hausfassaden zu sehen – in der Zeppelinstraße, beim linken Projekt „La Datscha“oder in der Gutenbergstraße. Die Internetseite „Potsdam – Stadt für alle“ hatte vor Weihnachten zur Aktion „Sterne sehen“ aufgerufen, inklusive Bastelanleitung für FH-Sterne aus Papier. Auch um das Aufhängen von Sternen an Fassaden ging es. Der Stern sei Zeichen des Protestes „gegen die politische Kultur in unserer Stadt“, hieß es unter anderem.
Der größte Teil der Sterne lagert heute aber bei der Fachhochschule Potsdam – bis auf zwei Fassadenteile, die das städtische Bauamt und der Sanierungsträger zur Dokumentation aufbewahren, und ein drittes, das ans Potsdam Museum gegangen ist und dort nach Auskunft von Stadtsprecherin Christine Homann künftig in der überarbeiteten Dauerausstellung zur Stadtgeschichte gezeigt werden soll. Die Fachhochschule hat rund 80 quadratische Teile mit jeweils vier Sternen, wie Jörg Freitag, Professor für Metallrestaurierung, den PNN sagte. In seiner Werkstatt in der Kiepenheuerallee hängt eines der Sternenquadrate, auch in der FH-Bibliothek ist ein Fassadenteil prominent im Eingangsbereich angebracht.
An der Hochschule hat man sich Gedanken gemacht. Die Sterne, das sei auch der Wunsch vieler Kollegen gewesen, dürften „nicht einfach auf den Schrott gehen“, sagt Jörg Freitag. Das FH-Gebäude am Alten Markt sei für die nach dem Mauerfall gegründete Fachhochschule das erste richtige Gebäude gewesen, entsprechend identitätsstiftend sei auch die Fassade. Freitag leitete die Arbeitsgruppe, die sich mit der Zukunft der Sterne beschäftigt hat und der auch der damalige FH-Präsident Eckhard Binas angehörte.
Sterne wieder öffentlich sichtbar machen
Die Sterne sollen nicht in verschiedenen Büros verschwinden, sondern zentral an wenigen Punkten und „möglichst auch wieder im Außenbereich sichtbar werden“, fasst er das Ziel der AG zusammen. Bei einem Ideenwettbewerb seien rund 15 Vorschläge von Studierenden und Mitarbeitern eingegangen. So gab es etwa die Idee, die Sterne an der Fassade des neuen FH-Campus in der Kiepenheuerallee anzubringen. Das sei aber wegen des Rechts der Architekten an ihrem Werk problematisch, erklärt Freitag.
Schließlich habe man sich auf eine andere Lösung geeinigt: Die Sterne sollen im Zuge der Neugestaltung des Campus-Außenbereiches verwendet und so auch für die Öffentlichkeit wieder sichtbar werden. Denkbar sei beispielsweise, dass sie für ein Wegeleitsystem verwendet werden.
Der Haken: Wann es dazu kommt, ist noch offen. Es wird vermutlich Jahre dauern. Denn vor der Außengestaltung steht noch ein letzter Neubau auf dem Gelände an, wie FH-Sprecherin Steffi Brune den PNN sagte. An den Plänen für die Sterne habe sich aber auch durch den Wechsel an der Hochschulspitze nichts geändert, betont sie: „Dass das passieren wird, steht außer Frage.“
Forschungsprojekt zu Fassadenelementen
Geschehen ist mit den Sternen auch in der FH-Werkstatt schon einiges, wie Jörg Freitag berichtet. Die Fassadenelemente sind für ein größeres Forschungsprojekt zum Umgang mit Aluminium in Fassaden untersucht worden. Auch zu Wolfgang Kärgel, der die Fassade damals entworfen hat, hätten seine Studierenden Kontakt aufgenommen. Die Sterne – es sind Unikate – seien damals entwickelt worden, weil die Fassade des 1977 eingeweihten Instituts für Lehrerbildung sonst „zu industriell“ gewirkt hätte, berichtet er. Bei der Entwicklung habe Kärgel sich unter anderem von der Origami-Falttechnik inspirieren lassen. Das Aluminium stamme aus Ungarn, in Berlin wurde es mit einer weißen Einbrennlackierung versehen.
Freitag untersucht anhand der Sterne und ähnlichen Fassaden anderswo in der Republik, wie man mit dem Material umgehen kann. Denn Alu-Fassaden – nicht nur, aber auch aus der DDR-Zeit – würden teils leichtfertig entfernt, zum Beispiel aus Wärmeschutzgründen, sagt der 62-Jährige. Gemeinsam mit Fachkollegen und Studierenden arbeitet er daran, wie man sie am Bau erhalten kann. Am Freitag veranstaltete er dazu eine Tagung in Potsdam: „Neues zum Altmetall“.
Einige wenige Sternteile hat Freitag über die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ verschiedenen Potsdamer Einrichtungen zur Verfügung gestellt: Der Treffpunkt Freizeit, das Freiland-Kulturzentrum, die Tuchmacherstraße 8, deren Bewohner sich erfolgreich gegen den Verkauf gewehrt hatten, und das Tanzzentrum Fabrik in der Schiffbauergasse, wie Initiativen-Sprecher André Tomzcak den PNN sagte. Gefragt seien die Sterne auch jetzt noch, so hätten sich etwa Schulen gemeldet: „Wenn bei der FH noch ein Überhang da ist, dann würden wir das gern in die Stadt tragen.“ Die FH-Sterne stehen für Tomzcak „für eine Trauerarbeit – einem Gebäude hinterher und einem Potenzial“. Mit dem FH-Abriss sei viel öffentlicher Raum in der Mitte verlorengegangen, kritisiert er.
Genau dort, in der Mitte, wird die charakteristische Fassade künftig wieder zu sehen sein – in kleinerer Ausführung. Der Siegerentwurf für das Haus in der Schwertfegerstraße 11, das kleinste Grundstück auf dem früheren FH-Gelände, sieht eine vorgehängte Sternenfassade à la FH vor. Um wen es sich beim Bauherren handelt, ist noch unbekannt. Im Erdgeschoss ist eine Galerie geplant, in den drei Obergeschossen und dem Dachgeschoss Wohnungen.
Sterne-Koch ist Sterne-Fan
Fans haben die FH-Sterne aber auch an unvermutetem Ort: Im jüngst mit einem Michelin-Stern geadelten Gourmetrestaurant „Kochzimmer“ in der Ratswaage am Neuen Markt. Das Gastronomenpaar Jörg und Claudia Frankenhäuser hat ein Wandelement im Stil der FH-Sterne anfertigen lassen. „Wir bemühen uns noch immer um ein Original“, sagte Jörg Frankenhäuser den PNN. Als Potsdamer habe er den Kontrast, den die alte, vom Bauhaus inspirierte Fachhochschule mit dem neuen rosafarbenen Landtagsschloss bildete, als Zugewinn betrachtet. „Aber jetzt entsteht etwas Neues – das ist ok“, betont er. Die Sterne hätten „etwas Zeitloses“, ständen aber auch für „eine gewisse Unzufriedenheit“ mit der Entwicklung, die die Stadt architektonisch in den letzten Jahrzehnten genommen hat. Einen Originalstern würde er immer noch gern nehmen – und dann in den Innenhof stellen, sagt Frankenhäuser: „Der Stern ist ein Statement für die Urpotsdamer – und dagegen, dass alles rosa und ein Stück weit banal wird.“