Konflikt um Uferweg in Groß Glienicke: Auf dem Weg zum Weg
Die Stadt hat einen ersten Sieg im Streit um das Groß Glienicker Seeufer erreicht. Bis zu einem Uferweg wird es aber noch Jahre dauern. Fast zehn Verfahren sind noch offen.
Potsdam - Die gute Nachricht zuerst: Die Stadt Potsdam ist auf dem Weg zu einem durchgängig offenen Uferweg zumindest am Groß Glienicker See ein Stück vorangekommen. Die schlechte: Bis es diesen Weg gibt, wird es wohl noch mindestens zehn Jahre dauern. Den ersten Etappensieg im Kampf gegen die sperrenden Seeanrainer hat der Stadt nun Brandenburgs Innenministerium beschert. Im ersten von insgesamt 20 Enteigungsverfahren hat die zuständige Enteignungsbehörde zugunsten der Kommune entschieden. Der betroffene Eigentümer muss der Stadt nun den Bau eines drei Meter breiten Uferwegs über sein Grundstück erlauben und dieses öffentliche Wegerecht auch als Dienstbarkeit ins Grundbuch eintragen lassen.
Die Stadt muss dafür lediglich eine Entschädigung in Höhe von acht Euro pro Quadratmeter zahlen – der Wert für öffentliche Grünflächen. Fußgänger und Rollstuhlfahrer dürfen den Weg nutzen, Radfahrer hingegen nicht. Die Stadt hatte das Radfahren erlauben und den Weg einen Meter breiter anlegen wollen – beides wurde vom Land allerdings abgelehnt, weil es den Vorgaben des gültigen Bebauungsplans widerspricht. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) wertete die Entscheidung des Innenministeriums als wichtigen Erfolg. „Ich freue mich außerordentlich“, sagte er am Donnerstag. Er gehe zudem davon aus, dass die Enteignungsbehörde in den übrigen Fällen ebenso entscheide.
Ministerium spricht von „Musterverfahren“
Genau das ist auch der Plan. Noch im Januar würden die 19 Betroffenen, die sich einem Wegerecht über ihr Grundstück verweigern, angeschrieben, sagte Ministeriumssprecher Ingo Decker den PNN. Man werde ihnen vorschlagen, sich dem „Musterverfahren“ anzuschließen.
Dass sie das tun werden, glaubt allerdings kaum jemand. Groß Glienickes Ortsvorsteher Winfried Sträter (Groß Glienicker Forum) weiß von mindestens einem Seeanrainer, der bereit sei, notfalls bis zum Bundesgerichtshof zu ziehen. Auch im Innenministerium rechnet man mit Klagen gegen Enteignungsbescheide. Dieser Weg würde über drei Instanzen führen: Zunächst ist laut Rechtsamtschefin Karin Krusemark das Landgericht Neuruppin zuständig, dann das Oberlandesgericht und schließlich der BGH. Bis dieser Verfahrensmarathon abgeschlossen ist, „werden zwei oder drei Jahre nicht reichen“, sagte Krusemark. So lange würden dann auch die Enteignungsverfahren ruhen, sagte Decker.
Dass es am Ende einen öffentlichen Uferweg am Groß Glienicker See geben wird, scheint jedoch weitgehend sicher. Der Bebauungsplan stammt bereits von 1999, mehrere Normenkontrollklagen von Anrainern wurden von Gerichten allesamt abgewiesen, seit 2001 ist das Papier rechtskräftig. Trotzdem halten Seeanrainer Teile des Wegs seit 2009 gesperrt, haben Hecken gepflanzt und Zäune aufgestellt.
Etwa ein Drittel des gesamten, 2,7 Kilometer langen Wegs ist derzeit nicht zugänglich. Von Norden aus gelangt man zwar bis zur Badestelle und sogar darüber hinaus, aber allerdings nur, weil die Spaziergänger im nördlichen Bereich die Sperren umgehen können. In diesem Abschnitt liegt auch das Grundstück, über das die Enteignungsbehörde jetzt entschieden hat. Allerdings handelt es sich nach Rathausangaben es sich nicht um einen Sperrer, sondern einen Eigentümer, dessen Grundstück zwischen sperrenden Anrainern liegt und das deshalb nicht zugänglich ist. Nichtsdestotrotz hatte der Betroffene ein Wegerecht abgelehnt.
65 Prozent der Flächen gehören der Stadt
Rund fünf Millionen Euro soll der komplette Uferweg summa summarum kosten, inklusive aller Baumaßnahmen und Entschädigungszahlungen. 65 Prozent der Flächen gehören bereits der Stadt, zuletzt hatte das Rathaus mehrere Grundstücke vom Bund gekauft. Die restlichen zwei in Bundesbesitz befindlichen Flächen seien mit Rückübertragungsansprüchen belastet, sollten sie dem Bund zugesprochen werden, will die Stadt auch diese erwerben. Für jedes von Enteignungsverfahren betroffene Grundstück hat die Stadt nach Erlangen der Rechtskraft der Bescheide – oder nach einer gütlichen Einigung – dann fünf Jahre Zeit, um den entsprechenden Abschnitt herzustellen. Das Geld ist bereits in den Haushalt eingestellt.
Sträter begrüßte auch im Namen des Ortsbeirats die Entscheidung der Behörde. Diese sei „konsequent und richtig“, entspreche sie doch den Zielen des B-Plans. Für den Ortsbeirat bleibe der Uferweg jedoch ein bürgerschaftliches Anliegen. Ziel sei es, dass alle – Seeanrainer und Öffentlichkeit – „gemeinsam Freude“ an dem Uferweg haben. Sträter appellierte an alle Eigentümer, freiwillig ein Wegerecht zu gewähren.
Kritik kam hingegen von Andreas Menzel vom Verein „Freies Groß Glienicker Seeufer!“ Zwar sei die Entscheidung des Innenministeriums zu begrüßen, jedoch gehe sie nicht weit genug, sagte er den PNN. Ziel des Vereins bleibe nicht nur ein freier Uferweg, sondern ein freies Ufer. Zudem kritisierte Menzel auch die Stadtverwaltung. Es sei unverständlich, warum die Stadt einen Antrag auf sogenannte vorzeitige Besitzeinweisung wieder zurückgezogen habe, nur, weil das Ministerium kurz vor einer Entscheidung stand, sagte Menzel. Mit einer vorzeitigen Besitzeinweisung hätte die Stadt unverzüglich mit dem Bau des Wegs beginnen können – ungeachtet der juristischen Streitigkeiten. Nun werde das Verfahren wieder grundlos in die Länge gezogen, kritisierte Menzel.
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