Radfahren in Potsdam: Auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Stadt
Potsdam engagiert sich für den Radverkehr – aber andere deutlich mehr. Und etablierte Vorbilder wie die Niederlande sind schon wieder einen Schritt voraus. Hier ein Überblick, was sich tut – in Potsdam und anderswo.
POTSDAM
Ein von verschiedenen Verkehrsteilnehmern gleichberechtigt genutzter Straßenraum nach dem sogenannten Shared-Space-Konzept oder Radschnellrouten, auf denen es kreuzungsfrei und getrennt vom restlichen Verkehr flott durch die Stadt geht: In Potsdam war in den vergangenen Jahren einiges an innovativen Ideen für mehr Sicherheit und Komfort für Radfahrer im Gespräch. Die Realität auf den Straßen verändert sich für Radfahrer aber nur langsam. Zwar hat sich schon etwas getan – der internationale Vergleich zeigt jedoch, dass deutlich mehr möglich ist. Auch für die gute Platzierung beim jüngsten Fahrradklimatest des siehe Hintergrund).
Als Potsdam im Jahr 2008 das Radverkehrskonzept verabschiedete, waren die Ziele klar: Der Anteil des Radverkehrs sollte bis 2012 um ein Drittel auf dann 27 Prozent erhöht werden. Zählungen an den Brücken in den Jahren 2008 und 2014 ergaben nur eine Zunahme um zehn Prozent, wie der Radverkehrsbeauftragte Torsten von Einem auf PNN-Anfrage sagte – gesicherte Rückschlüsse auf den Radverkehrsanteil geben diese Zählungen nicht, eingerechnet werden muss außerdem der Einwohnerzuwachs um sieben Prozent in diesem Zeitraum, räumt von Einem ein.
Der Fahrradbeauftragte sieht Potsdam dennoch auf gutem Weg: Der Großteil der laut Radverkehrskonzept prioritären Routen im insgesamt 326 Kilometer umfassenden Radwegenetz sei umgesetzt worden oder zur Zeit in Umsetzung. 888.250 Euro hat die Stadt dafür seit 2009 durchschnittlich pro Jahr ausgegeben – das entspricht 5,50 Euro pro Jahr und Einwohner, rechnet der Radverkehrsbeauftragte vor. Größere Summen sind unter anderem in die Sanierung des Rad- und Fußwegs in der Hegelallee sowie in der Lindenallee oder in den Uferweg zur Speicherstadt geflossen. Ab diesem Jahr soll sich die Summe noch erhöhen: Laut der mittelfristigen Haushaltsplanung sind für die Jahre 2015 bis 2019 durchschnittlich 1,22 Millionen Euro pro Jahr für den Radverkehr vorgesehen, umgerechnet 7,67 Euro pro Jahr und Einwohner.
Radfahrer noch nicht sicher
Bei der Sicherheit für Radfahrer auf den Straßen und den Fahrradstellplätzen steht Potsdam noch am Anfang. Nach mehreren schweren und teils sogar tödlichen Unfällen hatte die Stadt 2013 ein Radsicherheitskonzept vorgestellt, in dem Unfallschwerpunkte ausgemacht und mögliche Maßnahmen, zum Beispiel Schutzstreifen, vorgeschlagen wurden. Umgesetzt wird das nur schrittweise.
Für den seit Jahren dringenden Platzbedarf am Hauptbahnhof soll in diesem Jahr eine Fahrradstation mit 550 – allerdings kostenpflichtigen – Stellplätzen entstehen. Bereits seit 2010 können Radfahrer beim „Scherbentelefon“ unter der Nummer (0331) 289 40 00 akute Probleme auf den Radwegen melden.
Konkurrenz im Verkehr
Die größte Herausforderung auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Stadt wird die Flächenkonkurrenz zu anderen Verkehrsarten bleiben, prognostiziert der Radverkehrsbeauftragte von Einem – momentan wird bekanntlich über die Zeppelinstraße heftig gestritten, die zur Reduzierung des Autoverkehrs einspurig werden und stattdessen einen vernünftigen Radweg bekommen soll. Immerhin: Potsdam hat auch schon zwei „Fahrradstraßen“, auf denen Radler Vorrang haben.
BERLIN
Im Langfristvergleich hat sich viel getan: Auf den Hauptstraßen sind bisher rund 180 Kilometer Radspuren markiert worden, das Netz aus beschilderten Routen (meist auf vorhandenen Straßen) wächst stetig, an Bahnhöfen gibt es weit mehr als 10 000 teils überdachte Abstellplätze. Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) spricht von knapp 14 Millionen Euro Ausgaben für den Radverkehr in diesem Jahr – wobei zur Wahrheit gehört, dass in den vergangenen Jahren viele baureife Projekte liegen blieben und der Radfahrerverband ADFC strengere Maßstäbe anlegt, weshalb er eher auf acht Millionen Euro kommt.
Fakt ist auch: Der Radverkehr wuchs in vielen Kiezen schneller als die Infrastruktur. Und was hier als Modellprojekte geplant wird – einzelne grüne Wellen, Fahrradparkhäuser sowie eine kreuzungsarme Route aus dem Südwesten in die City –, ist anderswo längst fertig und in ganz anderen Dimensionen umgesetzt worden. Außerdem lässt sich die Verwaltung ihre eigenen Erfolge kaputtmachen, indem sie beispielsweise Radspuren markiert, die Autofahrer oft ungestraft zuparken.
Viele Städte gehen bei der Planung von neuen Radwegen deshalb über die reine Markierung von Radstreifen auf der Straße hinaus. Im Trend liegen feste Barrieren zwischen den Spuren für Rad- und Kraftverkehr, die verhindern, dass Autos Radstreifen blockieren. In Kopenhagen reichen dafür Bordsteine von wenigen Zentimetern. In Städten mit schwächeren Radfahrertraditionen werden bepflanzte Streifen oder hohe Barrieren aus Beton errichtet, um die Autos fernzuhalten. Besonders fortschrittliche Städte bauen Brücken und Kreisverkehre für Fußgänger und Radfahrer. Ein Netz aus Fahrradschnellwegen bringt dort Pendler von der Peripherie ins Zentrum.
KOPENHAGEN
„Copenhagenize“ ist zu einem Stichwort der modernen Stadtentwicklung geworden. Geprägt wurde es vom Fahrrad-Aktivisten Mikael Colville-Andersen, der weltweit Städte für neue Verkehrskonzepte berät. 36 Prozent der Bevölkerung fahren in Kopenhagen bereits mit dem Rad zur Arbeit. Die Stadt hat sich vorgenommen, diesen Anteil auf über 50 Prozent zu steigern. Baulich abgetrennte Radwege an Hauptverkehrsachsen gibt es in Kopenhagen schon lange, typischerweise zur Straße hin leicht erhöht und durch Bordsteine begrenzt. Der blau gefärbte Asphalt wird auch über Kreuzungen gezogen, um abbiegende Autofahrer zu sensibilisieren. Die meisten kennen die andere Perspektive ohnehin, denn viele von ihnen sind selbst als Radfahrer groß geworden. In Kopenhagen zeigen auch kleine Dinge, wie wichtig die Stadt das Radfahren nimmt: Schräg montierte Mülleimer erleichtern das Einwerfen aus der Fahrt. Sensoren vor Kreuzungen verschaffen Radfahrern eine grüne Welle. Für Colville-Andersen sind Fahrräder in Kopenhagen so selbstverständlich wie Staubsauger im Haushalt: Gegenstände des täglichen Gebrauchs.
AMSTERDAM
In Amsterdam gibt es mehr Fahrräder als Einwohner. Das Fahrrad, tief in der niederländischen Kultur verwurzelt, ist in den schmalen Gassen der Grachtenstadt schneller als Autos, die hier wenig Platz haben. Das sieht für Besucher der Stadt zum Teil chaotisch aus, funktioniert aber ohne größere Unfälle. Fast alle Hauptstraßen haben eigene Fahrradspuren oder separierte Radwege, die durchgängig rot markiert sind, Mindestbreite 1,80 Meter. Allein zwischen 2012 und 2016 werden 57 Millionen Euro für die Verbesserung der schon jetzt hervorragenden Fahrradinfrastruktur ausgegeben. Landesweit sollen 20 Schnellwege Pendler auch für längere Strecken aufs Rad locken.
PORTLAND, USA
Die Stadt im Westküstenstaat Oregon gilt als die radfahrerfreundlichste Metropole der USA. Seit 1999 wurde dort eine Infrastruktur geschaffen, die man im Rest des Landes meist vergeblich sucht: Autofreie Brücken, kostenlose und überwachte Parkmöglichkeiten, ein großes Netz aus separaten Radwegen und Wohnstraßen mit Vorrang für Radler. Einzelne Ampeln haben Vorrangschaltungen und Diagonalquerungen für Radfahrer. Schilder erinnern Rechtsabbieger an die Vorfahrt der Radler. 16 Prozent der Beschäftigten fahren mit dem Rad zur Arbeit, was von vielen Unternehmen mit Fahrradstellplätzen, Umkleideräumen und Duschen unterstützt wird. Bis 2030 sollen die Bürger für ein Viertel aller Fahrten das Rad benutzen.
VANCOUVER, KANADA
Auch die Metropole von British Columbia hat auf das schnelle Wachstum des Radverkehrs reagiert. Typisch sind „Green Lanes“, durch Barrieren getrennte Zweirichtungs-Radstreifen. Vancouver hat die neuen „Green Lanes“ großzügig ausgeführt, wodurch Fahrer unter Beachtung des Gegenverkehrs besser überholen können. Die Stadt betont, dass sich durch die Radstreifen auch das Sicherheitsgefühl der Fußgänger verbessert habe. Sie werden auf dem Gehweg nicht mehr von Radfahrern behelligt.
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